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Kita-Tarifstreit Gebühren für die Uni statt für die Kita

Im Kita-Tarifstreit haben die Gewerkschaften und die kommunalen Arbeitgeber einen Durchbruch erzielt. Der Staat sollte Kindertagesstätten komplett aus Steuergeld finanzieren - und im Gegenzug Studiengebühren einführen.

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Eine Mutter geht mit ihrem Kind in einem Kinderwagen vorbei an einem Graffiti. Quelle: dpa

Besorgte Eltern atmen auf: Die Einigung ist da, es droht kein neuer Kita-Streik, all die kleinen Lenas und Leons können weiter in ihren Gruppen singen, spielen und lernen. Daraus folgt die Frage, wie die Kommunen die vereinbarten Gehaltserhöhungen finanzieren sollen. Am besten wäre: gar nicht. Der Bund sollte dies tun.

Denn es ist ein Grundproblem, dass der zwar Geld für den Bau von Kitas geben darf, aber für den Betrieb - also auch die Erzieher-Gehälter - die Kommunen zahlen. Je klammer die sind, desto höher steigen oft die Elternbeiträge. So zahlen Eltern von über dreijährigen Kindern für 45 Stunden Betreuung in der Woche laut Bund der Steuerzahler in der Schulden-Hochburg Oberhausen 424 Euro Höchstsatz pro Monat, wogegen das reiche Düsseldorf gar kein Geld verlangt. Dabei müssten Kitas in sozialen Brennpunkten sogar mehr Geld bekommen, damit die Erzieher auch Kindern besser gerecht werdenkönnen, die zum Beispiel kaum Deutsch sprechen.

Deshalb sollte der Kita-Besuch unabhängig vom Wohnort für die Eltern kostenfrei sein und aus Steuermitteln vom Bund finanziert werden. Im Gegenzug könnte sich die öffentliche Hand Geld zurückholen, indem sie das Studium in Deutschland über Gebühren finanziert. Das ist zum einen eine Frage der Gerechtigkeit: Mehr als 90 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren besuchen eine Kita, aber nur 30 Prozent eines Jahrgangs nehmen ein Studium auf. Warum also müssen Eltern für Ersteres zahlen und für Letzteres nicht? Und warum soll der Fabrikarbeiter, dessen Sohn die Realschule besucht, mit seinen Steuern das Medizinstudium der Arzttochter mitfinanzieren?

Es ist aber auch eine Frage der Ökonomie. Die positiven Auswirkungen von Investitionen in frühkindliche Bildung auf die Gesellschaft sind besonders hoch, wie Studien zeigen. Es spart über Jahrzehnte Kosten etwa für Sozialhilfe und erhöht die Steuereinnahmen, wenn Kleinkinder in Kitas gut Deutsch lernen und besser auf die Schule vorbereitet werden. Von einem Studium profitiert die Gesellschaft zwar auch - aber weit mehr tun dies die Studierenden selbst. Sie sichern sich damit im Durchschnitt bessere Jobchancen und höhere Einkommen als Nichtakademiker. Daher ist es sinnvoll, ihnen im Rahmen eines sozial verträglichen Modells auch einen Beitrag abzuverlangen.

Betreuungsgeld vs. Kita-Kitabetreuung

Gute Erfahrungen haben damit die Australier seit 1989 gemacht. Studierende können die Gebühren wahlweise sofort zahlen - mit einem Abschlag von 20 Prozent - oder nach dem Abschluss des Studiums. Die Rückzahlungsrate bemisst sich dann am Einkommen der Absolventen. So ein Modell schreckt auch Kinder aus einkommensschwachen Familien nicht vom Studium ab. Und es würde dafür sorgen, dass auch die derzeit rund 87.000 ausländischen Studenten hierzulande ihre Ausbildung mitfinanzieren.

Sie kostenlos studieren zu lassen ist aus volkswirtschaftlicher Sicht wenig rentabel: Bisher brechen 41 Prozent von ihnen das Studium ab, weitere 44 Prozent verlassen Deutschland nach dem Abschluss, so der Hochschulbildungsreport des Stifterverbands und der Beratung McKinsey. Nun können Studiengebühren nicht allein die Kitas finanzieren. Aber es wäre ein Anfang, auf den die Abschaffung ähnlicher finanzieller Fehlanreize wie des Betreuungsgeldes oder des Ehegattensplittings gerne folgen dürfte.

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