Knauß kontert

Schulz, die SPD und eine Politik gegen die eigene Klientel

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Unreflektiertheit der ehemaligen Arbeiterpartei

Denn dieses „Voranbringen“ der EU – ob nun nach Emmanuel Macrons Vorschlägen oder nach denen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker - wird vor allem eines tun: den deutschen Steuerzahler und langfristig auch die künftigen Renten-, Pensions- und Sozialhilfeempfänger zu belasten. Das wird für jeden weiteren finanzpolitischen Vergemeinschaftungsschritt in der EU oder Währungsunion gelten - ob Einrichtung eines in Brüssel zentral verwalteten EU-Währungsfonds (statt unter nationalen Vorbehalten stehendem Euro-Rettungsschirm), ob neuer „Notfallfonds“ (wer wird den wohl zum Großteil füllen sollen?), ob neuer EU-Finanzminister, ob neues EU-Budget mit eigenen neuen Steuereinnahmen.

Dass die deutsche Exportindustrie all die Vorschläge von Macron und Juncker und nun auch das Vereinigte-Staaten-Ziel bejubelt, kann nicht überraschen. Erstaunen sollte allerdings die Unreflektiertheit einer ehemaligen Arbeiterpartei (und aller anderen Parteien ebenso), mit der das kurzfristige Interesse exportorientierter Unternehmen mit „deutschen Interessen“ verwechselt wird.

Der schwache Außenwert des Euro - die D-Mark wäre, so es sie noch gäbe, natürlich viel höher bewertet – führt dazu, dass sich die deutsche Exportwirtschaft weniger anstrengen muss. Klar, das findet sie gut. Bräche der Euro zusammen, wären vermutlich viele Unternehmen, die heute vom Export leben, nicht mehr wettbewerbsfähig. Aber diese Exportgewinne innerhalb der Eurozone sind, wie Daniel Stelter und einige aufrechte Ökonomen nicht müde werden zu betonen, letztlich vor allem Buchgewinne, die die Bundesbank den Unternehmen auszahlt, während sie selbst (und das heißt die deutschen Steuerzahler) nur Forderungen gegenüber den anderen europäischen Notenbanken aufbaut.

Diese so genannten Target-2-Forderungen (etwa 10.000 Euro pro Kopf) wären vermutlich sofort wertlos gegenüber Staaten, die die Währungsunion verließen. Letztlich wird der Gläubiger Deutschland diese und andere Schulden bei den ausländischen Abnehmern seiner Exporte wohl ohnehin nie wirklich eintreiben können. Diese Einsicht aufzuschieben und zu verschleiern, ist wohl eine der stärksten Motivationen für deutsche Euro-Retter.

Aber Macrons oder Junckers Vergemeinschaftungsziele, die deren Freund Schulz so inbrünstig umsetzen möchte, bedeuteten noch weitere Umverteilungen in Richtung der Krisenländer inklusive Frankreichs. Begründet wird das mit Schulzschem Europa-Pathos und dem sozialdemokratischen Heilsbegriff „Solidarität“. Unerwähnt bleibt in diesen Diskussionen nur meist, dass die Deutschen gar nicht so reich sind. Zwar wächst das BIP kräftig und sinkt die Arbeitslosigkeit. Aber die durchschnittlichen Vermögen der Deutschen sind geringer als die der durchschnittlichen Franzosen und Italiener.

CDU macht Druck auf SPD vor ersten Gesprächen

Dass andere europäische Regierungen (und ein italienischer EZB-Präsident) ein Interesse daran haben, bei der Sanierung ihrer strukturellen Haushaltsdefizite die Vermögen ihrer eigenen Bürger zu schonen, wenn sie dafür deutsche Transfers mobilisieren können, ist verständlich. Ebenso verständlich wie Junckers Interesse am Erhalt einer Eurozone, in der er für sein Luxemburg ein gemütliches Plätzchen als Steueroase eingerichtet hat. Unverständlich ist allein der Eifer, mit dem ausgerechnet die Partei, die angeblich für soziale Gerechtigkeit und die Interessen der arbeitenden Bevölkerung eintritt, diese Zahlungen aus dem deutschen Steuersäckel übernehmen will. Sie scheint wild entschlossen, ihre eigene Klientel mit unabsehbaren künftigen Lasten zu beladen.

Ein arbeitender, steuerzahlender, unvermögender künftiger Rentner muss schon sehr selbstlos und idealistisch – oder politisch blind – sein, um dieser Partei noch sein Vertrauen zu schenken. Offenbar will es diese älteste Partei Deutschlands (und Festlandeuropas!) nicht anders.

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