Kernenergie Merkel delegiert Atompolitik an "Rat der Weisen"

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Angesichts der ungewissen Atom-Zukunft will Merkel den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Unklar ist, ob das im Herbst vorgestellte Energiekonzept dazu neu justiert werden muss. 2010 hatte Energie aus Sonnenlicht, Wind oder Biomasse einen Anteil an der Stromproduktion von knapp 17 Prozent, die Kernenergie von rund 22 Prozent und Kohle von 43 Prozent. Ein besonderes Augenmerk will Merkel auf einen schnelleren Ausbau der Leitungsnetze legen, etwa um künftig den Windstrom von der Küste in den Süden zu transportieren.

Für die Atomkraftwerke sollen in der kommenden Woche neue Sicherheitsvorgaben veröffentlicht werden. "Die Reaktorsicherheits-Kommission wird Ende des Monats einen Anforderungskatalog vorlegen", sagte der Kommissionsvorsitzende Rudolf Wieland der "Financial Times Deutschland". Das 16-köpfige Expertengremium überprüft derzeit im Auftrag des Bundesumweltministeriums die Sicherheitsstandards angesichts der Atomkatastrophe in Japan - Umweltschützer kritisieren, dass viele Kommissionsmitglieder der Atomwirtschaft nahe stehen und daher in der Bewertung der AKW nicht unabhängig genug seien. "Ich glaube, dass es wegen Fukushima in Deutschland zu materiellen Änderungen bei den Sicherheitsanforderungen kommen wird", sagte Wieland. "Insbesondere wird es auch um Verbesserungen des Notfallschutzes gehen."

Stillegung wahrscheinlich

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe geht davon aus, dass die meisten der abgeschalteten AKW stillgelegt werden. "Ich bin sicher, dass die Mehrheit der jetzt vom Netz gehenden alten Meiler dauerhaft vom Netz gehen", sagte er in einer SWR-Talkshow. Zudem rechnet Gröhe mit "einem beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie".

Die neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, warnte jedoch vor voreiligen Festlegungen. "Wir sollten diese drei Monate abwarten und dann erst aufgrund der Ergebnisse der Prüfung und nicht aus politischen Gründen entscheiden, wie es weiter geht", sagte sie der Zeitung "Die Welt".

Der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena), Stephan Kohler, plädiert dafür, den unter Rot-Grün vereinbarten Atomkonsens umzusetzen, der einen Ausstieg bis 2022 vorsah. Das sei eine realistische Zielmarke, sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Alles andere würde zu deutlich höheren Strompreisen führen. Das können wir uns als Industrieland nicht erlauben." Voraussetzung für den Atomausstieg sei ein umfangreicher Ausbau der Stromnetze.

Kohler sieht die Gefahr von Stromausfällen, falls neben den jetzt abgeschalteten acht Atomkraftwerken in Deutschland weitere Meiler vom Netz gehen. Wenn - wie geplant - im Mai fünf weitere AKW wegen interner Revisionen abgeschaltet würden, werde die Situation "sehr angespannt" sein.

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