Knauß kontert

Heimat als Ablenkung

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Geldausgeben als Ersatzhandlung

Zunächst dies gefühlige Wort „Heimat“ im Innenministerium. Was darüber hinaus an konkreter Politik damit verbunden sein soll, ist das übliche Lieblingsallheilmittel des Wohlfahrtsstaates: öffentliche Ausgaben. Wo Heimat draufsteht, ist für die GroKo die „Verbesserung der kommunalen Finanzlage“, der „Aufbau neuer, moderner Infrastrukturen“ und „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ drin. Nicht, dass das nicht möglicherweise von Fall zu Fall vernünftig sein könnte. Aber was hat es mit „Heimat“ zu tun? Wie kommt jemand auf die Idee, dass Glasfaserkabel und eine funktionierende Verwaltung die Angst vor dem Heimatverlust beseitigen? Und vor allem: Warum sollte das Aufgabe des Bundes sein - statt der Kommunen oder der selbst organisierten Bürger?

Der Verdacht liegt nahe, dass die Autoren das Heimat-Gerede von CSU bis Grünen nichts anderes ist als eine Ersatzhandlung. Gefühl und Geld sollen davon ablenken, dass entschlossenes Handeln nicht stattfindet. „Heimat“ wird also zu einem neuerlichen Vorwand, die finanzielle Expansion des Staates voran zu treiben und die Subsidiarität, also die Zuständigkeit der Kommunen für ihre eigenen Angelegenheiten, abzubauen. Während man sich an die wirklichen Ursachen der Ängste nicht heranwagt.

Absurd sind diese Heimat-Investitionen, weil das, was die unzufriedenen Verunsicherten vermissen, den Staat so gut wie gar kein zusätzliches Geld kosten würde. Die Ängste um Heimatverlust sind nicht mit staatlichen Investitionen in Infrastrukturen zu besänftigen, sondern durch relativ ausgabenneutrales staatliches Handeln. Konkret: Gesetzgeber und Regierende müssen den existierenden Institutionen die Möglichkeit geben, die Kontrolle über die wesentlichen Elemente der Staatlichkeit zurück zu gewinnen.

Gefragt ist nicht der Staat als Investor und Versorger, sondern in seiner konservativen Funktion als Bewahrer und Beschützer des Bestehenden. Wie ihre Heimat zu gestalten ist, kann der Staat den Bürgern getrost weitgehend selbst überlassen, wenn er ihnen Schutz und Sicherheit bietet.

Für die CDU wäre das eigentlich eine angemessene Aufgabe – falls sie sich noch auf ihr konservatives und ordoliberales Erbe besinnen kann. In den letzten Tagen hat die Bundeskanzlerin wieder einmal Ludwig Erhard erwähnt. „Den brauchen wir auch im 21. Jahrhundert", sagte sie beim politischen Aschermittwoch. Da hat sie recht.

Allerdings hätte der vermutlich nicht viel Freude an diesem Koalitionsvertrag, der vor allem wachsende Staatsausgaben und gefühlige Worte enthält. „Maßhalten!“ war die zentrale Forderung Erhards in seinen späten Jahren. Die Vorstellung Erhards und der anderen ordoliberalen Vordenker vom Staat bleibt auch im Zeitalter der Migration und des Heimatverlusts aktuell:  der Staat als Ordnungsgeber und Freiheitsbewahrer – und nicht als ein mit Steuergeld (und warmen Worten) aufgeblähter Wohltäter.

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