Kaum noch Gemeinsamkeiten Diese Fragen ruinieren die Große Koalition

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Die Türkei und Russland spalten die Koalition

Die Bundeskanzlerin widerspricht ihrem Stellvertreter. „Es ist die gesamte Bundesregierung, die einen zügigen Abschluss des TTIP-Abkommens für ein zentrales Vorhaben hält“, ließ sie ihren Regierungssprecher ausrichten.

Natürlich weiß auch die Kanzlerin, dass es kaum realistisch ist, das Abkommen in diesem Jahr fertig zu verhandeln und in Kraft zu setzen. Die Widerstände gegen TTIP sind enorm. Im Herbst wollen die Gegner des Abkommens wieder mobil machen und werden wohl zigtausende auf die Straßen bringen. In der Union ist das Abkommen deutlich weniger umstritten als in der SPD. Somit fällt es Merkel verhältnismäßig leicht, an TTIP festzuhalten. Einig wird sie sich mit ihrem Stellvertreter Gabriel wohl kaum mehr.

5. Wie viel Verständnis für Autokraten darf es sein?

Ob Kremlchef Wladimir Putin ein Stück Nachbarschaft annektiert oder die Waffenruhe in Syrien vereitelt – stets ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Sozialdemokraten den Russen trotzdem die Hand ausstrecken. Dass ein Dialog mit Russland nötig ist, zählt seit der Ostpolitik Willy Brandts zum Wesenskern der SPD. Dahinter steht die Vorstellung, dass sich das Land auch unter der autokratischen Führung von Dauer-Präsident Wladimir Putin dem Westen zuwendet und wieder zum friedlichen Nachbarn und Partner wird, wenn man mit Putin nur im Gespräch bleibt.

Genau das passiert im Moment aber nicht. In Syrien deeskaliert der Kreml keineswegs, der Krieg in der Ukraine köchelt weiter, das Friedensabkommen von Minsk ist Makulatur – und in der CDU-Fraktion dominieren längst jene Stimmen, die eine härtere Gangart mit Russland fordern.

Doch nicht nur in Sachen Russland gibt es Differenzen in der großen Koalition. Stichwort Türkei. Aus polit-pragmatischen Gründen will niemand so recht, dass Ankaras Autokrat Recep Tayyip Erdogan den Flüchtlingsdeal platzen lässt – sonst könnten ja mitten im Wahlkampf wieder zigtausende Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Doch kann man mit den Türken über einen EU-Beitritt verhandeln und dorthin Geld überweisen, wenn Erdogan gleichzeitig jeden zweiten politischen Gegner hinter Gitter schickt?

CSU-Chef Horst Seehofer will die Verhandlungen mit der Türkei abbrechen – unter vorgehaltener Hand sehen das viele in der CDU-Fraktion genauso. Für die SPD ist ein Beitritt zwar in weiter Ferne, die Verhandlungen abbrechen wollen sie aber nicht. Noch ist das die Mehrheitsmeinung in der Regierung. Doch drei Viertel der Deutschen wollen laut Umfragen ein Ende der Beitrittsverhandlungen. Spitzt sich der Streit mit Erdogan zu, könnte das die Regierungsparteien noch weiter auseinandertreiben.

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