Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern „Die Stiftung dient nur dem Tricksen und Täuschen!“

Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Quelle: imago images

Die umstrittene Klimastiftung setzt die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern massiv unter Druck. René Domke, Mitglied des Untersuchungsausschusses, erklärt im Interview, warum Manuela Schwesig nicht glaubwürdig ist.

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Seit 2021 steckt die Mecklenburgische Landesregierung in ihrem eigenen politischen Sumpf fest – und mittendrin Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Denn damals wurde die „Klimastiftung“ des Landes nicht nur geschaffen, um Umweltprojekte zu fördern, sondern auch, um sicherzustellen, dass die Gaspipeline Nord Stream 2 zu Ende gebaut wird. Heute weiß man: Auch Russland hat bei der Gründung Einfluss genommen. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist die Stiftung zwar politisch tot. Aufgelöst wurde sie bisher aber nicht und auch der Vorstand ist noch im Amt. Dabei waren sich alle Fraktionen des Landtags darüber einig – selbst die SPD.
Jetzt steigt der Druck auf die Landesregierung und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig weiter: Es wurde bekannt, dass eine Finanzbeamtin Steuererklärungen der Stiftung verbrannt hat.

WirtschaftsWoche: Herr Domke, im Juni letzten Jahres wurde der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) Klimastiftung eingesetzt. Warum?
René Domke: Die zentrale Frage ist: Welchen Einfluss hatte Russland auf diese Stiftung? Zum einen muss die Gründung der Stiftung hinterfragt werden. Zum anderen müssen aber auch ihre Ausgestaltung und steuerrechtliche Beurteilung angeschaut werden. Es geht um Außenpolitik, Sicherheitspolitik, nachrichtendienstliche Erkenntnisse. Und um die Frage, wie verwoben Land und Landesregierung mit dem Kreml waren. Vor allem, weil der Stiftungsvorsitzende Erwin Sellering Vorgänger und politischer Ziehvater von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist. Deswegen haben CDU, Grüne und FDP ihre Minderheitsrechte wahrgenommen und die Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gefordert.

Als die Stiftung ins Leben gerufen wurde, regierte die CDU mit der SPD. Wie passt das damit zusammen, dass die Union sich für den Untersuchungsausschuss ausgesprochen hat?
Die CDU hat sich klar positioniert und gesagt: Die Gründung der Stiftung war ein Fehler. Das sagt die SPD heute auch. Nach unserem Kenntnisstand waren die CDU und ihre Minister an der Gründung nicht so aktiv beteiligt wie die SPD. Zwar war Katy Hoffmeister, damals Justizministerin der CDU, für die Stiftungsaufsicht zuständig. Uns liegen aber keine Anhaltspunkte vor, dass die Stiftung mit ihrer Satzung damals nicht hätte eingetragen werden dürfen. Das Einzige, was man hätte anzweifeln können, war der geringe Grundstock in Höhe von 200.000 Euro, den die Klimastiftung vom Land erhalten hat. Dieser wäre für die Umsetzung des Ziels „Klimaschutz“ zu wenig und die Stiftung wäre unterkapitalisiert. Schon damals hat sich die Landesregierung also auf die Zahlungen in Millionenhöhe von Gazprom über die Nord Stream 2 AG verlassen.

Mitglied im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Klimastiftung: René Domke Quelle: René Domke

Zur Person

Was sind die schwersten Vorwürfe gegen die Landesregierung?
Zum einen wurden Fehler bei der Niederlegung der Satzung im Gründungs-Stadium begangen, die durch russische Hand mitgeführt wurde. Die Einflussnahme wurde nicht transparent gemacht und erst im Nachgang eingeräumt. Der zweite große Fehler war, dass die Landesregierung mit der Stiftung als Werkzeug Außenpolitik aus Mecklenburg-Vorpommern gemacht hat – ohne Zustimmung des Kanzleramtes oder des Bundeswirtschaftsministers. Es gab genug mahnende Stimmen. Denn es ist schon merkwürdig, wenn ein Bundesland an der Außenpolitik des Bundes vorbei einen Russland-Tag feiert und strategisch Austausche organisiert, nach der Annexion der Krim.

Wie lautet Ihre Erklärung?
Der angeführte Grund, dass man amerikanische Sanktionen umgehen wolle, klingt in dem Zusammenhang jedenfalls besonders konstruiert. Warum spricht man dann nicht zuerst mit den amerikanischen Kollegen? Stattdessen hat man sich Russland an den Hals geworfen. Die Stiftung dient nur dem Tricksen und Täuschen! Die wirtschaftlichen Beziehungen und die politische Einflussnahme sollten vertuscht werden.

