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Keine Abschottung Merkels Asylpolitik ist nun Seehofers Asylpolitik

Mit dem Asylkompromiss vom Donnerstagabend ist klar: An den deutschen Grenzen ändert sich nichts. Keine Transitzonen, keine Obergrenzen. Für Horst Seehofer ist das gefährlich. Denn Merkels Asylpolitik ist nun seine Asylpolitik.

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Merkels Flüchtlingspolitik ist nun Seehofers Flüchtlingspolitik. Quelle: AP

Die CSU ist stolz. Die Partei verkündet via Facebook und Twitter, sie habe das schärfste Asylrecht aller Zeiten durchgesetzt sowie „Rückführungszentren für schnellere Abschiebung“. Auch mit dem Beschluss, den Familiennachzug auszusetzen, sind die Christsozialen zufrieden. Die Ergebnisse des gestrigen Asylgipfel seien „sehr, sehr gut“, betont CSU-Chef Horst Seehofer.

Ein kurzer Rückblick: In den letzten Tagen hatte die CSU Transitzonen für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern gefordert. Wer keine Aussicht auf Asyl hat, solle das Land gar nicht erst betreten oder zumindest grenznah ein Schnellverfahren durchlaufen. Eine numerische Obergrenze wollte Seehofer zwar nicht definieren. Es müsse aber alles dafür getan werden, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen.

Nun zum Ergebnis: Der Asylkompromiss von CDU, CSU und SPD sieht keine Transitzonen vor. Es soll stattdessen verpflichtende beschleunigte Verfahren für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperren geben. Maximal einen Monat sollen diese Verfahren in „besonderen Aufnahme-Einrichtungen“ dauern. Die ersten beiden Zentren werden in den bayrischen Städten Bamberg und Manching eingerichtet. Deutschlandweit sollen drei bis fünf Einrichtungen entstehen.

Wer sich in einer solchen Aufnahme-Einrichtung aufhält, muss sich an eine „verschärfte Residenzpflicht“ halten. Die Asylbewerber dürfen die entsprechende Stadt nicht verlassen. Zu einer Kurzzeit-Inhaftierung kommt es also nicht. Um die Flüchtlingslager wird es keine Mauern und keinen Stacheldraht geben.

Auch der Familiennachzug wird begrenzt – allerdings nur für eine verschwindend geringe Gruppe von Menschen. Wer nicht nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder dem Asyl-Grundrecht anerkannt wird und dennoch im Land bleiben kann, darf seine Familie nicht nachholen. Für den Großteil derjenigen, die bleiben dürfen, wird das also kein Problem sein.

von Gregor Peter Schmitz, Marc Etzold, Konrad Fischer, Max Haerder, Christian Ramthun, Christian Schlesiger, Cordula Tutt

Der Kompromiss ist nicht der Auftakt für eine neue Politik der Bundesregierung. Im Prinzip wurde in Berlin nochmals beschlossen, was seit Wochen Konsens ist. Die Asyl-Verfahren müssen beschleunigt werden. Dies soll nun in speziellen Lagern für zigtausende Menschen stattfinden. Logistisch betrachtet, dürften Aufbau und Versorgung dieser Zentren eine große Herausforderung werden.

Seehofer sagte am Freitag, dass eine Verfassungsklage gegen die Politik der Bundesregierung für ihn weiterhin denkbar ist. Derzeit werde das noch geprüft. Oder anders ausgedrückt: Wenn die gestern beschlossenen Maßnahmen nicht greifen, wird Seehofer die Kanzlerin und den Vize-Kanzler erneut vor sich hertreiben. Zumindest wird er es versuchen. Denn Seehofer bekommt ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn er in zwei, vier oder acht Wochen erneut die Grenzschließung fordern sollte.

Seehofer hat gestern Abend Merkels Ansatz de facto mitgetragen. Und der sagt: Nur mit Hilfe der Türkei und Griechenlands kommen weniger Flüchtlinge nach Deutschland. Merkels Politik ist jetzt Seehofers Politik. Sollte er demnächst das Gegenteil behaupten, gibt es wenige Gründe ihm zu glauben.  

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