
Wenn Katzen oder Hunde merken, dass sie schwächer sind als ein anderes Tier, werfen sie sich auf den Rücken. So zeigen die Tiere einem Artgenossen oder dem Menschen, dass sie dessen Überlegenheit akzeptieren, sich dessen Willen beugen. Der Überlegene bleibt hoch aufgerichtet und zeigt üblicherweise Gnade – die berühmte Beißhemmung. Den Unterwürfigen töten – das tut ein Säugetier in aller Regel nicht.
Beim Menschen sind die Signale der Schwäche oder Stärke nicht immer ganz so eindeutig. Menschen können täuschen. Politiker und deren Pressesprecher im Besonderen. Hat sich die Kanzlerin nun von der Bundestagsresolution distanziert, in der der Völkermord im Osmanischen Reich an den Armeniern als solcher bezeichnet wird? Ihr Sprecher Steffen Seibert hat das vermeintlich dementiert. Aber in einer Weise, die in Ankara sicher mit Wohlwollen registriert wurde.
Und sicher nicht nur dort. Im Gegensatz zu Tieren und Privatmenschen senden Politiker ihre Gesten der Über- oder Unterlegenheit nicht nur an das Gegenüber. Dass diese Gesten für alle sichtbar sind, wird in der Politik sogar zum Hauptzweck der Geste – zumindest für den Überlegenen. Das hat Recep Tayyip Erdogan erreicht.
Nun sieht also buchstäblich alle Welt, dass die deutsche Bundeskanzlerin sich den Wünschen des türkischen Präsidenten im „Weißen Palast“ von Ankara fügt. Das ist durchaus ein ungeheuerlicher Vorgang. Früher nannte man in der Türkei Deutschland manchmal den „großen Bruder“. Möglicherweise wird man bald eher von der „kleinen Schwester“ sprechen.
Angela Merkels fatales Signal der eigenen und damit der deutschen Schwäche reiht sich ein in eine lange Liste solcher Signale aus Deutschland. Mit ihrer Kommunikationsstrategie der Verwirrung, in der sich unklares, schlechtes Deutsch – ihr gerne verwendetes Wort „Angang“ gibt es zum Beispiel gar nicht – mit egozentrischer Gefühlsduselei („mich irritiert die Freude am Scheitern“) mischt, könnte es Merkel schaffen, sogar ihren Kotau vor Erdogan noch irgendwie als positive Botschaft der Realpolitik, der Vernunft, der Milde oder Verständigungsbereitschaft zu verschleiern.
Aber so eine Botschaft dürfte allenfalls bei ihren treusten Fans in Deutschland ankommen. Die Deutschen sind vermutlich eines der unsensibelsten Völker für Signale der Stärke und Schwäche, da sie Stärke grundsätzlich für unmoralisch halten. Internationale Signale eines Politikers erreichen aber unvermeidbar auch externe Empfänger, deren kulturelle Antennen dasselbe Signal in andere Botschaften umsetzen.
Wie wirkt der Ausnahmezustand in der Türkei über die Grenzen hinaus?
Zehntausende Soldaten und Staatsdiener sind in der Türkei bereits entlassen oder verhaftet worden. Jetzt ist der Ausnahmezustand auch offiziell verkündet. Die Situation nach dem gescheiterten Putschversuch könnte auch hierzulande spürbar werden.
Die Bundesregierung beobachtet die Vorgänge in der Türkei mit zunehmender Besorgnis. Das rigorose Vorgehen der türkischen Regierung nach dem gescheiterten Putschversuch „übersteigt eine angemessene und verhältnismäßige Antwort“, sagte Innenminister Thomas de Maizière am Donnerstag. Eine Fluchtbewegung von Oppositionellen gibt es zwar noch nicht, das kann sich aber ändern.
Quelle: dpa
Jeder, der sich politisch verfolgt fühlt, kann Asyl in Deutschland beantragen. Die Zahl der asylsuchenden Türken war bisher relativ gering. Im ersten Quartal 2016 gingen bei den Behörden gerade mal 456 Anträge ein. Das ist Platz 20 in der Rangliste der Herkunftsländer. Die Anerkennungsquote lag im vergangenen Jahr bei 1,9 Prozent und damit höher als der Durchschnitt aller Länder von 0,7 Prozent.
