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Keine „taktischen Manöver“ Wirtschaft fordert rasche Regierungsbildung

Wahlplakate am Straßenrand. Im Vordergrund FDP mit Christian Lindner, danach Grüne mit Annalena Baerbock, gefolgt von SPD mit Olaf Scholz und zum Schluss CDU mit Armin Laschet. Quelle: dpa

Die vorläufigen Endergebnisse der Wahl stehen. Nun geht es an die Regierungsbildung. Dabei ist die Wirtschaft sich einig: keine taktischen Manöver. Aber eine klare präferierte Koalition wird nicht deutlich.

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Die Lobbyverbände der Wirtschaft fordern nach der Bundestagswahl eine schnelle Regierungsbildung. „Angesichts des unklaren Wahlausgangs erwartet die deutsche Industrie jetzt von allen Parteien maximale Verantwortung und Anpacken der Prioritäten statt taktischer Manöver“, erklärte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Montag. Deshalb müsse die Bereitschaft zu wegweisenden Entscheidungen zugunsten des Standorts das Leitprinzip für jede Koalitionsverhandlung sein, um Stillstand zu überwinden. Bankenpräsident Christian Sewing verlangte ein „Regierungsbündnis des Aufbruchs“. Der Chemie-Verband VCI appellierte an die Parteien der demokratischen Mitte, die Sondierungsgespräche konzentriert zu führen. Eine neue Regierung müsse in den ersten 100 Tagen konkrete Weichen für eine industriepolitische Erneuerung stellen.

Nach dem knappen Wahlsieg der SPD vor der Union beanspruchen beide Seiten den Auftrag, eine Regierung zu bilden. Deshalb kommt es auf Grüne und FDP an, an denen vorbei wohl keine neue Bundesregierung geformt werden kann. Der Mittelstand setzt auf eine Unions-geführte Jamaika-Koalition, wie eine Umfrage des Mittelstandsverbands BVMW kurz vor der Wahl zeigte. Gut 34 Prozent der befragten Firmen sprachen sich für ein Bündnis von CDU/CSU, Grünen und FDP aus. Eine Blitzumfrage des Deutschen Mittelstands-Bunds (DMB) nach der Wahl bestätigt dies: Demnach plädieren 38 Prozent der Firmen für eine Jamaika-Koalition und 34 für ein Bündnis aus Union, SPD und FDP, während nur elf Prozent eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP favorisieren.

BDI-Chef Russwurm betonte, Klimaschutz, digitaler Wandel und geopolitische Krisen seien enorme Herausforderungen für Deutschland. „Die Stärkung unserer Wirtschaftskräfte und das Bekenntnis zum Industrie-, Export- und Innovationsland Deutschland sind ohne Alternative für jede denkbare Koalition.“ Es dürfe nur mit und nicht gegen die Industrie gehen, erklärte auch der VCI. Auch die Handelslobby vom HDE mahnt zu raschen Koalitionsverhandlungen, einer zügiger Regierungsbildung und dem klaren Kurs zur Entlastung von Firmen. „Die Handelsunternehmen brauchen mehr Luft zum Atmen, Steuererhöhungen oder noch mehr Bürokratie gilt es unbedingt zu vermeiden.“

Ausgerechnet die Linke wäre gut für den Euro gewesen, meint der Chefvolkswirt der Citigroup für Deutschland und Großbritannien. Warum und weshalb sich Finanz-London nur wenig von der neuen Bundesregierung verspricht.
von Sascha Zastiral

Wirtschaft will mehr Wettbewerb – Keine Steuererhöhungen

Die Familienunternehmer fordern ebenfalls einen Verzicht auf Steuererhöhungen. Verbands-Präsident Reinhold von Eben-Worlee sagte, Themen wie Klimaschutz und Digitalisierung könnten nur angepackt werden, wenn die Betriebe wieder international wettbewerbsfähiger würden. „Und das werden sie nicht durch Steuererhöhungen wie etwa eine Vermögensteuer und eine verschärfte Erbschaftsteuer.“ Eben-Worlee sieht vor allem FDP und Grüne im Fokus der Verhandlungen. „Die Mischung macht's: Aus Gelb und Grün könnte eine Klimaschutzpolitik entstehen, die tatsächlich CO2-Emissionen marktwirtschaftlich einspart und nicht nur erneuerbaren Energien planwirtschaftlich verteuert.“

Der Energiekonzern RWE fordert so schnell wie möglich eine Regierungsbildung. „Denn Deutschland braucht Stabilität und einen klaren Kurs“, sagte RWE-Chef Markus Krebber. Es gehe darum, die Weichen zu stellen für eine klimaneutrale Industrie, die Infrastruktur zu modernisieren und die Digitalisierung massiv voranzutreiben.“ E.ON-Chef Leonhard Birnbaum pocht auf einen Paradigmenwechsel in der Regulierung und darauf, dass bei Verhandlungen eine moderne Klima- und Wirtschaftspolitik im Zentrum stehe. „Preisverzerrungen durch Umlagen und zu hohe Steuern, die den Strompreis unnötig teuer machen, müssen ein Ende haben.“

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Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi legt den Fokus naturgemäß auf Anderes und fordert die Parteien auf, die großen Herausforderungen anzupacken, um für mehr soziale Gerechtigkeit, Wachstum, gute Arbeit und Klimaschutz zu sorgen. „Wir brauchen ein Jahrzehnt der Investitionen in Klimaschutz, gute Arbeit und einen starken Sozialstaat – Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif“, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Wichtig seien vor allem mehr Tarifschutz, ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens zwölf Euro, die Abschaffung des sogenannten Befristungsmissbrauchs in der Arbeitswelt, ein Rentenniveau von mehr als 48 Prozent und der sozial-ökologische Umbau.

Mehr zum Thema: Wenn es nach Sabine Herold geht, könne die Regierungsbildung ruhig noch etwas dauern, denn so könne wenigstens keine neue Bürokratie entstehen. Allerdings geht sie dennoch davon aus, dass die Regierung bis Weihnachten steht. Das sagte sie im WiWo-Talk am Wahlabend.

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