
Die für einen Großteil der deutschen Wirtschaft - den Mittelstand - wichtigere Nachricht stellte Kartellamtspräsident Andreas Mundt nicht heute mit der jährlichen Leistungsbilanz seiner Behörde vor, sondern bereits gestern per Pressemitteilung: Kleinere Firmen, teilte Mundt mit, sollen künftig bei Kartellverstößen mit geringeren Strafen davon kommen. Mehr Milde also?
Aber nur, weil der Bundesgerichtshof im Fall des Zementkartells bei den Strafen das Augenmaß vermisste und das Kartellamt zu einer Änderung der Bußgeldbemessungsregeln zwang. Mundt sagt: "Tendenziell werden die Bußgelder für kleinere Unternehmen, die vorwiegend nur ein Produkt vertreiben, künftig geringer ausfallen. Bei Konzernen, die in einer Vielzahl von Märkten aktiv sind und deren Absprachen nur ein bestimmtes Produkt ihres Portfolios betrafen, kann die angepasste Bußgeldbemessung hingegen künftig zu höheren Summen führen."
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Doch ob viele mittelständische Unternehmen von dieser Erleichterung profitieren, ist nicht ausgemacht. Von nur einem Produkt leben selbst viele Mittelständler nicht. Kartellsünder wie die Süßwarenhersteller Ritter und Bahlsen, die hohe Strafzahlung existenziell treffen, müssten vermutlich wegen strittiger Abgrenzungsfragen wieder vor Gericht ziehen.
Mittelständler sollten deshalb beim Thema Kartell und Compliance an einem anderen Punkt ansetzen. Fachleute warnen immer wieder und vermutlich zu Recht, viele mittelständische Unternehmen sorgten nicht ausreichend für rechtskonformes Verhalten Ihrer Mitarbeiter und Führungskräfte. Aber so, wie die früher geduldete Auftragsakquise via Schmiergeld heute Tabu sein muss, gilt es auch den ehemals üblichen Absprachen mit Konkurrenten wirksam einen Riegel vorzuschieben.
Ein Großreinemachen wie jetzt bei Thyssen ist eine bedenkenswerte Option. Konzernchef Heinrich Hiesinger versprach Mitarbeitern, die ihr Wissen über Kartell- und Korruptionsfälle bei dem Industriekonzern preis geben, den Verzicht auf Entlassung und Schadenersatzklagen.
Wichtig ist jedenfalls, sich von den alten, Grauzonen duldenden Unternehmenskulturen konsequent zu verabschieden. Mittelständler, sollten ihre Unternehmen so verändern, dass sie im Zweifel selber als Kronzeuge zu den Kartellwächtern gehen und die illegalen Absprachen auffliegen lassen können. Wer das macht, drückt sein Strafmaß nicht nur ein bisschen, sondern im Idealfall auf Null.