Klimaschutz im Verkehr Wissings Klima-Debakel: Ein solches Trauerspiel kann man sich kaum ausdenken

Die Minister Volker Wissing und Robert Habeck müssen einen gemeinsamen Nenner beim Klimaschutz finden.  Quelle: REUTERS

Der FDP-Verkehrsminister hat CO2-Pläne präsentiert, die klar ihr Ziel verfehlen. Gleichzeitig heizt sein Parteichef die Debatte ideologisch an. Das alles ist Gift für effektiven Klimaschutz – und die Ampel-Koalition selbst. Ein Kommentar.

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Dieses Ergebnis zeigt bitter, wie die Ampel-Regierung bei ihrem wichtigsten Auftrag auf der Stelle tritt. Am Donnerstagmorgen hat der Expertenrat für Klimafragen (EKR) seine Bewertung der Klimaschutz-Maßnahmen in den Bereichen Gebäude und Verkehr vorgelegt. Schon im Vorfeld hatte es von Umweltschützern deshalb einen regelrechten Shitstorm für Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gegeben. Der EKR hat diese Kritik jetzt noch einmal schmerzlich offiziell gemacht.

Seine Bewertung zeigt: Das Programm des Verkehrsministeriums zur Einsparung von CO2 ist kaum mehr als ein Buzzword-Gewitter. Angeführte Ideen sind entweder heftig umstritten und weit entfernt von einer tatsächlichen Umsetzung (9-Euro-Ticket-Nachfolge). Oder sie entpuppen sich als ambitionslose Verweise auf die Arbeit anderer Ministerien (Homeoffice, THG-Handel).

Wissings Plan ist so rückwärtsgewandt, dass der Klimarat seine sechs kümmerlichen Maßnahmen noch nicht einmal im Einzelnen geprüft hat. Es sei ohnehin klar gewesen, dass die Rechnung nicht aufgehe, hieß es. 14 Millionen Tonnen CO2 will der Minister einsparen. Es fehlen 261 Millionen Tonnen, um das Klimaziel der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen. So etwas kann man sich kaum ausdenken. 

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von Niklas Hoyer

Und es gibt einen Grund für dieses Trauerspiel. Wissing verzichtet auf einen Haupthebel, mit dem er Emissionen reduzieren könnte: die Regulierung von Verbrennern. Die Reform der Kfz-Steuer etwa, das Dienstwagenprivileg oder ein Tempolimit. Wie bereits sein Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) will wohl auch Wissing um jeden Preis vermeiden, Autofahrerinnen und -fahrer in irgendeiner Form in die Verantwortung zu ziehen. Dann doch lieber das Klimaschutzgesetz ignorieren, scheint das Motto zu sein.

Rückendeckung kommt dabei von Parteichef Christian Lindner, der lieber von „Gratismentalität“ und Forderungen der „Antifa“ spricht, wenn es um das 9-Euro-Ticket im ÖPNV geht. Der außerdem das „Dienstwagenprivileg“ als linkes Framing bezeichnet hat. Man möchte nur rufen: Are you serious, Donald Lindner?! Ist der Regierungs-FDP im Dauerwahlkampf die Vernunft abhanden gekommen?

Unterschiedliche Meinungen zum Thema hin oder her: Hier heizen zwei FDP-Minister gezielt eine Debatte ideologisch auf, um dann auf der anderen Seite einseitige Politik zugunsten einer Zielgruppe zu machen. Das mag mit Blick auf die Umfragewerte verständlich erscheinen. Für das Klima in der Koalition und das Klima in der Welt ist es Gift, das am Schluss niemandem helfen wird.

Man sei überrascht ob der „erheblichen Erfüllungslücken“, sagt denn auch die stellvertretende EKR-Vorsitzende Brigitte Knopf. Die CO2-Emissionen ließen sich mit Wissings Plänen bis 2030 kaum auf null reduzieren. „Die Maßnahmen werden eine erhebliche Überschreitung der Jahreswerte nicht verhindern“, erklärt die Klimaexpertin.

Das Ministerium verweist zur Verteidigung auf das große Klimaschutzprogramm, das die Bundesregierung plane. Ein eigenes Sofortprogramm brauche es da doch nicht. Das ist auch deshalb zynisch, weil gerade der Bereich Verkehr hinter den Kulissen noch immer für Streit und Verzögerungen sorgt. Man darf gespannt sein, ob und wann nach der Sommerpause des Parlaments denn da endlich einmal eine Reform kommt. Klar ist: Je länger die Regierung sinnvolle Programme verschleppt, desto höher werden die ökonomischen Kosten des Klimaschutzes ausfallen. Gerade auch im Bereich des Pkw-Verkehrs. 

Die Bewertung des EKR ist rechtlich übrigens nicht bindend. Vorsitzende Knopf bringt es allerdings gut auf den Punkt: „Es geht hier um Governance, also um ein Instrument der guten Regierungsführung selbst.“ Letztere ist gerade nicht zu erkennen. Der Ampel misslingt es, bei ihrem wichtigsten Versprechen einen gemeinsamen Nenner zu finden.

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