Kampfpanzer für die Ukraine „Die Zeitenwende wirkt wie ein Katalysator“

Ein Leopard 2 A7V der Bundeswehr. Quelle: dpa

Der Leiter des deutschen Panzermuseums, Ralf Raths, im WiWo-Gespräch über fehlende politische Antworten auf die Zeitenwende – vor allem von links.

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Seit einem Jahr beobachtet Ralf „Der Tank Wart“ Raths die Zeitenwende aus Sicht eines Rüstungsexperten. Der Historiker leitet das deutsche Panzermuseum in Munster und wurde zu einem der wichtigsten medialen Ansprechpartner, wenn es um das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Kriegsgerät geht. Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche blickt er auf ein Jahr militärischer, politischer und kultureller Wende – und verlangt neue politische Antworten.

WirtschaftsWoche: Herr Raths, Sie leiten das Deutsche Panzermuseum in Munster, bei Ihnen gibt es über 100 Panzerfahrzeuge zu sehen. Funktioniert das Gerät eigentlich noch?
Ralf Raths: Viele Fahrzeuge können noch fahren, aber wirklich einsatzbereit ist keines davon. Es würde sogar bei den jüngeren Fahrzeugen eines immensen Aufwands bedürfen, um diesen Zustand noch einmal zu erreichen.

Wie sehr ist das Interesse an Ihrem Museum seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und der Debatte um Waffenlieferungen gewachsen?
Die Aufmerksamkeit für das Thema ist enorm und hat seit der Debatte um die Leopard-2-Lieferung noch einmal eine ganz neue Dimension bekommen. Allein am ersten Tag nach der Winterpause kamen über 200 Leute, wir hatten nur mit einigen Dutzend gerechnet. Auch auf unseren Social-Media-Kanälen gibt es mehr Interesse. Das Bedürfnis nach Wissensvermittlung und Einordnung scheint also sprunghaft größer zu werden, was mich sehr an die Corona-Zeit erinnert.

Die Corona-Zeit?
Die Panzer-Debatte während des Kriegs gleicht dem Streit um den mRNA-Impfstoff während der Pandemie. Es geht in beiden Fällen um eine kaum fassbare Katastrophe, für die man Lösungen sucht. Mögliche Gefahren rücken in die Diskussion, rote Linien – und bei den Menschen gibt es Ängste. In der Pandemie war das die Furcht vor Impfschäden, heute ist es die Furcht vor der Eskalation. Wirklich jede und jeder kann dazu eine hoch emotionale Meinung haben, was damals wie heute teils irrationale Züge angenommen hat. Während Corona sprachen einige dann plötzlich vom Merkel-Regime, heute von Scholz-Zöglingen. Es ist kein Zufall, dass es hier Überschneidungen gibt.

Der Leiter des deutschen Panzermuseums: Ralf Raths. Quelle: Panzermuseum.

Und da hilft es, sich bei Ihnen den Unterschied zwischen einem 30mm- und einem 35mm-Geschütz erklären zu lassen?
Es geht um die Erzählungen hinter solch mechanisch klingenden Fakten. Wir erklären unseren Besucherinnen und Besuchern seit Jahren, dass bei diesen Details immer Menschenleben auf dem Spiel stehen, dass junge Soldaten in diesen Panzern verbrennen, zerfetzt werden oder ersticken. Egal auf welcher Seite. Wenn wir auf Social Media über den Krieg sprechen, über Waffenlieferungen und über Aufrüstung streiten, dann sollten uns solche Auswirkungen klar sein.

Dann ist das Panzermuseum also mehr als ein begehbares Panzerquartett, sondern dient der Abschreckung?
Es ist ein Ort, an dem Besucherinnen und Besucher lernen, was eine Kriegsbeteiligung bedeutet, was Kriegsmaschinen sind und was sie anrichten können. Ich möchte, dass sie nach einem Rundgang in der Lage sind, eine informierte Entscheidung zu treffen.

Und das gelingt?
Wir haben auch schon vor der Ukraine bemerkt, dass gerade junge Gäste immer entspannter mit dem Thema Panzer und Rüstung umgehen. Die Kriegsgeneration war früher traumatisiert, die Folgegeneration grenzte sich ab. Heute kennen viele den Krieg oft nur als eines von vielen Nischenthemen. Die Zeitenwende wirkt da wie ein Katalysator. Die Rückkehr des Krieges nach Europa hat viele Menschen verunsichert und merken lassen, wie wenig sie vom Militär wissen. Und ich hoffe, dass wir mit unserem Angebot zumindest im Bereich Panzerei aushelfen können.

Das kann aber nicht allein Ihre Aufgabe sein. Muss nicht auch die Politik, allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz, besser kommunizieren?
Das Thema Sicherheitspolitik führte in den vergangenen Jahren ein Schattendasein. Keiner hat sich um die Bundeswehr oder eine Strategie gekümmert. Ich bin ja selbst Linker und muss meiner eigenen Bubble sagen: Sie blockt tatsächlich seit Jahrzehnten dogmatisch ab und hat deshalb verpasst, eine eigene Sicherheits- und Außenpolitik zu definieren. Viele haben das Dilemma, das Joschka Fischer schon in den 1990-ern betont hat, immer noch nicht durch eine Gewichtung gelöst: nie wieder Krieg, aber auch nie wieder Auschwitz.

Haben Sie denn einen Ausweg?
Wir wissen, was Waffen anrichten  – aber wir sind einer freien und liberalen europäischen Gesellschaft verpflichtet, in der jede und jeder lieben und leben kann, wie er oder sie es möchte. Zwischen dem Wunsch nach Frieden und dem Willen zur Verteidigung steckt aber in Wahrheit kein Widerspruch.

Und das heißt?
Wir müssen lernen, woke und wehrhaft zu sein. Und dafür steht alles, was wir im Panzermuseum zu leisten versuchen.

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Woke und wehrhaft... sieht das die Rüstungsindustrie genau so?
Es gibt mit Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann nur zwei große Panzerbauer in Deutschland. Beide Unternehmen helfen uns hin und wieder bei Ausbesserungen und Material. Ich fordere sie aber auf, sich aktiver bei uns zu beteiligen und dadurch auch ihr eigenes Kulturgut aufzuarbeiten. Aber zeigen sowohl Rheinmetall als auch KMW da auffälliges Desinteresse. Dabei gibt es in der Geschichte deutscher Rüster einiges aufzuarbeiten, von der Zwangsarbeit bis zu den NS-Lagersystemen. Gerade wenn die Rüstungsindustrie durch den aktuellen Krieg in die Mitte der Aufmerksamkeit rückt, sollte sie sich um ihre Geschichte kümmern.

Lesen Sie auch: Ein gemeinsamer Aufbruch mit der Rüstungsindustrie soll Lücken bei der Bundeswehr schließen. Die bleibt bislang misstrauisch.

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