Klima-Sofortprogramm Das Klima stimmt nicht in dieser Koalition

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) präsentiert ein Klimaschutz-Sofortprogramm für den Verkehrsbereich. Quelle: dpa

Zwei Ministerien präsentieren ihre Ideen für schnellen Klimaschutz. Im Hintergrund geht beim Kernthema der Ampel-Koalition aber längst die gemeinsame Basis verloren.

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Wenn eine Regierung Entschlossenheit beweisen möchte, treten Ministerinnen und Minister gerne gemeinsam vor die Kameras, haken sich unter, demonstrieren Einigkeit. Beim ersten Sommerchaos an deutschen Flughäfen war das der Fall: Ende Juni präsentierten Hubertus Heil (SPD), Nancy Faeser (SPD) und Volker Wissing (FDP) in Berlin einen abgestimmten Plan, Tausende zusätzliche Arbeitskräfte ins Land zu holen. Ihre Message: Eine starke Regierung hilft gegen das Durcheinander.

Am Mittwoch hätte wieder so ein Moment sein müssen. War es aber nicht. Da stellten die Ampel-Partner ihre Klimasofortprogramme für Verkehr und Bau vor, mit denen sie die bislang mangelhafte CO2-Einsparbilanz ihrer Ressorts aufbessern wollen. Die Koalition will alle dazu notwendigen Gesetze und Vorhaben bis Ende 2022 auf den Weg bringen, so steht es im Koalitionsvertrag. Ein gemeinsamer Plan wäre nach quälend widersprüchlichen Atomkraftdebatten, weiter qualmenden Kohlekraftwerken und wachsenden Hitzesorgen ein entschlossenes Zeichen gewesen, dieses Ziel auch zu erreichen.

Es gibt bloß keinen gemeinsamen Plan. Und das konnte man sehen: Wirtschaftsminister Robert Habeck musste gleich ganz wegen seiner Coronainfektion passen, aber auch Bauministerin Klara Geywitz und Verkehrsminister Wissing stellten ihre Pläne jeweils getrennt voneinander vor.

In Sachen Klimaschutz stimmt das Klima in der Koalition offenbar nicht. Die einen wollen vor allem Anreize (mehr E-Autos zum Beispiel), die anderen setzen auch auf Verbote (für Gasheizungen ab 2024). Das Konsens-Bewusstsein weicht dabei zunehmend Interessenkonflikten und politischem Klein-Klein.

Wissing etwa möchte „das Land in Bewegung zu halten“, wie er häufig und gerne sagt. Er machte am Mittwoch deutlich, dass es „ganz offensichtlich noch Gesprächsbedarf“ bei der Balance zwischen Klimaschutz und Mobilitätsbedürfnissen gebe. Dementsprechend unkonkret wirkt auch sein Teil des Sofortprogramms, mit dessen Hilfe bis 2030 eigentlich rund 270 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden sollen.

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Hinter den Kulissen bezeichnen Beteiligte die FDP bei klimapolitischen Verhandlungen längst als „Bremser“ – etwa wenn es um energieeffizientes Bauen geht. Und bei den Liberalen selbst gibt es Stimmen, die daraus auch gar keinen Hehl machen: „Wir müssen lauter gegen grüne Regelwut und zu hohe Standards beim Bau vorgehen, wenn unsere Wähler uns weiter ernst nehmen sollen“, erklärte ein FDP-Abgeordneter.

Auf der anderen Seite stehen SPD und Grüne, die solchen Strategien keine gemeinsame Linie entgegenzusetzen scheinen. So haben sich die Sozialdemokraten jüngst kaum gegen eine Verwässerung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gestellt. Darin fehlen mittlerweile höhere Dämmstandards, die zu Beginn noch für neue Häuser vorgesehen waren.

Wie es dazu kommen konnte? „Die FDP argumentierte, es müsse den Bauherren überlassen bleiben, wie sie Energie einsparen wollen“, heißt es in Fachkreisen. Die SPD habe da nicht widersprochen, auch weil sie höhere Mieten durch teurere Baukosten befürchte. Das Nachsehen hatten die Grünen. Auch im Sofortprogramm der SPD-Bauministerin findet das Thema Dämmung kaum Beachtung, selbst wenn diese den Verbrauch eines jeden Gebäudes erheblich senken könnten.

Und so schiebt nun das Wirtschaftsministerium eine groß angelegte Austausch- und Förderinitiative für moderne Heizungen – vor allem Wärmepumpen – an. Ob zu viel der Wärme dann aber in ungedämmten Häusern verschwendet wird, interessiert die Koalitionspartner deutlich weniger. Kohärentes Handeln fürs Klima sieht anders aus.

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Beteiligte Sozialdemokraten stellen solche Debatten allerdings noch einmal anders da. Die Grünen böten keine guten Sparringspartner, heißt es. Das liege auch daran, dass viele Fachpolitiker nach den Koalitionsverhandlungen die Positionen wechselten und wichtige Ansprechpartner fehlten. „Man muss gerade in Bezug auf die FDP manchmal mit verteilten Rollen spielen, und das ist noch nicht so eingegroovt“, sagt ein Beteiligter.

Das Durcheinander bleibt. Jetzt überprüft erst einmal der unabhängige Klima-Expertenrat die neuen Sofortprogramme. Gibt er Ende August sein „Go“, können die Maßnahmen in der Ampel umgesetzt werden. So unabgestimmt sie auch sein mögen.

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