Klimakabinett Nur! Noch! Ein! Tag!

Quelle: dpa

Kurz vor der entscheidenden Sitzung des Klimakabinetts werfen die Regierungsparteien noch immer hektisch mit Ideen und Konzepten um sich. Wie sollen in diesem Treibhaus große Lösungen gefunden werden?

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Wer weiß, vielleicht lösen sich die großen Widersprüche Donnerstag- und Freitagnacht einfach auf. Vielleicht findet sich noch das politische Skalpell, das die zahlreichen gordischen Knoten mühelos durchtrennt. Vielleicht fällt der Vorhang, und keine Frage ist mehr offen. Vielleicht. Oder auch nicht.

Seit Monaten überbieten sich Mitglieder der Bundesregierung in der Dramatik ihrer Wortwahl. Der 20. September, der D-Day des Klimakabinetts, wurde von Ministerinnen und Ministern, der Kanzlerin und den Parteichefs genau dazu gemacht: zum künstlich gesetzten politischen Überfinale, zur letzten Ausfahrt vor der Klima-Apokalypse. Angeblich.

Mit Politik hat das alles nur noch wenig nur zu tun. Mit Panik schon mehr. Die Versäumnisse vieler Jahre (Verkehrswende, Stromnetzausbau, Gebäudesanierung) türmen sich nun bedrohlich auf – und man muss all den Schülerinnen und Schülern, die freitags auf die Straßen gehen, dankbar dafür sein, dass es nun kein Entrinnen mehr gibt. Ihr Druck sorgt dafür, dass die Panik ebenso freigelegt wird wie die hektisch verbrämte Planabwesenheit. Nur! Noch! Ein! Tag! Weihnachten kommt aber auch immer so plötzlich.

Eine Koalition, die gar nicht mehr zusammen regieren wollte, soll jetzt buchstäblich über Nacht Lösungen für Jahrzehnte finden und Entscheidungen von einer Tragweite treffen, um die tatsächlich man keinen Politiker beneiden kann. Mitleid ist dennoch keines angebracht: Obwohl die SPD seit Monaten auf das Klimaschutzgesetz drängt und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Arbeitssommer ankündigte, stapeln sich kurz vor dem Ende die Vorschläge, Pläne, Konzepte und Papiere unsortiert wie in einer Ramsch-Ecke.

Was fehlt, sind Führung, Verantwortung – und Orientierung.

CO2-Steuer oder Emissionshandel? Hauptsache, der Preispegel steigt nicht so hoch, dass die Volksparteien als erste vom Volkszorn überschwemmt werden. Fast schon lustig ist die Tatsache, wie die Union ein Instrument wie den Berliner Mietendeckel (durchaus zurecht) als Neo-Sozialismus geißelt, sich das marktwirtschaftliche Modell des Emissionshandels aber selbst nur mit Unter- und Oberdeckeln traut. Mal muss man die Bürger vor zu viel Markt schützen, mal nicht. Das verstehe, wer will.

Wie die SPD wiederum die „soziale Frage unserer Zeit“, die teuren Mieten in Städten, beantworten will, wenn sie einerseits eine große und teure Investitionswelle für Gebäudedämmung fordert, andererseits aber die Renditen stranguliert, bleibt ebenfalls ein Rätsel.

So geht das immer weiter mit den Irrungen und Wirrungen: Die CSU ist vom Grünenfresserverein zur politischen copycat mutiert, die mit billigeren Bahntickets und teureren Inlandsflügen nun lustvoll die Arbeit von Robert Habeck verrichtet – gleichzeitig aber den Ausbau der Windkraft im Freistaat blockiert.

Der Wirtschaftsminister will da nicht zurückstehen und verleimte auf den letzten Metern noch schnell zwei Fraktionsvorschläge zu einer Klimastiftung, die nur noch Verwirrung stiftete: Was soll sie genau können, was die bestehende Staatsförderbank KfW nicht auch könnte? Wieso sollte ein Dax-Konzern die erhoffte Zustiftung nicht direkt in die Nachhaltigkeit des eigenen Unternehmens stecken? Und warum sollten Steuerzahler sich über den Umweg einer 2-Prozent-Anleihe des Bundes schlussendlich selbst subventionieren, wo es doch Kredit für den Staat zum Nulltarif gibt? Natürlich, weil die schwarze Null zwar heilig ist, aber Klimaschutz-Milliarden gerade eilig.

Vielleicht wird aus all dem noch ein Plan. Vielleicht. Wie gesagt: noch ein Tag.

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