Klimawandel Versicherungen gegen Stürme, Überschwemmungen, Dürren

Millionen Menschen geraten jedes Jahr in Armut, weil sie Opfer von Extremwetterereignissen werden. Klimarisikoversicherungen sollen Abhilfe schaffen – vor allem in Entwicklungsländern. Dabei gibt es nur ein Problem.

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Prominente Vertreter der Inselstaaten fordern seit Langem, Industrienationen müssten das Verbrennen fossiler Energieträger – allem voran Kohle - drastisch einschränken. Gerade der pazifische Nachbar Australien –  wie die USA ein weltführender CO2-Emittent - dürfte in Bonn aber effektiven Maßnahmen zur Reduktion des Verbrauchs und Exports des Klimakillers ausweichen, um seine Rohstoffindustrie zu schützen. Quelle: dpa

Berlin In Deutschland gibt es sie, Versicherungen, um sich beispielsweise gegen Schäden durch vollgelaufene Keller nach einem Unwetter zu wappnen. In Entwicklungsländern sind solche Versicherungen noch wenig verbreitet. Doch gerade hier können Tropenstürme, Überschwemmungen und Dürren Existenzen bedrohen und Entwicklungsfortschritte im Nu zunichte machen. Die sieben größten Industriestaaten (G7) hatten darum im Sommer 2015 auf ihrem Gipfel in Elmau beschlossen, Versicherungslösungen gegen Klimarisiken zu entwickeln. Entweder über Versicherungen ganzer Staaten oder durch für Einzelpersonen, wie Kleinbauern. Auf diese Weise sollten innerhalb von fünf Jahren, also bis 2020, 400 Millionen vor allem arme Menschen in Entwicklungsländern abgesichert werden, damit sie nach einer Dürre oder Überschwemmung nicht Jahre brauchen, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Beim Pariser Klimagipfel im Dezember 2015 gab es die ersten finanziellen Zusagen.

Jetzt, einen Monat vor dem nächsten Klimagipfel in Bonn, haben das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) und die KfW Bankengruppe eine Initiative für den Ausbau von Klimarisikoversicherungen auf den Weg gebracht. Ziel des sogenannten „InsuResilience Solutions Fund“, kurz ISF, sei es, gemeinsam mit der Privatwirtschaft marktreife Versicherungsprodukte zu entwickeln, hieß es am Mittwoch in Berlin. Die Bundesregierung stellt dafür 15 Millionen Euro bereit. Die Privatwirtschaft, heißt es in einer Stellungnahme des BMZ, beteilige sich in gleicher Höhe am Fonds. Damit ist aber vor allem Expertise gemeint.

„Trotz aller Anstrengungen und starkem politischen Engagement haben viele Menschen in Entwicklungsländern immer noch keinen Zugang zu Versicherungsprodukten, die ihren Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten entsprechen“, sagte Joachim Nagel, Generalbevollmächtigter der KfW-Bankengruppe. Darum habe man den ISF initiiert, der etwa die Entwicklungs- und Einführungskosten für Klimaversicherungsprodukte mitfinanziere. Auch soll der ISF Partnerschaften zwischen den späteren Nutzern, etwa den Regierungen oder Nichtregierungsorganisationen, sowie den Entwicklern und Anbietern der Versicherungsprodukte, etwa den Rückversicherern, finanzieren.

„Mit dem Fonds bringen wir erstmals Privatwirtschaft, Wissenschaft und Entwicklungsländer zusammen, um passgenaue Versicherungs- und Finanzierungslösungen zu entwickeln“, sagte Thomas Silberhorn, Staatssekretär im BMZ. Nichtregierungsorganisationen wie die Hilfsorganisation Oxfam halten den Fonds für einen wichtigen Baustein. „Der Ausbau der Klimaversicherungen macht Sinn“, sagte Oxfam-Experte Jan Kowalzig dem Handelsblatt. Man müsse aber sehen, dass Versicherungslösungen nicht überall funktionierten, weil sich viele Menschen die Versicherungsprämie einfach nicht leisten könnten. Humanitäre Hilfe oder finanzielle Unterstützung zur Anpassung an den Klimawandel könnten durch Versicherungskonzepte nicht vollständig ersetzt werden.


