Die vierte Pandemiewelle türmt sich weiter auf, und so langsam fühlt man sich wie TV-Wetteransager Phil Connors in „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Alles geschieht exakt so, wie es schon zuvor geschah. Die Coronazahlen gehen im Sommer runter, alle entspannen sich, dann rauscht die nächste Welle heran – und die Politik zeigt sich ein ums andere Mal auf so hanebüchene Weise unvorbereitet, dass wieder einmal harte Zwangsmaßnahmen als einziger Ausweg erscheinen. Vor einem Jahr drehte die Debatte sich um den Lockdown, diesmal um eine Impfpflicht.
Drastische Maßnahmen müssen in einer Krise manchmal sein. Was den politischen Entscheidern in Deutschland aber vorzuwerfen ist, ist ihre Fantasielosigkeit in dem Moment, in dem Vorsorge noch möglich ist. Tödliche Fantasielosigkeit. Innovation zeigte sich in der schlappen Impfkampagne allenfalls darin, dass in Thüringen Bratwurst zur Impfung spendiert wird. Und sonst? Keine Ideen – bis zur nächsten Welle. Dann: Panik.
Eine Million Dollar zu gewinnen
Im US-Bundesstaat Ohio gab es per Impflotterie wöchentlich eine Million Dollar zu gewinnen, in Österreich hat der Fernsehsender ORF nun ebenfalls Preise ausgelobt, darunter ein Einfamilienhaus.
Kreatives Denken würden wir in Deutschland auch gerne sehen. Milliarden gibt der Staat aus, um die Folgen der Pandemie zu mildern – eine Belohnung fürs Impfen war nicht drin. Warum keine Prämie von einigen Hundert Euro?
Und es müsste nicht einmal ein finanzieller Anreiz sein. Lange Zeit war das Nudging schwer in Mode in den Regierungszentralen in Washington, London und Berlin. Diese verhaltensökonomische Methode setzt auf eine sanfte Lenkung von Menschen. Die Stadt Wien versucht es jetzt beim Impfen damit: Jeder Bürger erhält ein Schreiben mit einem Impftermin, um dessen Absage er gebeten wird, wenn er nicht kommt.
In der deutschen Verwaltung ist Fantasie leider ein seltenes Gut. Meist sind Entscheider auf Fehlervermeidung bedacht, wie beim heiligen Datenschutz.
Dann setzen wir doch lieber auf die Fantasie des Einzelnen: auf die Ideen der Tüftler, Unternehmer und Wissenschaftler. Auf die Biotech-Forscher, auf den Luftfilterproduzenten oder den Hemdenhersteller, der auf Masken umstellt. Auch der viel gescholtene Kapitalismus hat Lösungen anzubieten und kann helfen, dass wir alle irgendwann nicht mehr Phil Connors sein müssen – und an einem neuen Tag erwachen.
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