Kanzlerkandidat der Union Armin Laschet: Der Mann mit dem „Deutschland-Plan“

Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, wird der Kanzlerkandidat der Union für die nächste Bundestagswahl. Quelle: dpa

Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet setzt sich gegen Markus Söder durch und führt eine von Machtkämpfen und Skandalen geschwächte Union in den Bundestagswahlkampf. Der umstrittene Kanzlerkandidat will einen wirtschaftsfreundlichen Kurs einschlagen – und sich so von den Grünen als Hauptgegner der Union absetzen. Doch die wichtigste Frage bleibt offen: Kann Laschet den Trend noch drehen?

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Es war schon nach Mitternacht, als Armin Laschet sich endlich durchgesetzt hatte. Nach einer sechseinhalbstündigen Redeschlacht im CDU-Bundesvorstand wurde in der Nacht zum Dienstag abgestimmt; 31 CDU-Vorständler hoben die Hand für ihren Parteivorsitzenden, sechs enthielten sich und neun votierten für Markus Söder. Das ist zwar alles andere als ein strahlender Sieg für den NRW-Ministerpräsidenten, aber man kann das Ergebnis als jene „deutliche Mehrheit“ werten, die Konkurrent Markus Söder am Montagnachmittag noch als Voraussetzung dafür gefordert hatte, dass er seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur zurückstellen würde.

Die Forderung des Söder-Lagers, die Basis mit einzubeziehen und zumindest die 336 Kreisvorsitzenden über den Kanzlerkandidaten der Union mit abstimmen zu lassen, wurde in der dramatischen Nachtsitzung fallengelassen. Am Dienstagmittag gab Söder schließlich bekannt, dass er seine Bewerbung für die Unions-Kanzlerkandidatur zurückzieht. Die Reaktion der CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht noch aus.

Der nächtliche Gewaltakt von Laschet erinnert an den teuer erkauften Erfolg des griechischen Königs Pyrrhus und seinen Ausspruch: „Noch so ein Sieg und wir sind verloren“. Das gilt um so mehr, als die Grünen mit ihrer einvernehmlichen und perfekt inszenierten Entscheidung für Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin zeigten, wie man es auch machen kann.

Der heftige Kampf um die Nachfolge von Angela Merkel hat tiefe Wunden in der Union hinterlassen und auch das Verhältnis von CDU und CSU schwer belastet. In der gemeinsamen Bundestagsfraktion drohte der offene Aufstand, die Autorität von Vorstand und Präsidium ist nachhaltig beschädigt. Die Entscheidung für Laschet und gegen Söder wird offen angezweifelt: Warum zieht die Union mit einem Kanzlerkandidaten in den Wahlkampf, der in den Umfragen weit zurückliegt?

Laschet selbst wurde vom Ausmaß des Widerstands in den eigenen Reihen zwar überrascht; er habe aber dennoch „keine Sekunde“ daran gedacht, aufzugeben und Söder den Vortritt zu überlassen, heißt es in seiner Umgebung. Angesichts der tiefen Spaltung der Partei werde jetzt nicht der „größte Intrigant, sondern der beste Integrator“ gebraucht, Söder könne die Union nicht zusammenhalten. Und die schlechten Umfragewerte? Laschet sieht darin nur  „Momentaufnahmen“, die sich in den kommenden sechs Monate bis zur Bundestagswahl noch drehen werden – eine Wette gegen den Trend.

Inhalte kamen bis jetzt zu kurz

Über die vielen Sticheleien und Boshaftigkeiten der beiden Parteichefs ist die Frage nach den Inhalten ganz in den Hintergrund gerückt. Doch jetzt nach der personellen Entscheidung richten sich die Blicke auf das Programm: Was plant Laschet, wie will er die Folgen der Coronakrise meistern und was muss seiner Meinung nach getan werden, um Deutschland wieder auf Kurs zu bringen? Und vor allem: kann er mit seinen Vorschlägen die Wählerinnen und Wähler überzeugen?

