Knauß kontert

Die größte Gefahr droht der Wissenschaft von innen

Seite 2/2

Bedrohung aus dem Innern der Wissenschaft

Es ist kein Geheimnis, dass der "March for Science" einem Vorbild nacheifert:  Dem Women’s March, bei dem im Januar Hunderttausende Frauen und Männer auf die Straße gingen. Viele setzten sich dazu den so genannten „Pussy Hat“, eine rosafarbene Wollstrickmütze auf. Das sollte Zeichen des Protests gegen sexistische Aussagen von Donald Trump sein – man erinnert sich: „Grab them by the pussy…“.

Auch Politikerinnen und Politiker deutscher Parteien, vor allem der Grünen, ließen sich mit dieser Kopfbedeckung ablichten. Nun gut, von Politikern kann man erwarten, dass sie sich öffentlich und demonstrativ für politische Ziele und gegen politische Gegner inszenieren. Dafür sind sie da.

Der „March for Science“ wurde nicht nur in den USA zweifellos als vor allem gegen die Trump-Regierung gerichteter, also politischer Protest gesehen. Das war auch das kaum verhohlene Ziel der Organisatoren. Natürlich legitim. Natürlich kann auch jeder Wissenschaftler sich politisch äußern und engagieren. Natürlich auch in politischen Fragen, die sein Forschungsgebiet nicht betreffen.

Aber das gilt nicht für wissenschaftliche Organisationen. Die sind nicht als Plattformen für kollektive politische Bekenntnisse gedacht, sondern unterliegen aus guten Gründen einem politischen Neutralitätsgebot. Organisationen wie die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie oder die Ruhr-Universität Bochum haben nicht Stellung zu beziehen für oder gegen die Politik des amerikanischen oder ungarischen Präsidenten. Niemand hat ihnen dafür ein politisches Mandat erteilt. Das sollten sie daher jedem einzelnen Bochumer Uni-Angehörigen und Mikrobiologen selbst überlassen.

Durch ihre öffentliche Unterstützung einer Großdemonstration, die als parteipolitische Stellungnahme interpretiert werden muss, erscheinen die Wissenschaftsorganisationen nun selbst zumindest in den Augen der Öffentlichkeit als ein parteiischer politischer Akteur, der sich womöglich vor den Karren wissenschaftsfremder Interessen spannen lässt.

Völlig unbeachtet blieben beim March for Science bezeichnenderweise die Gefahren für die Wissenschaft, die im Wissenschaftsbetrieb selbst lauern. Die sind möglicherweise nicht weniger mächtig als die von außen kommende Wissenschaftsfeindschaft von Donald Trump oder Victor Orban. Dass „wissenschaftlich fundierte Tatsachen geleugnet“ werden, wie die Veranstalter feststellen, ist nämlich nicht nur in der Politik, sondern auch im akademischen Betrieb selbst, ein weit verbreitetes Phänomen.

Die Leugnung biologischer Erkenntnisse und Evidenzen ist sogar die Grundlage einer ganzen Wissenschaftsdisziplin. Sie nennt sich Gender Studies, umfasst mittlerweile rund 200 Professuren allein in Deutschland und bildet die ideologische Grundlage der als Gender Mainstreaming bekannten Gleichstellungspolitik in fast allen westlichen Ländern.

Hier hat sich seit zwei bis drei Jahrzehnten zwischen akademischem Betrieb und Politik eine symbiotische Beziehung entwickelt, in der wissenschaftliche Evidenzen (wie die Notwendigkeit von Zweigeschlechtlichkeit zur Fortpflanzung bei fast allen Arten inklusive Mensch) konsequent geleugnet und als "Biologismus" diskreditiert werden - zu Gunsten von „Fake“ (nämlich der Annahme der allein gesellschaftlichen Konstruktion des Geschlechts).

Ein öffentlichkeitswirksamer orchestrierter Protest ernsthafter Wissenschaftler gegen dieses akademisch getarnte und politisch höchst erfolgreiche Gesellschaftsveränderungsprogramm steht leider noch aus.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%