Kinderarmut In Berlin lebt jedes dritte Kind von Hartz IV

In absoluten Zahlen ist die Kinderarmut in Deutschland seit 2006 zurückgegangen, doch Experten klagen nach wie vor über eine „skandalös hohe“ Quote. Besorgniserregend ist die Entwicklung in Berlin und dem Ruhrgebiet.

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Experten halten die Armutsquote weiterhin für viel zu hoch. Quelle: dpa

Berlin Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat vor einer Verfestigung der Kinderarmut in Deutschland auf hohem Niveau gewarnt. Zwar habe die Zahl der armen Kinder in Deutschland seit 2006 um gut 15 Prozent auf 1,618 Millionen abgenommen. Die Armutsquote - die den Anteil von Kindern in Hartz IV unter allen Kindern misst - sei aber bundesweit kaum zurückgegangen. Allerdings war die Entwicklung in Ost und West sehr unterschiedlich.

Damit stehe fest: „Es gibt keinen Anlass zum Jubel. Wir haben nach wie vor eine skandalös hohe Kinderarmut. Die gute Arbeitsmarktentwicklung kommt bei Kindern in Hartz IV kaum an“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, am Mittwoch in Berlin bei der Vorlage einer Studie zur Kinderarmut.

Danach lebt in Deutschland jedes siebte Kind unter 15 Jahren von Hartz-IV-Leistungen, in Ostdeutschland ist es jedes vierte Kind. In Berlin - dem Länder-Schlusslicht - ist jedes dritte Kind auf Hartz IV angewiesen. Die Armutsquote in der Hauptstadt war damit mehr als doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt von 14,9 Prozent.

Während die Zahl der Kinder, die Hartz-IV-Leistungen erhielten, zwischen 2006 und 2011 um gut 15 Prozent sank, nahm die Armutsquote bundesweit von 15,6 auf 14,9 Prozent kaum ab, im Westen Deutschlands von 13,2 auf 12,9 Prozent.

Im Osten dagegen war der Rückgang sehr viel ausgeprägter: von 30,5 auf 24,1 Prozent. Die Quote der armen Kinder in Hartz-IV-Haushalten reduzierte sich dabei seit 2006 - mit minus 28,7 Prozent - am deutlichsten in Thüringen. Es folgen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen mit einem Minus von jeweils rund 26 Prozent. Am bescheidensten fiel der Rückgang im Länder-Vergleich mit 9,4 Prozent in Berlin aus.

Besorgniserregend nannte Schneider die Entwicklung im Ruhrgebiet. Bei steigender Tendenz liege die Kinder-Armutsquote (25,6 Prozent) dort höher als in Ostdeutschland. Trauriger Spitzenreiter im Städtevergleich sei Gelsenkirchen mit einem Anteil von 34,4 Prozent armer Kinder. Die Entwicklung in Städten wie Mülheim oder Hamm mit Zuwächsen von bis zu 48 Prozent in fünf Jahren sei alarmierend.

Nach der Studie sind kinderreiche Familien und Alleinerziehende besonders armutsgefährdet. Schneider kritisierte deshalb erneut die Arbeitsmarkt- und Rotstiftpolitik der Bundesregierung: Es greife zu kurz, wenn man vor allem auf den Ausbau der Kinderbetreuung setze, denn die Hälfte der Frauen habe keinen Berufsabschluss. „Ohne passgenaue Hilfen bei der Qualifizierung und ohne öffentlich geförderte Beschäftigungsangebote wird man den meisten Alleinerziehenden im Hartz IV-Bezug nicht helfen können.“

Schneider forderte eine Reform des Kinderzuschlags, da dieser zu wenig Niedrigverdiener vor dem Abrutschen in Hartz IV bewahre, sowie eine kräftige Erhöhung der Hartz-IV-Kinderregelsätze. „Hartz IV zerstört Kindheit“, lautete sein Fazit.

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