Knauß kontert

Sachpolitik hat offenbar keine Priorität

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Altmaier und von der Leyen

Doch wer soll in Erhards Fußstapfen treten? Etwa ein ausgewiesener Wirtschaftsexperte? Einer der letzten verbliebenen Ordnungspolitiker der Union? Oder gar ein Ökonom, wie Erhard einer war? Nein. Peter Altmaier wird es sein. Der hat als Jurist, EU-Beamter, Ex-Umweltminister und Kanzleramtsminister zwar sicher mehr mit Wirtschaft zu tun als Karliczek mit Wissenschaft. Aber in erster Linie ist er sicher nicht Erhards Enkel im Geiste sondern Merkels getreuer Ekkehard.     

Auch der einzige nicht neu besetzte, sondern bestätigte Ministerposten der CDU kann nicht durch erwiesene Eignung der Amtsträgerin begründet werden. Ursula von der Leyen war zwar schon Landes- und Bundesministerin, als sie im Dezember 2013 zur Verteidigungsministerin ernannt wurde, doch den geringsten Bezug zum Militär oder auch nur ein offen artikuliertes Interesse an Verteidigungspolitik konnte sie bis dahin nicht vorweisen. Alles Soldatische war ihr unbekannt (und bleibt es auch, wie Soldaten berichten). Diese innere Fremde im eigenen Ressort verbindet sie mit ihrer künftigen Kabinettskollegin Karliczek.

Schon damals war die Bundeswehr in einem desolaten Zustand: Dauerüberforderung der Soldaten durch Auslandseinsätze bei sinkender Einsatzbereitschaft der Waffensysteme. Mit der Ernennung einer McKinsey-Managerin zur Staatssekretärin sorgte von der Leyen kurzzeitig für mediale Begeisterung. Die Botschaft war: Nun werde gründlich und auf erfrischend zivile Art mit dem Filz und Schlendrian bei der Beschaffung von Waffen und Ausrüstung aufgeräumt. Der Wirbel hat sich nach fünf Jahren auf dem Ministerposten gelegt, doch das Rüstungsdesaster blieb. Die peinlichen Beispiele sind Legion.

Fazit des Wehrbeauftragten: Die „materielle Einsatzbereitschaft der Truppe“ sei „in den vergangenen Jahren nicht besser, sondern tendenziell noch schlechter geworden.“ Dazu kommt, dass von der Leyen mit ihren Generalverdächtigungen wegen eines angeblichen „Haltungsproblems“ der Truppe gegenüber der ehemaligen Wehrmacht, die Soldaten kollektiv vor den Kopf gestoßen hat. Das Vertrauensverhältnis zu ihrer Ministerin befinde sich, so der Wehrbeauftragte „in Reparatur“.

Ginge es der Bundeskanzlerin also in erster Linie darum, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr deutlich zu verbessern, um die im Koalitionsvertrag betonte „Verantwortung für Frieden, Freiheit und Sicherheit in der Welt“ wahrzunehmen, dann müsste sie von der Leyen längst durch einen ausgewiesenen Militärexperten ersetzen. Stattdessen wird diese nun wahrscheinlich die am längsten amtierende Verteidigungsministerin in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Die drei wichtigsten Kabinettsposten, die Merkel direkt zu vergeben hat, legen folgende Befürchtungen nahe: Sie und ihre Partei sind offenbar nicht wirklich überzeugt, dass eine einsatzfähige Bundeswehr existenziell bedeutsam ist. Ebenso wenig ernst scheint man die traditionellen Selbstbeschwörungen als „Partei Ludwig Erhards“ und die geschwätzigen Versprechen von Bildung, Forschung und Digitalisierung zu nehmen. Im Zweifel sind Erwägungen des Proporzes, der Machtsicherung und der medialen „Verkaufe“ dann eben doch wichtiger.

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