Spritzenpumpen müssen neu aufgezogen, Überwachungsmonitore umgesteckt und das Beatmungsgerät getauscht werden. Danach lagern die Pfleger den Kranken um auf die Transporttrage. Das Team des Rettungshubschraubers oder des Intensivtransportwagens übernimmt. Die Verlegung beginnt.
Jan-Thorsten Gräsner hat das in den vergangenen Tagen immer wieder erlebt. „Ein Arzt, ein Notfallsanitäter, ein Fahrer beziehungsweise ein bis zwei Piloten sind die Mindestanforderung für den reinen Transport“, sagt der Chef der Rettungs- und Notfallmedizin an der Uniklinik Kiel. Gräsner koordiniert die Verlegungen von Intensivpatienten im Rahmen des deutschlandweiten Kleeblatt-Systems: Gut 50 akut gefährdete, aber transportfähige Menschen sind in der vergangenen Woche in andere Bundesländer gebracht worden, weil viele Intensivstationen in Ost- und Süddeutschland überlastet sind.
Deutschland muss gerade einen enormen Aufwand betreiben, damit seine Intensivstationen nicht kollabieren. Die Kosten spielen dabei keine Rolle. So sehen es auch die Krankenkassen, die angekündigt haben, für die Verlegungen aufzukommen – vorerst. In dieser Situation würde natürlich niemand jemandem die Übernahme verwehren, heißt es, aber gesprochen werden müsse schon über diese Frage: Wer soll das bezahlen?
Laut baden-württembergischem Innenministerium kostet die Verlegung eines Intensivpatienten 3000 bis 10.000 Euro. Als Vorsitzender der Innenministerkonferenz koordiniert das Ministerium die Verlegungsaktion. Der Betrag sei abhängig von der Wegstrecke und dem Transportmittel. Welches zum Einsatz kommt, werde je nach Strecke, Wetter, Patientenzustand, Gewicht und Größe des Patienten entschieden, sagt Gräsner. Fragt man die Barmer, variieren die Kosten dafür extrem. Die Krankenkasse gibt eine Preisspanne von „wenigen hundert Euro für einen kurzen Transport im Rettungswagen bis weit über 10.000 Euro für einen Verlegungsflug“ an.
Nach dem Sozialgesetzbuch tragen die Krankenkassen unter normalen Umständen auch Transportkosten, etwa wenn jemand für eine ambulante Behandlung ein Taxi nimmt. Ob die Krankenkassen aber unter den jetzigen Coronabedingungen für sämtliche Kosten aufkommen, werde „zu gegebener Zeit zwischen Bund, Ländern und den Krankenkassen geklärt“, teilt das Innenministerium in Stuttgart mit. Wann das ist, bleibt offen. Weder das Bundesgesundheitsministerium (BMG) noch das Bundesinnenministerium reagierten auf Anfragen der WirtschaftsWoche.
Die Barmer teilt mit, sie übernehme die Kosten für alle corona-bedingten Verlegungen, um Krankenhäuser zu entlasten. Wie viele Fälle die Barmer abzurechnen hat und was sie kosten werden, wisse sie noch nicht, da „uns die Transporte im Nachhinein in Rechnung gestellt werden“. Grundlage für diese Entscheidung sei eine GKV-Empfehlung, die aktuell bis März 2022 gelte. Bis dahin müssen Krankentransportfahrten auch weiterhin nicht erst von der Krankenkasse des Patienten genehmigt werden, entschied der Gemeinsame Bundesausschuss am Donnerstag. Gleichzeitig befindet sich der GKV-Spitzenverband, dem alle gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland angehören, laut einer Barmer-Sprecherin „wegen einer möglichen Kostenerstattung derzeit in Gesprächen mit dem BMG“.
Die Verlegungen von Intensivpatienten seien jedenfalls sichergestellt, betont der Verband der Ersatzkassen. Die Frage der Kostenträgerschaft sei aber „zu klären“. Die GKV vertrete „im Gegensatz zu einigen Bundesländern die Auffassung, dass die aktuellen Verlegungsfahrten und -flüge von Covid-19-Patienten über den Katastrophenschutz zu finanzieren sind und nicht in den Verantwortungsbereich der GKV fallen“. Zwar ist die Katastrophenschutz-Abteilung der Innenministerkonferenz für Kleeblatt verantwortlich, offiziell ausgerufen ist der Katastrophenfall aber nicht. Die Bundeswehr unterstützt die Kleeblatt-Einsätze nicht etwa wegen einer solchen Ausnahmesituation, sondern auf Grundlage von Amtshilfeanträgen der Länder. Eine weitere Möglichkeit, die Armee im Inneren einzusetzen.
Eine Sprecherin des BKK-Dachverbands sagt: „Dass die GKV jetzt alles trägt, obwohl es eigentlich ein Katastrophenfall ist, kann nicht sein.“ Wie unklar die Finanzierung ist, zeigt eine Anfrage, die den Verband erreicht hat. Das BMG selbst, berichtet die Sprecherin, habe nachgefragt, was zu tun sei.
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