
Theresa May brachte bei ihrem Antrittsbesuch in Washington – als erste ausländische Regierungschefin – dem neuen Präsidenten ein symbolisches Geschenk mit: Eine alte Trinkschale aus Schottland. Trumps Mutter stammte aus dem nördlichen Teil des Vereinigten Königreichs, wo man mit einem gemeinsamen Trunk aus solchem Behältnis unverbrüchliche Freundschaft schloss.
In der Rede, die May zuvor in Philadelphia vor Politikern der Republikaner hielt, stehen einige Sätze, die zeigen, um was es bei ihrem Besuch ging: „Mit der Beendigung unserer Mitgliedschaft in der EU haben wir die Chance, unseren Glauben an ein selbstbewusstes, souveränes und globales Britannien neu zu stärken. Indem wir beide unsere Selbstsicherheit wiederentdecken und Sie Ihre Nation so erneuern wie wir die unsrige, haben wir die Gelegenheit, ja die Verantwortung, unsere besondere Beziehung für dieses neue Zeitalter zu erneuern.“ May buhlt also bei Trump nicht nur konkret um ein bilaterales Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit. Es geht ihr generell um die Erneuerung der „special relationship“, also der kulturgeschichtlich begründeten und in zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg geschmiedeten Sonderbeziehung der englischsprechenden Staaten.
Was für ein Gegensatz zur deutschen Bundesregierung!
Noch vor Merkels ersten Telefonat mit Trump nach Amtsantritt fliegt ein Ex-Minister und Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages namens Norbert Röttgen nach Washington, um "neue Formen von Allianzen" zu schmieden - gegen Donald Trumps Politik. Und das verkündet der auch noch weltöffentlich im "heute journal"! Dass Trumps Aussagen über die angeblich veraltete NATO, die angeblich bedeutungslose EU und nicht zuletzt seine Aussagen über das Foltern für einen verantwortlichen deutschen Politiker nicht akzeptabel sein können, steht außer Frage. Aber glaubt man denn ernsthaft, dass es sinnvoll ist, sich schon in der ersten Woche offen auf die Seite der parlamentarischen Gegner des neuen Präsidenten zu stellen? Kann man das nicht wenigstens im Verborgenen versuchen?
Theresa May hat mit ihrer Charme-Offensive immerhin geschafft, dass Trump sich zur NATO bekennt. Im Telefonat mit Merkel am Samstag bestätigte Trump nun die "fundamentale Bedeutung" der NATO.
Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet
Am 20. Januar soll Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA antreten. Das sind die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und Sorgen wichtiger Länder und Gemeinschaften.
Quelle: dpa
Eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel und den islamistischen Terrorismus, ein gemeinsamer Kurs in der Sanktionspolitik gegenüber Russland sowie eine Fortsetzung der Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP: Was sich die Europäische Union vom neuen US-Präsidenten erhofft, bekam Trump bereits kurz nach seiner Wahl in einem Brief aus Brüssel übermittelt. Nicht offen wird dagegen über die Sorgen gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand befürchten EU-Spitzenpolitiker, dass die Erwartungen Europas den neuen US-Präsidenten nicht wirklich interessieren. Folge könnte eine deutliche Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen sein.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb hofft Russland, dass Trump sein Versprechen wahr macht und die Beziehungen wieder verbessert. Die Zeichen stehen auf ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz nach Amtsantritt. Weil der Republikaner das Engagement der USA im Rest der Welt verringern will, geht Russland davon aus, mehr Spielraum zu bekommen. Trump sieht Nato und EU kritisch, er will den islamistischen Terror stärker bekämpfen - beides passt zur Moskauer Position. Allerdings haben die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe massiv den Verdacht geschürt, dass Moskau sich in US-Politik einmischen könnte. Trump und Putin müssen bei jeder Annäherung mit großem öffentlichem Misstrauen rechnen.
Die Mexikaner machen sich für die Ära Trump auf das Schlimmste gefasst. Der künftige US-Präsident hatte die Nachbarn im Süden mehrfach als Drogenhändler und Vergewaltiger diffamiert. Um die illegale Einreise von Migranten zu verhindern, will Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Außerdem hat er angekündigt, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) neu zu verhandeln oder sogar aufzukündigen. Die mexikanische Wirtschaft hängt stark vom Handel mit den USA ab. Der Autokonzern Ford beerdigte bereits Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko - offenbar aus Angst vor Trump. US-Unternehmen, die billig im Nachbarland produzieren, hatte er mit hohen Strafzöllen gedroht.
Den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften drohen unter Trump schwere Spannungen, die auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnten. Der neue US-Präsident holte China-Kritiker in sein Team, die eine härtere Gangart gegen Peking erwarten lassen. Die kommunistische Führung fürchtet eine Neuausrichtung der US-Beziehungen zu Taiwan, das Peking nur als abtrünnige Provinz behandelt. Mit einer Eskalation wird auch im Handel gerechnet, falls Trump seine Drohung mit Strafzöllen wahr machen sollte. Das Verhältnis wird zudem dadurch bestimmt, wie beide mit den Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer umgehen.