Die Landesregierung hätte sich fragen müssen: Welche Erwartungshaltung an die Landesregierung verknüpft ein russischer Staatskonzern mit einer Zahlung von 20 Millionen Euro? Und wir müssen uns fragen: War die Landesregierung so blauäugig oder hat sie die Einflussnahme gezielt orchestriert? Denn diese Zahlung hat Gazprom sicherlich nicht getätigt, um Seegraswiesen in der Ostsee zu pflanzen oder von Kindergärten Bäume zu pflanzen. In diesem Stadium der Aufklärung sind wir im Untersuchungsausschuss aber noch nicht.

Welche Rolle nimmt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ein? Was wusste Sie über die Vorgänge in der Klimastiftung?
Schwesig tut so, als ob die Stiftung ein Eigenleben führte. Dabei hat man das Konstrukt bewusst gewählt. Es wurde bereits geurteilt, dass der Einfluss des Landes auf die Stiftung enorm groß war. In der Satzung sind besondere Rechte vorgesehen. Zum Beispiel, dass die Möglichkeit der Abberufung von Stiftungsvorständen oder die Besetzung eines Kuratoriums der Ministerpräsidentin obliegt. Da sind mehrere Dinge, die nicht typisch für eine Stiftung sind. Normalerweise ist die Stiftung ein verselbstständigtes Vermögen und der Stifter verliert außer der Zweckbestimmung jeglichen Einfluss. Bei der Klimastiftung ist die Nähe und Einflussnahme aber immens groß. Deswegen wurde sie vor Gericht wie eine Landesbehörde eingestuft und musste Unterlagen an Medienvertreter herausgeben. Kurzum: Die Landesregierung war sehr wohl informiert und hat die Entwicklung der Stiftung auch positiv begleitet. Das Ziel der Stiftung war einzig: Die Fertigstellung der Pipeline. Um jeden Preis. Die Klimaschutzziele sollten dies tarnen.

Schwesig gilt als Ministerpräsidentin, die sich über Vorgänge genau unterrichten lässt. Wie glaubwürdig ist es, dass sie von den Vorgängen nichts wusste, gerade wenn ihr politischer Ziehvater der Stiftungsvorsitzende ist?
Das passt überhaupt nicht zusammen. Nachdem der Streit im März um die Abgabe der Steuererklärung entstanden ist, glaube ich, hat sich die Ministerpräsidentin informieren lassen. Sich jetzt aber zurückzuziehen und den Finanzminister und das Steuergeheimnis vorzuschieben, ist typisch. Dass sie angeblich nichts wusste, entspricht aber nicht ihrem sonstigen Handeln. Sie ist stets gut informiert über die Vorgänge in ihrer Regierung – spätestens wenn Themen in der Presse hochkochen. Außerdem hätte es andere Wege gegeben. Denn auch das Justizministerium wusste um die Vorgänge rund um die Steuererklärung und hätte Parlament und Untersuchungsausschuss informieren dürfen und müssen. Frau Schwesig kommt an Informationen, wenn sie diese braucht. Die jetzigen Aussagen sind eine reine Schutzbehauptung. Über Monate bekommen wir lediglich kleine Mosaiksteinchen von Informationen. Spätestens jetzt muss Frau Schwesig alles offenlegen, denn das ist offensichtlich bisher nicht passiert.

Eine Finanzbeamtin hat eine Steuererklärung der Stiftung im Kamin verbrannt hat – aus Angst vor persönlichen Konsequenzen. In diesen Unterlagen ging es auch um die Befreiung von der Schenkungsteuer, die der Stiftung im offiziellen Bescheid verweigert wurde. Zuvor galt die Akte als nicht auffindbar. Jetzt wurden Vermutungen laut, dass die Landesregierung Druck ausgeübt haben könnte. Wie ordnen Sie die Vorgänge ein?
Bei dem Vorfall sind zwei Punkte besonders interessant. Der eine ist, dass immer wieder versichert wurde, dass man von den Steuererklärungen nichts wüsste. Der Stiftungsvorstand hat jedoch mehrfach betont, dass die Erklärungen abgegeben wurden. In dem Zuge hat die Regierung herausgefunden, was mit den Erklärungen passiert ist, uns als PUA aber weiter im Unklaren gelassen. Über die Vorgänge waren das Finanz- und das Justizministerium seit April beziehungsweise Mai 2022 informiert. Ich glaube aber nicht, dass politischer Einfluss dergestalt genommen wurde, dass es eine direkte Anweisung an die Finanzbeamtin gab, die Dokumente zu verbrennen. Aber ich glaube, dass der Druck durch die öffentliche Berichterstattung und die Frage nach dem Verbleib der Erklärung so groß war, dass die Beamtin sich nicht getraut hat, zu melden, als sie diese endlich wiedergefunden hatte.