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Erste Hinweise auf sein Programm gab Laschet bereits vor zwei Wochen in einer Grundsatzrede im Konrad-Adenauer-Haus. Da gab es zwar viel Bekanntes, wie mehr Europa, bessere Aufstiegschancen für Zuwanderer und größere Toleranz in der Gesellschaft. Überraschend war jedoch, wie deutlich er die Wirtschaftspolitik und den ökologischen Umbau der Industrie in den Mittelpunkt stellt – auch in klarer Abgrenzung zu den Grünen. Laschet will mehr Unternehmergeist fördern und Deutschland in ein Land der „Macher und Macherinnen“ verwandeln, wie er betont.

Die Überschriften für seinen „Deutschlandplan“ sind bereits fertig, aber das ganze Wahlprogramm wird wohl erst Ende Mai stehen. Die Bundesfachausschüsse der CDU arbeiten schon seit Wochen an den einzelnen Kapiteln – Laschet setzt wie seine unglückliche Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf eine breite Einbindung der Partei. Auf der Internetseite „mitmachen.cdu“ können sich Mitglieder und interessierte Außenstehende zu Wort melden. Eindeutig ist auch das Motto der Kampagne: „#zusammenmachen“. Dass es einigen in der CDU wie etwa Friedrich Merz dabei zu langsam geht, ist dem CDU-Chef bewusst. Aber angesichts der Spannungen in der Partei ist ihm ein möglichst großer Konsens bei den Inhalten wichtiger als die Geschwindigkeit – Laschet will eben eher zusammenführen als antreiben. Außerdem stehe aktuell ohnehin die Bekämpfung der Pandemie im Vordergrund und nicht das Wahlprogramm, heißt es im Konrad-Adenauer-Haus.

Laschet verspricht der Wirtschaft eine Reform der Unternehmenssteuern

Bei den Wirtschaftsvertretern der Union hat Laschet in den vergangenen Wochen bereits intensiv um Zustimmung geworben – durchaus mit Erfolg. MIT-Chef Carsten Linnemann etwa unterstützt ihn jetzt, ebenso wie sein einstiger Rivale Friedrich Merz. Laschet versprach den Mittelständlern im Gegenzug, sich im Bundestagswahlkampf für eine Reform der Unternehmensbesteuerung sowie für ein Belastungsmoratorium zugunsten der Wirtschaft einzusetzen. Auch den konsequenten Abbau bürokratischer Hemmnisse hat er sich auf die Fahnen geschrieben – ganz so wie er es als Ministerpräsident von NRW zusammen mit der FDP bereits begonnen hat. Weniger Regulierung, konsequente Entfesselung der Wirtschaft, mehr staatliche Flexibilität – diese Kernpunkte ziehen sich durch sein Konzept.

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Die von Laschet bislang skizzierten Innovationen zielen in erster Linie auf den notwendigen Umbau der Industriegesellschaft. Als Eckpunkte nennt er Souveränität in der Arzneimittelherstellung, Förderung von Künstlicher Intelligenz und Next Generation Computing sowie den Ausbau der Quantentechnologie. Die Digitalisierung der industriellen Produktion, der Aufstieg Deutschlands zum Wasserstoffland Nr 1 und das Ziel des klimaneutralen Wirtschaftens gehen für ihn „Hand in Hand“, wie er sagt. Einiges davon wie die Herstellung von „grünem Stahl“ hat er in NRW bereits vorgedacht, aber viele Punkte seiner Klimaoffensive stehen bisher nur auf dem Papier. Hier sind noch wichtige Fragen offen. Die Schuldenlast der Pandemie beispielsweise lässt sich nur durch ein kräftiges Wachstum der Wirtschaft finanzieren, das aber nicht die ehrgeizigen Klimaziele der EU gefährden darf. Wie soll das funktionieren? Laschet sagt, Klimaschutz und Wachstum müssten stärker zusammen gedacht, durch Technik und kluge Anreize verbunden werden. Was er genau damit meint, bleibt unklar, das Kleingedruckte muss noch in der Programmkommission von CDU und CSU konzipiert werden. Ein zugkräftiger Name ist allerdings schon gefunden: Laschet scheut sich nicht, den Begriff des „Klimawohlstands“ von „Friday for Future“ als Zielbeschreibung zu übernehmen.  

