
Morgens, wenn Katrin Suder den Parkplatz überquert, zucken die Ersten zusammen. Die Staatssekretärin geht im Laufschritt zum Bendlerblock. Langsam – das kennt sie nicht, ihre halbhohen Schuhe klackern schnell aufs Verteidigungsministerium zu.
Untergebene, die im Verteidigungsministerium unter penibel verteilter Verantwortungslosigkeit stöhnen, schätzen die 43-Jährige. Andere fürchten sich in der neuen Zeit. Und vor der Chefin. Die ist nicht nur schnell, sie weiß sich durchzusetzen.
Militärs und Ministerium befinden sich seit dem Antritt von Ursula von der Leyen (CDU) im Kulturschock. Deutschlands erste Verteidigungsministerin holte sich auch noch eine Generalistin als Chefin für die Generäle. Die hatte von Rüstung wenig Ahnung, krempelte aber Unternehmen um.





Schafft sie das auch bei der Bundeswehr mit 270.000 Beschäftigten und 2300 laufenden Rüstungsvorhaben, die rund 88 Milliarden Euro wert sind, könnte die Neubeamtin von der Leyen den Weg ins Kanzleramt ebnen. Nebenbei dürfte das die deutsche Militärbranche umwälzen, die lange eng verbunden mit dem Ministerium lebte.
Im dritten Leben
Zur Belastungsprobe für von der Leyens Leibwache wird nun die Affäre um Sturmgewehre vom Typ G36, die bei Hitze nicht zielgenau sein sollen. Wird bei Materialschwäche also wieder geprüft und verschleppt? Soldaten und Wähler erwarten einen neuen Stil, der Fehler behebt. Das verspricht von der Leyen.
Zwar will Suder über sich nicht reden, sie lehnt das im Gespräch freundlich ab. Nur zweimal ließ sich die Umsteigerin von Journalisten zitieren. Das diente aber einer höheren Sache – der Glorifizierung ihrer Chefin. Doch aus ihren Auftritten, aus Gesprächen mit Politikern, Wirtschaftsleuten und Studienfreunden ergibt sich ein Bild.
Sie gilt als extrem. Extrem intelligent, extrem schnell, extrem hart zu sich selbst, extrem begabt. Manche fügen hinzu, sie sei auch sehr lustig und uneitel.
Suder passt nicht ins Verteidigungsministerium. Schon äußerlich: Sie trägt die langen Haare offen, zum Anzug lässig einen dicken Schal und ein buntes Glasperlen-Armband. Am Hals baumelt das silberne Anch-Kreuz. Das ägyptische Symbol steht für Lebenskraft und ein Weiterleben im Jenseits.
Die heißen Eisen unter den Rüstungsprojekten der Bundeswehr
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich zum Ziel gesetzt, im Rüstungssektor der Bundeswehr aufzuräumen. Jahrelange Verzögerungen und Kostensteigerungen im mehrstelligen Millionenbereich soll es künftig nicht mehr geben. An diesem Donnerstag lässt sich die Ministerin bei einer Sitzung des Rüstungsboards über den aktuellen Stand bei einigen Großprojekten informieren. Hier fünf der heißesten Eisen unter den 1200 Rüstungsprojekten der Bundeswehr.
Die in absehbarer Zeit wichtigste, teuerste und heikelste Entscheidung will von der Leyen bis Mitte des Jahres treffen. Die Bundeswehr soll ein neues Raketenabwehrsystem erhalten. Zur Auswahl stehen „Meads“ – eine internationale Entwicklung unter Beteiligung der deutschen Raketenschmiede MBDA – und eine neue „Patriot“-Version des US-Herstellers Raytheon. In die Entwicklung von Meads floss bereits eine Milliarde Euro deutscher Steuergelder. Die Anschaffung würde mehrere weitere Milliarden kosten.
Die Aufklärungsdrohne hätte von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) fast das Amt gekostet. Wegen massiver Probleme bei der Zulassung des unbemannten Fliegers für den deutschen Luftraum und einer drohenden Kostenexplosion wurde die Entwicklung im Frühjahr 2013 gestoppt. Seitdem wird nach einem anderen Flugzeug gesucht, in das die von Airbus stammende Aufklärungstechnik eingebaut werden kann. Derzeitiger Favorit: Eine Schwester-Drohne des „Euro Hawk“ namens „Triton“.
Von der Leyen will die Bundeswehr mit bewaffnungsfähigen Drohnen ausrüsten. Zur Auswahl stehen eine US-Drohne, die „Reaper“ (Sensenmann) oder „Predator B“ (Raubtier) genannt wird, und „Heron TP“ (Reiher) aus Israel. Die Entscheidung wird noch vor Ende des Jahres erwartet.
Mit vier Jahren Verspätung lieferte Airbus Mitte Dezember das erste Transportflugzeug vom Typ A400M an die Bundeswehr aus. Das bedeutet aber noch nicht das Ende der Verzögerungen. Wieviele der fünf für dieses Jahr versprochenen Maschinen tatsächlich am niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf landen werden, ist noch völlig unklar. Der A400M bleibt ein Problemfall.
Auch mit kleineren Waffen gibt es große Probleme. Seit vielen Monaten wird über die Treffsicherheit des Standardgewehrs der Bundeswehr G36 diskutiert. Große Hitze verträgt die Waffe nicht besonders gut. Ein neuer Prüfbericht soll in den nächsten Wochen Klarheit darüber bringen, wie gravierend das Problem ist.
Katrin Suder ist bereits in ihrem dritten Leben angekommen. Stets startete sie als Exotin. Hinterher, wissen Weggefährten, war das Teil ihres Erfolges. Bei ihr gilt der Satz nichts: „Das machen wir immer so.“ Und obwohl ihr Weg nicht geplant war, lässt sich ein roter Faden finden.
Die Physikerin: Im ersten Leben promoviert die Mainzerin aus gutbürgerlicher Familie in Neuroinformatik. An der Universität hat sie die Theatergruppe „Poetischer Anfall“ gegründet und einen Bachelor in Literaturwissenschaft angehängt.
Die Unternehmensberaterin: In der Wissenschaft sind die Jobs rar, sie will auch lieber Greifbares tun. Ihre Denkweise als Naturwissenschaftlerin nimmt sie in ihr zweites Leben mit. Sie bewirbt sich als Beraterin bei dem Laden, in dem Effizienz und Elite als höchstes Lob gelten. Suder gab zu, dass sie im Jahr 2000 „nicht wirklich wusste, wer oder was McKinsey ist“.