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Koalition Die schweigende Schulden-Generation

Union und SPD wollen viel verteilen in den nächsten vier Jahren. Gerecht ist das nicht. Vor allem Junge schneiden schlecht ab. Die wenigen Vertreter ihres Alters passen sich in den Verhandlungen eher an, als aufzumucken.

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Schwarz-Rote Kompromisse
Gesundheits- und PflegepolitikMit Zustimmung der Parteivorsitzenden vereinbarten die Fachpolitiker, dass der von Krankenkassen erhobene Zusatzbeitrag künftig nicht mehr pauschal, sondern einkommensabhängig erhoben wird. Der allgemeine Beitragssatz soll bei 14,6 Prozent fixiert werden. Heute liegt der Beitragssatz bei 15,5 Prozent. Der Arbeitgeberbeitrag wird bei 7,3 Prozent eingefroren. Der Pflegebeitragssatz soll spätestens zum 1. Januar 2015 um 0,3 und später um weitere 0,2 Prozentpunkte erhöht werden. Gefahr: Ein Sozialausgleich aus Steuermitteln ist anders als bei den pauschalen Zusatzbeiträgen nicht mehr vorgesehen. Klamme Krankenkassen könnten mit den Beiträgen nicht auskommen. Folgen: Kassenmitgliedern könnten zusätzliche Lasten aufgebürdet werden. Einzelne Kassen in Finanzsorgen könnten von ihren Mitgliedern einen prozentualen Zusatzbeitrag verlangen. Quelle: dpa
Die Ziffern 8,50, symbolisch fuer die Forderung eines Mindestlohns von 8,50 Euro, stehen in Berlin vor dem Bundeskanzleramt bei einer Aktion des Duetschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Quelle: dapd
Ein Mitarbeiter des Autobauers Mercedes Benz hält am 24.02.2011 in Sindelfingen vor dem Werk ein Plakat mit der Aufschrift «Gleiche Arbeit? Gleiches Geld!» in die Höhe. Quelle: dpa
Zwei Rentner sitzen mit einer jüngeren Dame auf einer Bank am Ammersee. Quelle: dapd
Eine alte Dame sitzt in einem Seniorenheim in Berlin-Kreuzberg und hat Geldscheine in den Händen. Quelle: dpa
Eine Mutter hält beim Kochen ihr Kleinkind auf dem Arm. Quelle: dpa
Stromleitungen und Windkraftanlagen stehen vor dem Kohlekraftwerk in Mehrum (Niedersachsen) Quelle: dpa

Um bei den Jungen zu landen, muss die Geschichte bei den Alten beginnen. Bei Heinz Riesenhuber zum Beispiel. Als Alterspräsident eröffnete der 77-jährige CDU-Senior jüngst die Sitzungszeit des 18. Bundestags. Im Plenum sprach er auch zur Abgeordneten Dorothee Bär, 35, die grade noch zur CSU-Jugendtruppe Junge Union gehört. Bärs Oma, gleicher Jahrgang wie Riesenhuber, kümmert sich an Sitzungstagen öfter um die drei Kinder der Enkelin in Franken.

Die Alten helfen den Jungen. In der Politik sind die Junioren aber auch oft von Senioren umzingelt. „Die Älteren sind halt häufiger politisch aktiv“, sagt Bär. „Jüngere gehen auch seltener zur Wahl.“

Im Bundestag liegt das Durchschnittsalter der Abgeordneten bei etwa 50 Jahren. Bei den Wählern dominieren die Alten: Ein Drittel ist älter als 60, nur gut ein Viertel jünger als 40 Jahre alt. In den Parteien sieht es ähnlich aus: Das durchschnittliche SPD-Mitglied bringt es auf 59 Jahre, bei CDU und CSU sind es 57 und 60 Jahre.

Staatsverschuldung in Deutschland Quelle: Destatis

Das macht die jüngeren Ehrgeizigen wie Bär zwar sichtbar – zumal die CSU-Frau gerne in Pink oder Lila daherkommt. Doch die Älteren haben mehr Gewicht. Die Aufstrebenden legen es zudem nicht auf Konflikte an. Sie nennen es Vorsicht, andere würden es womöglich Feigheit nennen.

Die Unterhändler der Möchtegernkoalition aus Schwarzen und Roten wünschen sich zudem verwertbare Erfolge bis zur Wahl in vier Jahren. Doch Mütterrente oder Rente mit 63, ungedeckte Versprechen bei der Pflege und das Eingeständnis, die bereits angehäuften mehr als zwei Billionen Euro deutscher Staatsschuld doch nicht abzubauen, sprechen für wenig Weitblick. Die Folgelasten fallen erst in zehn Jahren an – oder eine Generation später.

Jüngere wie Bär, der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann, 36, oder die SPD-Abgeordnete Sabine Bätzing-Lichtenthäler, 38, müssten „Hier“ und „Stopp“ schreien in den Koalitionsrunden, in denen es viel ums Verteilen und wenig ums Aufsparen geht.

Wer viel verteilt, lässt weniger Geld und Chancen für Jüngere. Doch Generationengerechtigkeit ist kein Thema. Zu bequem scheint die wirtschaftliche Lage, zu angepasst wirken die nicht mehr ganz Jungen, die es schon fast an die Macht geschafft haben. Die Dreißiger aus Union und SPD geben sich pragmatisch und wirken oft beliebig.

Der Tübinger Juniorprofessor Jörg Tremmel hält die Durchschlagskraft der Jüngeren für zu gering. Der Befund des Politologen: „Deutschland ist schon eine Gerontokratie. Die Jüngeren können sich nicht durchsetzen, und die Interessen kommender Generationen werden nicht berücksichtigt.“ Tremmel definiert: „Generationengerecht wäre, Schulden abzubauen und Investitionen festzuschreiben.“ Stattdessen sei der Abbau der Staatsschulden verschoben. In der Sozial- wie in der Umweltpolitik hinterließen die Älteren mehr Lasten als Chancen.

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