Kinderehen „Man fasst es nicht!“

Die Frage, wie man mit im Ausland geschlossenen Kinderehen umgehen soll, spaltet die Große Koalition. Hochrangige SPD-Politiker lehnen ein pauschales Verbot ab. Das will die Union aber nicht hinnehmen.

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In Afghanistan sind Kinderehen nicht selten: Ein 40-Jähriger mit seiner elf Jahre alten Braut bei der Hochzeit. (Foto: dpa)

Berlin Dass die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), ein allgemeines Verbot von Kinderehen bei jungen Migranten und Flüchtlingen ablehnt, stößt auf scharfe Kritik in der CSU.

Das Argument der SPD-Politikerin, wonach junge Frauen bei Aberkennung ihrer Ehe ins soziale Abseits gedrängt würden, sei „bekannt, aber unbeachtlich“, sagte Hans Peter Uhl (CSU), Justiziar der Unions-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. „Sollten durch die Annullierung finanzielle Folgeprobleme auftreten, sind diese in unserem Sozialstaat lösbar. Keinesfalls darf dies die Aufrechterhaltung einer widernatürlichen Kinderehe legitimieren.“

Özoguz hatte ihre Ablehnung eines pauschalen Verbots von Ehen von Minderjährigen mit den daraus folgenden möglichen Nachteilen für die betroffenen jungen Frauen begründet. „Werden ihre Ehen aberkannt, verlieren sie unter anderem Unterhalts- und Erbansprüche, ihre Kinder wären unehelich, für viele würde das sogar eine Rückkehr in ihre Heimatländer unmöglich machen“, erklärte die SPD-Politikerin in einem Interview.

Der frühere Berliner Finanzsenator Peter Kurth (CDU) reagierte fassungslos auf die Äußerungen von Özoguz, die auch Vizechefin der Bundes-SPD ist. „Botschaft von Frau Özoguz an die Männer in diesen Ehen: wenn es Euch gelingt, das mit Euch verheiratete Mädchen zu schwängern, seid Ihr mit der Ehe auf der sicheren Seite (sonst wären die Kinder ja unehelich). Man fasst es nicht!“, erklärte Kurth auf seiner Facebook-Seite. Zugleich äußerte er die Hoffnung, dass die Union „hier keinen Millimeter weicht“.

Özoguz steht indes nicht allein in der SPD mit ihrer Zurückhaltung zu einem generellen Eheverbot. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will zwar ein ausnahmsloses Eheverbot für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. Für Jugendliche zwischen 16 und 18 soll jedoch eine im Ausland geschlossene Ehe in sehr eng begrenzten Ausnahmen zulässig sein, wenn eine Einzelfallprüfung ergibt, dass das Wohl der minderjährigen Ehefrau und der Schutz ehelicher Kinder dies gebietet.


„Niemand darf zu einer Ehe gezwungen werden“

Die SPD-Bundestagfraktion vertritt hier allerdings eine andere Auffassung. Der rechtspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Johannes Fechner, erinnerte an einen Beschluss seiner Fraktion vom September. Danach soll die Ehemündigkeit ohne Ausnahme auf 18 Jahre festgesetzt werden. Im Ausland geschlossene Ehen dürften in Deutschland demnach nur dann anerkannt werden, wenn beide Ehegatten 18 Jahre alt sind. Klargestellt werden solle zudem, so Fechner im Gespräch mit dem Handelsblatt, dass diese Ehen mit Minderjährigen in Deutschland nicht anerkannt werden können.

Die SPD will außerdem, genauso wie die Union, das 2009 abgeschaffte Verbot der „religiösen Voraustrauung“ im Personenstandsrecht mit Androhung eines Bußgeldes wieder einführen. „Eine religiöse Trauung darf nur dann erfolgen, wenn zuvor eine standesamtliche Trauung stattgefunden hat“, sagte Fechner. Damit werde sichergestellt, dass nicht durch religiöse Trauungen der gesetzliche Schutz von Kindern vor Zwangsverheiratungen umgangen werde.

„Niemand darf zu einer Ehe gezwungen werden, schon gar keine minderjährigen Mädchen“, unterstrich der SPD-Politiker. „Ehen unter Zwang sind inakzeptabel.“ Der Kinder- und Jugendschutz habe auch für die Kinder von Flüchtlingen und Einwanderern „höchste Priorität“.

Die Zahl der Kinder-Eheschließungen ist indes deutlich zurückgegangen. Nach einer Recherche der Funke-Mediengruppe beim Statistischen Bundesamt gab es im Jahr 2000 noch 1073 Eheschließungen unter Minderjährigen. Im vergangenen Jahr wurden dagegen nur noch 92 Hochzeiten von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren registriert.

Laut Ausländerzentralregister waren Ende Juli 2016 insgesamt 1475 in Deutschland lebende ausländische minderjährige Personen verheiratet. In Deutschland dürfen Ehen derzeit grundsätzlich erst mit der Volljährigkeit geschlossen werden – in Ausnahmefällen aber schon mit 16 Jahren. Nach der Einreise Hunderttausender Flüchtlinge im vergangenen Jahr haben die Behörden mehrere hundert Kinderehen registriert.

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