Das Zweite, das ungewöhnlich ist: Die Finanzbeamtin hatte offenbar nichts mit der Abteilung für Erbschaft- und Schenkungsteuer zu tun. Der Sachbearbeiter, der allerdings für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständig ist, soll dem Steuerberater gegenüber geäußert haben, dass er sich vorläufig dessen Auffassung zur Steuerbefreiung der Schenkungen anschließen würde. Jedoch wäre die Entscheidung jetzt eine politische. Und das ist der eigentliche Skandal aus meiner Sicht. Damit wird offenbart, dass die Verwaltung sich in dem Moment nicht an Recht und Gesetz gebunden gefühlt hat, sondern an eine politische Entscheidung.

Jüngst hat sich Finanzminister Heiko Geue zu den Vorfällen geäußert. Er berief sich vor allem auf das Steuergeheimnis. Dabei hatte die Klimastiftung ihn in einer kurzfristigen Anfrage von diesem befreit. Wie ordnen Sie das ein?
Das Steuergeheimnis bindet eigentlich nur einen Amtsträger, der im Rahmen seines Dienstes damit betraut wird. Aber das Steuergeheimnis entbindet eben nicht jeden davon, Aussagen zu seinem Kenntnisstand zu treffen. Deshalb müssen wir uns fragen: Welche Art von Kenntnis hatte Herr Geue? Aus welchen Verfahren sind ihm Dinge bekannt geworden? Aus dem Steuerverfahren, mit dem er befasst war? Dann kann er sich auf das Steuergeheimnis berufen. Wenn ihm die Justizministerin Jacqueline Bernhardt aber die Informationen hat zukommen lassen, dann kann er sich nicht darauf berufen. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob die Aussage, dass eine Erklärung nicht auffindbar ist oder vernichtet wurde, gegen das Steuergeheimnis verstoßen würde, wenn man damit in der Öffentlichkeit verbreitete unwahre Tatsachen hätte berichtigen können, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern.

Hinzu kommt, dass er in einer Befragung der Landesregierung geantwortet hat, dass entsprechende Erklärungen der Stiftung nicht vorliegen. Deshalb ist es widersprüchlich, dass er sich jetzt auf das Steuergeheimnis beruft. Das müssen wir jetzt genau in einer Zeugenbefragung im PUA aufklären. In jedem Fall war die Justizministerin, die Bescheid wusste, nicht an das Steuergeheimnis gebunden. Gleiches würde gelten, wenn die Staatskanzlei Kenntnis hatte. Und sobald Belege dafür vorliegen, dass die Ministerpräsidentin über die Vorfälle informiert war, müssen wir die Frage stellen, wie sie zukünftig mit dem Parlament umgehen will. Das ist dann eine Frage der Glaubwürdigkeit insgesamt. Denn vor allem der PUA hätte einen sicheren Raum geboten, um unter Verschluss über die Vorgänge zu sprechen. Hätte sie gewollt, hätte sie gekonnt!

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Welche Konsequenzen fordern Sie jetzt?
Als erstes fordern wir die lückenlose Aufklärung. Wir haben als Bürgerinnen und Bürger dieses Staates den Anspruch zu erfahren, ob die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden und frei von politischer Einflussnahme ist. Zweitens muss die Frage gestellt werden: Wie ist das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung? Das Prinzip der Gewaltenteilung wurde rund um die Klimastiftung massiv beeinträchtigt. Damit wurden die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit ein Stück weit in Frage gestellt. Gerade, weil man zu den Vorgängen rund um die verschwundenen Steuererklärungen geschwiegen hat. Die Landesregierung hat durch ungeschicktes oder sogar durch fahrlässiges Verhalten unglaublich viel Misstrauen gesät. Wenn die Regierung und Frau Schwesig nicht endlich für Aufklärung sorgen, sondern diese weiter behindern, dann müssen auch personelle Konsequenzen in der Regierung gezogen werden. Bisher sind sich alle Fraktionen einig, dass zumindest der Vorstand der Stiftung geschlossen zurücktreten muss. Das ist aufgrund der Rechtsstreitigkeiten rund um die Steuererklärungen bisher noch nicht passiert.

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