Für den Iran ist es in erster Linie wichtig, was aus dem Atomabkommen wird. Obwohl auch die USA den Deal von 2015 mit ratifiziert hatten, drohte Trump bereits mehrmals mit einem Ausstieg. Präsident Hassan Ruhani bezeichnete das multilaterale Abkommen als unantastbar. Auch eine Nachverhandlung kommt für Teheran nicht infrage. Falls Trump sich nicht an den Deal halten sollte, werde auch Teheran angemessen reagieren, warnte Ruhani. Andererseits hofft der Iran auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der neuen US-Regierung und Moskau. Als enger Verbündeter Russlands könnte davon auch Teheran, besonders im Syrien-Konflikt, außenpolitisch profitieren.
Israel zählt schon die Tage bis zum Amtsantritt von Trump. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet nach dem eher schwierigen Verhältnis zu Präsident Barack Obama ein Umschwenken in der Israelpolitik der USA. Dazu gehört der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Trump kündigte mehrfach an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Beim Ausbau der Siedlungen im Westjordanland hoffen die ultrarechten Kräfte in der Regierung auf mehr Bewegungsfreiheit, nachdem die USA zuletzt eine siedlungskritische UN-Resolution passieren ließen. Einige fordern, das Westjordanland zumindest teilweise zu annektieren.
Sigmar Gabriel dagegen, der neue deutsche Außenminister, sprach in seiner letzten Regierungserklärung als Wirtschaftsminister von den USA und Großbritannien zumindest indirekt als „verlorenen Partnern“. Bezeichnenderweise gab es darauf keine entsetzten Reaktionen in Deutschland. Solange es gegen Trump geht, gibt es offenbar keine Fettnäpfchen in Berlin.
Natürlich kann man sagen: Trump hat angefangen. Stimmt. Nochmals: Was Trump tut und sagt, ist höchst kritikwürdig. Seine Persönlichkeit ist offensichtlich die eines Narzissten und seine Methodik die eines knallharten Geschäftemachers. Er hat schon in der ersten Woche im Weißen Haus deutlich gemacht, dass er bei der Umsetzung seiner Maxime „America first“ wenig Rücksicht auf andere Länder zu nehmen gewillt ist.
Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen
Die Deutschen mögen Donald Trump nicht. Nur wenige Prozent hätten für den Republikaner gestimmt, ergaben Umfragen vor der US-Wahl. Doch ist ihnen womöglich nur der Mensch zuwider, nicht sein Programm? Und fürchtet die überwiegende Mehrheit, dass Trump ein gefährlicher Präsident wird? Eine aktuelle Ipsos-Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche liefert dazu erstaunliche Erkenntnisse.
Auf die Frage, welche Trump-Vorhaben die Deutschen auch hierzulande gerne umgesetzt sähen, antworteten satte 56,3 Prozent, sie wollten die Abschiebung aller illegalen Ausländer.
34 Prozent der Befragten stimmen Trumps Forderung nach mehr Durchgriffsrechten für die Polizei zu.
Immerhin 30,6 Prozent wünschen sich weniger Einkommensteuer.
26,2 Prozent wünschen sich gar eine strikte Einreiseregulierung für Muslime.
Die Ablehnung der Deutschen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder TPP zeigt sich auch in dieser Umfrage. 19 Prozent sähen auch hierzulande gerne ein Ende/Neuverhandlung der Freihandelsabkommen.
15 Prozent der Befragten sind für den Aufbau engerer Beziehungen zu Putins Russland.
Die Erbschaftsteuer sähen 13 Prozent der Befragten auch in Deutschland gerne abgeschafft.
Immerhin 4 Prozent wünschen sich eine Einführung von (Schutz-)Zöllen für Importe.
Mehrfach drohte der designierte US-Präsident mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Nur 2 Prozent der Befragten sind für einen Austritt beziehungsweise Rückzug aus dem Klimavertag.
17 Prozent der Befragten ist nicht nur die Person Donald Trump zuwider. Auch das Programm des Republikaners stößt auf Ablehnung.
Gemessen an der Ablehnung seiner Person, sehen die Bundesbürger Trumps Rolle in der Welt noch vergleichsweise milde. 57,2 Prozent der Deutschen gehen davon aus, Trump werde vom Weißen Haus aus die Welt politisch destabilisieren.
55,9 Prozent erwarten negative Auswirkungen für Deutschland.
Zu den möglichen Folgen für die USA ist die Skepsis viel größer: Nur 12,2 Prozent sagen, Trump werde die internationale Position seines Landes nachhaltig verbessern.
Aber was haben wir Deutsche davon, wenn nicht nur Journalisten, sondern auch unsere Regierung Trump-USA als vom rechten Weg abgekommenen Sünder verurteilt? Vielleicht das gute Gefühl, gut zu sein. Doch das ist, wenn es ernst wird, nicht mehr viel wert. Amerika ist nicht irgendein Partner und sein neuer Präsident ist kein Victor Orban, den man in die Ecke stellen kann. Wenn Trump damit droht, die Sicherheit der europäischen Verbündeten nicht mehr uneingeschränkt garantieren zu wollen, dann muss es doch das Ziel der Regierenden in Europa und Deutschland sein, diese Androhung nicht real werden zu lassen.
Wie? Indem man tut, was May tut. Indem man sich den erhobenen Zeigefinger verkneift und – notgedrungen – auf den Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt zugeht. Indem man Gemeinsamkeiten betont – und nicht die ideologischen Gegensätze. Indem man Realpolitik statt moralisierenden Gesinnungsfundamentalismus betreibt - und seinem Lande damit einen größeren Dienst erweist als mit der Beschwörung von Werten, für deren Verteidigung man ohnehin nicht viel zu bieten hat.