Die wahren Kosten des Klimawandels

Durch den Klimawandel werden sich Extremwetterereignisse in Zukunft nicht nur häufiger auftreten, sondern auch intensiver ausfallen. Entwicklungsländer sind davon besonders stark betroffen und leiden - gemessen an ihrer Wirtschaftskraft - stärker unter den Folgen von Naturkatastrophen als Industrieländer. Laut KfW-Banker Nagel leiden 40 Prozent der Menschen in einkommensschwachen Ländern jedes Jahr unter Überschwemmungen, Dürren oder Stürmen. Die Kosten sind immens. In Potsdam konferieren derzeit bis Freitag an die 500 Wissenschaftler aus aller Welt über „die wahren Kosten des Klimawandels“. Es gehe um mehr als nur Dollars, sagt etwa Stéphane Hallegatte von der Weltbank, ein Redner der vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) organisierten Konferenz. Die globale Erwärmung, so die Botschaft aus Potsdam, führe indes nicht nur zu erheblichen ökonomischen Schäden, sie schade auch der Gesundheit der Menschen, verstärke die Treiber von Migration und setze Entwicklungsperspektiven für die Ärmsten aufs Spiel.

Deutschland, als Industrieland einer der großen Emittenten von Luftschadstoffen, ist vorne mit dabei, das Thema Klimarisikoversicherungen anzutreiben. Nach Darstellung der Umweltorganisation Germanwatch sind in den vergangenen Jahren einige interessante Beispiele entstanden, die unter dem Stichwort Klimaversicherung zusammengefasst werden könnten. Ein Beispiel ist die African Risk Capacity (ARC), in die auch afrikanische Länder einzahlen. Immer wieder konnte bei Dürren in afrikanischen Ländern nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend Geld mobilisiert werden, um auf Hungerkatastrophen angemessen zu reagieren, erklärt Sönke Kraft von Germanwatch.

Im Falle einer Dürre bezahle diese Versicherung zweckgebunden und nach vorher ausgehandelten Plänen Nothilfemaßnahmen. Auch nach Darstellung der KfW hat ARC ihre Wirksamkeit bereits unter Beweis gestellt: In Niger, Mauretanien und Senegal trat 2015 der Dürrefall ein und ARC zahlte rund 26 Millionen US-Dollar aus. 2016 wurden 8,1 Millionen US-Dollar an Malawi ausgezahlt. Durch die Vorabplanung der Nothilfemaßnahmen und die schnelle, berechenbare Bereitstellung der Mittel sei die Hilfe schnell bei den Bedürftigen angekommen, sagte Nagel. Insgesamt realisiert die KfW im Auftrag der Bundesregierung derzeit insgesamt sechs Klimarisikoversicherungsvorhaben in Entwicklungs- und Schwellenländern mit einem Gesamtvolumen von mehr als 200 Millionen Euro.

Den Klimawandel aufzuhalten, fällt schwer. Die Anstrengungen in Deutschland, für besseres Klima zu sorgen, kommen kaum voran. Dass das selbstgesteckte Klimaziel für 2020 wohl verfehlt wird, ist keine Neuigkeit - wohl aber, in welcher Größenordnung. Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung ist ohne Nachsteuerung bestenfalls ein Minus der klimaschädlichen Emissionen um 32,5 Prozent zu erwarten - statt der angestrebten 40 Prozent im Vergleich zu 1990. „Eine Zielverfehlung in einer solchen Größenordnung wäre für die Klimaschutzpolitik Deutschlands ein erheblicher Rückschlag“, heißt es in einem Papier des Bundesumweltministeriums (BMUB), auf das sich die Zeitung beruft.

Damit stellt sich das Ministerium unter Führung von SPD-Politikerin Barbara Hendricks (SPD) selbst ein schlechtes Zeugnis für die vergangene Legislaturperiode aus. Schließlich ist es das Umweltministerium, das den Kampf gegen die Erderwärmung vorantreiben muss. Für die Grünen, die möglicherweise in den nächsten Jahren das Umweltressort führen, war die Nachricht am Mittwoch eine durchaus willkommene: Die Aufgabe der nächsten Bundesregierung sei klar, mahnte Fraktionschef Anton Hofreiter: sie müsse die Lücke schnellstmöglich schließen. Dazu brauche es ein schnelles Einleiten des Kohleausstiegs, eine Beschleunigung der Energiewende und mehr Tempo beim Umstieg auf nachhaltige Mobilität. „Dafür werden wir in Sondierungsgesprächen kämpfen.“

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