Das mag sein, generell kann man das aber nicht sagen. Letztlich kommt es auf den Einzelfall an - zum Beispiel ob jemand nachweisen kann, dass Freunde oder Verwandte bereits verhaftet worden sind. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl geht davon aus, dass die Behörden in Deutschland angesichts der unübersichtlichen Lage in der Türkei Entscheidungen über Asylanträge von dort zunächst zurückstellen. Das werde bei Putschversuchen oder gerade ausbrechenden Bürgerkriegen meistens so gemacht, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl.
Die Türkei hat sich dazu verpflichtet, Flüchtlinge zurückzunehmen, die versuchen, über die Ägäis nach Griechenland zu kommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht davon aus, dass die Vereinbarungen von den Ereignissen in der Türkei nicht berührt werden. Grundlage des Abkommens bleibe, „dass wir Sicherheiten haben für die Menschen, die von Griechenland zurückgeschickt werden in die Türkei“, sagte sie am Mittwochabend. „Ich habe bis jetzt keinerlei Anzeichen, dass die Türkei an dieser Stelle nicht zu den Verpflichtungen steht.“ Die Entwicklung werde aber sehr intensiv beobachtet.
Das wird nicht in Zweifel gezogen. Die Türkei ist 1952 der Nato beigetreten und damit noch vor der Bundesrepublik Deutschland. Alle drei Militärputsche in der Türkei - 1960, 1971 und 1980 - hatten keinen Einfluss auf die Nato-Mitgliedschaft. Aus Nato-Sicht ist entscheidend, dass die Türkei ihre Verpflichtungen im Verteidigungsbündnis erfüllt. Das ist bisher der Fall. Allerdings versteht sich die Nato auch als politisches Bündnis. Deswegen können auch ihr Verstöße gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit nicht egal sein.
Bisher macht die Bundesregierung keinerlei Anstalten, die 240 auf der Luftwaffenbasis Incirlik stationierten deutschen Soldaten abzuziehen. Sie sind mit „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug an den Angriffen auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beteiligt. Die Soldaten bekommen von der Lage im Land nur wenig mit, verlassen ihren Stützpunkt nur selten zu dienstlichen Zwecken. Die Zusammenarbeit mit der Türkei im Kampf gegen den IS funktioniert und wird bisher auch nicht in Frage gestellt.
Die EU hat eine rote Linie gezogen: Wird die Todesstrafe wieder eingeführt, ist für die Türkei kein Platz in der Europäischen Union. Aber auch unabhängig davon ist ein Beitritt derzeit unrealistischer denn je. Zu weit ist die Türkei von den Standards entfernt, die von der EU beim Thema Rechtsstaatlichkeit verlangt werden.
Das Grundgesetz sah ursprünglich keinen Ausnahmezustand oder Notstand vor. 1968 setzte die damalige große Koalition mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit gegen den erbitterten Widerstand der selbsternannten außerparlamentarischen Opposition (APO) 28 Grundgesetzänderungen durch, die so genannten Notstandsgesetze. Danach dürfen bei einer existenziellen Bedrohung des Bundes oder eines Landes oder bei einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung per Gesetz - also nur mit Zustimmung des Bundestages - die Freizügigkeit sowie das Brief- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt werden. Zudem darf die Bundeswehr im Inneren unter bestimmten Bedingungen eingesetzt werden.
„Man kann nicht nicht kommunizieren“. Paul Watzlawicks berühmter Satz ist unwiderlegbar, eine Banalität eigentlich – dennoch wird seine Bedeutung oft gerade von jenen unterschätzt, deren bewusste oder unbewusste Signale die größten Wirkungen erzeugen. In einer immer enger verzahnten Welt und vor allem in immer heterogeneren Einwanderungsländern wird das Signalisieren von Botschaften allerdings auch nicht einfacher. Eine Bundeskanzlerin spricht heute nicht mehr nur zu den Deutschen, sondern, wenn es um Einwanderung geht, zu Milliarden armen Menschen in der ganzen Welt. Und in den Slums von Kairo oder Kabul werden ihre Worte und Gesten anders interpretiert als in der evangelischen Kirchengemeinde von Düsseldorf-Oberkassel.
Der krasseste Fall dieser Art war Merkels einsame Entscheidung genau vor einem Jahr. Dieses Signal – es gab offenbar keinen Verwaltungsakt, sondern wirklich nur Kanzlerinnenworte, was die Angelegenheit durchaus gespenstisch machte – kam bei den meisten Deutschen damals als humanitäre Botschaft an: Wir müssen jetzt in einem besonderen Fall einfach einmal fremden Menschen in Not helfen.