Offene Distanz zu Merkel

Vom Merkel-Jünger früherer Tage ist beim Kanzlerkandidaten der Union nicht mehr viel übrig geblieben. Der Streit mit der Regierungschefin über das Management der Coronakrise und ihre öffentlich ausgesprochene Kritik haben Spuren hinterlassen. Laschet will keine männliche Merkel mehr sein, nicht „Deutschlands next Mutti“, wie er es in einer Karnevalsrede einmal launig beschrieben hat. Sein Programm setzt an vielen Stellen bei den Versäumnissen der amtierenden Regierung an. „Die Fehler, die erkennbar sind, müssen jetzt angepackt werden“, sagt er. Ihn ärgern die digitalen Mängel in den Schulen, die technische Rückständigkeit der Verwaltungen und das deutsche Bürokratieunwesen. „Wir werden das ändern, wir werden das besser machen, dafür stehe ich persönlich ein“, verspricht der Kanzlerkandidat. Doch so gut dieses Versprechen klingt – es provoziert auch die Gegenfrage, was er als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes bislang getan hat, um die beschriebenen Fehlentwicklungen zu bremsen?

CDU-Landeschef-NRW Armin Laschet (r), und Bundeskanzlerin Angela Merkel im April 2017 in Münster (Nordrhein-Westfalen). Quelle: dpa

Laschets neuer Kurs ist – auch in Abgrenzung zu Söder – mehr als nur die überfällige Emanzipation von Merkel. Wenn er zum Ende ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft die Behäbigkeit Deutschlands beklagt, muss das auch als offene Kritik an den herrschenden Zuständen verstanden werden. Warum sollte er als Kanzlerkandidat ein „Jahrzehnt der Modernisierung“ fordern, wenn das Land bereits auf der Höhe der Zeit wäre?

Finanzierung steht noch nicht

Offen bleibt bei Laschets Konzept die Frage der Finanzierung. Während die Parteien links der Mitte im Bundestagswahlkampf offen für Umverteilung, Steuererhöhungen und Belastung der „Vermögenden“ werben, versprechen CDU und CSU „das Blaue vom Himmel herunter“, wie  DIW-Chef Marcel Fratzscher sagt. Die Union will keine neuen Schulden, keine Steuererhöhung, eine schnelle Tilgung der Coronalasten und gleichzeitig hohe Investitionen – für den Ökonomen gehen diese vielen Wünsche nicht zusammen. „Man kann nicht alles auf einmal machen“, sagt Fratzscher. Laschet hat sich vehement für die „schwarze Null“ ausgesprochen, also für das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts. Ebenso verspricht er, generell keine Steuern zu erhöhen und die Unternehmenssteuern sogar senken zu wollen. Auch Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung werden nach Laschets Willen reichlich fließen. Nicht zuletzt sollen der digitale Umbau der Industrie und die Transformation zum klimaneutralen wirtschaften mit staatlichen Mitteln unterstützt werden.



Doch woher soll das Geld dafür kommen? Zumal die Union sich fest vorgenommen hat, auch die coronabedingten Sonderlasten in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrags binnen 20 Jahren zu tilgen. Zwar wurden auch die Folgen der Finanzkrise mit den Erträgen der wachsenden Volkswirtschaft finanziert. Ob aber nach der Coronakrise ein so kräftiges und zehn Jahre anhaltendes Wachstum einsetzen wird wie nach der Finanzkrise 2009 steht in den Sternen. DIW-Chef Fratzscher warnt vor Illusionen: „Es wird oft nur auf die Schulden und die Kosten des Staates geschaut, aber man muss auch die enormen volkswirtschaftlichen Schäden durch Corona sehen“, sagt er. „Durch die Krise werden wir in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein schwächeres Potenzialwachstum haben“.

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