Knauß kontert Christdemokraten, lest Ludwig Erhard!

Ludwig Erhard Quelle: imago images

In der programmatisch entleerten CDU gelingt keine fruchtbare Grundsatzdebatte. Man fürchtet sich vor dem Begriff des Konservatismus, statt ihn einfach zu praktizieren - und endlich Ludwig Erhard ernst zu nehmen.

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In der CDU spricht man von der Notwendigkeit, ein neues Grundsatzprogramm zu schreiben. Das aktuelle, noch gültige ist wahrlich kein bedeutsames Dokument der deutschen Parteiengeschichte. Ein gewisser Ronald Pofalla, damals Generalsekretär, hat es 2007 verfasst. Wer darin so etwas wie eine grundsätzliche Orientierung über die politischen und ökonomischen Ordnungsvorstellungen der CDU sucht, sucht vergeblich. Denn es will, wie der frühere Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer damals schrieb, „in Wahrheit nichts sagen“.

Es könnte doch, so dämmert es dem einen oder anderen CDU-Mitglied, auch an diesem „nichts“ liegen, dass man der sterbenskranken SPD die wesentlichen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Steuerungshebel überlässt. Und ebenso dämmert es vielleicht nun endlich, dass die Folgen des programmatischen Vakuums wesentlich dazu beitragen, dass eine große Zahl früherer Unionsanhänger nun AfD wählt – nicht wegen, sondern trotz der Unsäglichkeiten, die Höcke und Poggenburg von sich geben.

Da war doch mal etwas, scheint man sich vage zu erinnern, das die C-Parteien von den Sozialdemokraten und den anderen unterschied? Demokratisch, sozial und liberal sind die anderen schließlich auch. „Konservativ“ ist das gesuchte Wort. Doch während sich an der CDU-Basis mittlerweile eine „Werte-Union“ bekennender Konservativer bemerkbar macht und der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, in einem unbeholfenen Zeitungsbeitrag eine „konservative Revolution“ forderte, bringt man in der CDU-Führungsriege das Wort kaum über die Lippen, ohne es sogleich zu verwerfen. „Unser Markenkern ist nicht das Konservative“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, einer von Angela Merkels treusten Gefolgsleuten.

Das mag für die gegenwärtige CDU, die Laschet verkörpert wie kein anderer, zutreffen. Aber zumindest in historischer Perspektive ist das schlicht und einfach falsch. Selbstverständlich gehörte der Konservatismus zu den Grundfesten der Unionsparteien. Dazu musste der Begriff selbst nicht in den Gründungsdokumenten stehen. Richtig ist: Die CDU war nie eine Programmpartei mit konsistenter Ideologie – eben weil sie auch eine konservative Partei war. Konservatives Denken zeichnet sich schließlich gerade durch eine Abneigung gegen das Abstrakte, Technokratische, Utopische aus - und durch eine Neigung zur Verehrung „großer“ Menschen. Der Konservatismus der CDU zeigte sich auch darin, dass in ihr führende Persönlichkeiten prägender waren als Programme. Mit gutem Grund wurde (und wird oft immer noch) die CDU im Englischen als „conservative“ und im Französischen als „conservateur“ tituliert – es ist nicht überliefert, dass Adenauer, Erhard oder Kohl dagegen protestiert hätten.

Mag sein, dass es taktische Gründe gibt, den Begriff „konservativ“ zu meiden. 40 Jahre linker Diskurshoheit und christdemokratischer Diskursfeigheit haben es fertig gebracht, ihn als langweilig bis böse zu brandmarken. Deswegen ein kleiner Tipp an die CDU-Grundsatzdebattenführer: Übersetzt ihn doch einfach! Sprecht gegenüber dem Wähler über das „Bewahren“ oder „Erhalten“ als politische Aufgabe. Dass dies höchst gefragt ist bei sehr vielen Wählern, dürfte unbezweifelbar sein.

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