Klimaschutz Grünen-Parteitag endet mit hitziger Debatte zum NRW-Kohleausstieg

Kritik an Realpolitik: Aktivistin Luisa Neubauer (li.) gemeinsam mit Parteichefin Ricarda Lang auf der Bühne des Grünen-Parteitags in Bonn. Quelle: imago images

Antworten wollten die Grünen geben bei ihrem Bundesparteitag. Gerade bei der letzten Abstimmung in Bonn wurde es noch einmal spannend – auch für Wirtschaftsminister Robert Habeck.

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Der Grünen-Bundesparteitag ist mit einer Zitterpartie zu Ende gegangen: Nur mit knapper Mehrheit lehnten die Delegierten einen Vorstoß gegen die Vereinbarung zum Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen 2030 ab. Die jüngste politische Übereinkunft der grün geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Land mit dem Energiekonzern RWE sieht unter anderem vor, zwei Braunkohlekraftwerke länger laufen zu lassen, bis 2024, aber den Kohleausstieg im Rheinischen Revier um acht Jahre auf 2030 vorzuziehen. Insgesamt 315 Delegierte stimmten gegen einen entsprechenden Antrag der Grünen Jugend, 294 Delegierte stimmten am Sonntag in Bonn dafür.

Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und NRW-Ministerin Mona Neubaur mitgetragene Ausstiegsvereinbarung sieht außerdem vor, dass die Siedlung Lützerath in Nordrhein-Westfalen, die ein Symbol für die Klimaschutzbewegung ist, abgerissen wird, um dort Kohle zu fördern.

Der abgelehnte Antrag der Grünen Jugend sah ein vorläufiges Moratorium für die weiteren Räumungen vor. Im Ort Lützerath leben Kohleausstieg-Aktivisten. Zudem soll der Ausstiegsfahrplan für die Kohlekraftwerksblöcke im Rheinischen Revier noch einmal auf den damit verbundenen Ausstoß an Treibhausgasen und die Klimaziele überprüft werden.

NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) hatte für die Vereinbarung geworben: „Das verändert das Rheinland, das macht einen Fortschritt.“ Er wies darauf hin, dass der Kompromiss den Bestand weiterer Dörfer sichere. Der Co-Chef der Grünen Jugend, Timon Dzienus, hatte gewarnt, wenn die Kohle unter Lützerath verfeuert werde, verfehle Deutschland seine Klimaziele.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur hatte die politische Verständigung mit dem Energiekonzern RWE verteidigt. Sie warb dafür, sich dafür einzusetzen, „dass das, was in Nordrhein-Westfalen gelungen ist, dass wir das auch für Sachsen und Brandenburg erreichen können“. Auch dort gibt es Kohleabbaugebiete. Bundesumweltministerin Steffi Lemke räumte schmerzhafte Kompromisse in der Klimapolitik ein. Dafür sei Lützerath ein Symbol. Doch mit dem Plan blieben 280 Millionen Tonnen Braunkohle in der Erde.

Luisa Neubauer von Fridays for Future zweifelte die Zahlen an, die der Entscheidung zugrunde liegen. Die Grünen gingen in ihrer Kompromissbereitschaft zu weit. „Da wird dann erklärt, dass man sich nicht im Kleinen verkämpfen soll, da sättigt man die Demokratie lieber noch mit einer Runde Öl von Verbrechern, damit die Gesellschaft nicht die Laune verliert für den Klimaschutz.“

„Wir sind nicht die Jammer-Partei“

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir verteidigte die Kohle-Einigung und forderte die Partei zum Stolz auf eigene Erfolge auf. „Ich habe einen Wunsch an uns alle: Überlasst nur bitte das Jammern den anderen, die können das besser. Wir sind nicht die Jammer-Partei.“

Bereits am Freitag hatte der Parteitag zusätzliche 100 Milliarden Euro für Klimaschutzinvestitionen gefordert, die unter anderem in den Ausbau von Wind- und Solarkraft, Wärmepumpen und den Bau einer Infrastruktur für klimafreundlich erzeugten Wasserstoff fließen sollen.

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Am Samstag hatten die etwa 800 Delegierten über Außen- und Sicherheitspolitik diskutiert. Große Solidarität bekundeten sie mit Geflüchteten aus Afghanistan und den protestierenden Frauen im Iran. Mit überwältigender Mehrheit sprachen sich die Grünen für die Lieferung weiterer Waffen an die Ukraine aus. Mehrere Anträge, in denen dies als Abkehr von der pazifistischen Tradition der Partei kritisiert wurden, lehnten die Delegierten ab.

Lesen Sie auch: Die Grünen zeigen Kompromissbereitschaft – aber das ist nicht mehr als der Anfang

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