Beispiel? Man klagt über steigende Mieten und Häuserpreise und macht dafür „Immobilienspekulanten“ verantwortlich. Beschwiegen wird aber weitgehend, dass es durchaus eine handfeste Ursache des Problems gibt: Die Bevölkerung Deutschlands wächst, und zwar ausschließlich durch Zuwanderung. Wenn alljährlich Hunderttausende in ein bereits dicht besiedeltes Land einwandern, so muss das natürlich das Wohnungsangebot verknappen mit unangenehmen Folgen für diejenigen, die kein Immobilienvermögen besitzen. Dieselbe Ursache trägt natürlich auch dazu bei, dass die Löhne im aktuellen Boom gerade im unteren Segment kaum steigen. Das Angebot niedrig qualifizierter Arbeitskräfte erhöht sich schließlich um mehrere Hunderttausend Menschen jährlich durch die verstärkte Armutszuwanderung.
Linke können sich nicht ernsthaft wundern, dass angesichts eines derart verschleierten Blicks auf die Wirklichkeit die eigene Diskurshoheit immer wieder von einer neu erstarkten Rechten in Frage gestellt wird. Auf die Dauer behält die aber nur, wer wirklich überzeugen kann – durch „sagen, was ist“.
Linke sollten sich auch nicht wundern, dass ausgerechnet ihre angestammte Wählerschaft den linken Parteien verloren geht. Denn von den wirklichkeitsenthobenen Idealen und der Fortschrittsverliebtheit der neuen Linken versprechen sich die zu Wohlstandsbürgern gewordenen einstigen „kleinen Leute“ oft nicht mehr viel.
Für die (Ex-)Klientel der linken Parteien in den westlichen Wohlstandsgesellschaften geht es heute, nach anderthalb Jahrhunderten sozialdemokratischer Politik, nicht mehr um Befreiung aus dem Elend und Aufstieg, sondern um Bewahrung des Erreichten. Den Schutz, den sie sich vor den Zumutungen entfesselter Dynamik des Weltmarktes wünschen, verspricht ihnen zwar die SPD. Aber besonders glaubhaft ist das nicht.
Denn der größte Anachronismus der heutigen Linken, inklusive SPD, ist ihre Erzfeindschaft gegen den Nationalstaat. Es ist schließlich ihr Staat. Sozialdemokraten haben ihn in einem jahrzehntelangen politischen (in Westeuropa weitestgehend friedlichen) Kampf zum Sozialstaat geformt. Er ist daher die einzige feste Bastion der institutionellen Solidarität in einer von Wettbewerb und Märkten bestimmten Welt. Eine Linke, die ernsthaft daran interessiert ist, den Kapitalismus zu „bändigen“ und schwache Marktteilnehmer zu schützen, müsste sich für seinen Erhalt einsetzen.
Von der Linken der gegenwärtigen westlichen Gesellschaften hat der Kapitalismus jedenfalls nichts zu befürchten, solange sie sich nicht auf ihre alte analytische Kraft besinnt und sagt, „was ist“. Im Gegenteil: Als Vorhut des Globalismus reißt sie ihm seit 1968 mit vereinten Kräften die Grenzen ein, die vormoderne Tradition und Nationalstaat setzen. Für die Menschen, die sie nötig hätten, wird diese Linke der realitätsvergessenen Traumtänzer immer verzichtbarer.