Koalition SPD will mit Union über Regierungsbildung sondieren

Martin Schulz Quelle: dpa

Über Wochen hat die SPD mit sich gerungen, ob sie mit der Union über eine Regierungsbildung reden soll oder nicht. Nach viel Hin und Her sagen die Genossen Ja. Oder eher: Ja, aber.

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Nach langem internen Ringen hat sich die SPD-Spitze dafür ausgesprochen, nun doch Sondierungen mit CDU und CSU über eine Regierungsbildung aufzunehmen. Das beschloss der Parteivorstand am Freitag in Berlin, wie die Deutsche Presse-Agentur aus SPD-Kreisen erfuhr. Knapp drei Monate nach der Bundestagswahl kann damit eine neue Sondierungsrunde beginnen - nachdem die FDP die Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis hatte platzen lassen.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles erklärte: „Wir werden offen und konstruktiv in die Sondierungen gehen. Wir wollen über Politik sprechen, die das Leben der Menschen besser macht. Es geht darum, den Zusammenhalt zu stärken - in Deutschland und in Europa.“

Die Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will nur über eine „stabile Regierung“ verhandeln - und damit de facto alleine über eine große Koalition. SPD-Chef Martin Schulz hatte den SPD-Mitgliedern aber beim jüngsten Bundesparteitag zugesichert, auch über Optionen wie die Tolerierung einer Minderheitsregierung Merkels zu verhandeln.

Dabei würde die SPD keine Minister ins Kabinett schicken und Merkel nur bei bestimmten Projekten unterstützen. Eine weitere Idee ist eine Art „Koalition light“, mit SPD-Ministern in der Regierung. Bei der sogenannten Kooperations-Koalition („Koko“) würden nur wenige gemeinsame Projekte in einem knappen Koalitionsvertrag vereinbart - daneben könnte jede Seite eigene Projekte mit anderen Parteien und Mehrheiten im Bundestag durchsetzen. Die Union lehnt dies ab.

Schulz hatte nach der Bundestagswahl am 24. September und dem Aus der Jamaika-Sondierungen zwei Mal den Gang in eine große Koalition ausgeschlossen. Er begründete das mit den herben Verlusten der SPD bei der Bundestagswahl, als die Partei nur noch auf 20,5 Prozent kam. Nach mahnenden Worten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier machte aber jedoch eine 180-Grad-Kehrtwende und signalisierte Bereitschaft zu Gesprächen mit der Union.

In der SPD gibt es jedoch große Widerstände gegen eine Neuauflage der großen Koalition. Schulz musste sich daher zunächst - mit einiger Kraftanstrengung - beim Bundesparteitag vor wenigen Tagen ein Mandat der Basis für Gespräche mit der Union abholen.

Mit dem Ja des SPD-Vorstands können nun mehrere Sondierungsrunden starten. Es ist unklar, ob die Union bereit ist, auch über die Modelle jenseits einer festen großen Koalition zu verhandeln.

In den Sondierungen würde beide Seiten dann wichtige Kernprojekte und Kompromisse vereinbaren. Über die Aufnahme konkreter Koalitionsverhandlungen müsste ein Sonderparteitag der SPD Mitte/Ende Januar entscheiden - und über einen Koalitionsvertrag dann noch die rund 440 000 Mitglieder. Eine neue Regierung wird wohl erst im Frühjahr stehen. Sollten alle Bemühungen zur Regierungsbildung scheitern, könnte es zu einer Neuwahl kommen.

Einstimmiger Beschluss von SPD-Vorstand für Sondierung

Der Beschluss des SPD-Parteivorstands zur Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit CDU und CSU ist nach Angaben von Fraktionschefin Andreas Nahles einstimmig gefallen. "Jetzt geht es um Inhalte, und dann entscheidet der Parteitag im Januar, wie es weitergeht", erklärte Nahles am Freitag. Die SPD werde offen und konstruktiv in die Sondierungen gehen und über Politik sprechen, die das Leben der Menschen verbessere. Der Zusammenhalt in Deutschland und Europa müsse gestärkt werden.

Laschet setzt nach SPD-Votum auf Verhandlungsergebnisse Ende Februar

CDU-Vize Armin Laschet hofft nach dem Votum der SPD für Sondierungen darauf, dass mögliche Koalitionsverhandlungen bis Ende Februar abgeschlossen werden können. "Das ist ein sehr gutes Signal, dass die SPD, die sich ja anders festgelegt hatte, jetzt auch dem Appell des Bundespräsidenten folgt und ihrer Verantwortung gerecht wird und bereit ist, in Gespräche über die Bildung einer künftigen Bundesregierung einzutreten", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. Deutschland müsse nun "schnell komplett handlungsfähig" werden. "Deshalb wünsche ich mir, das im Januar konkrete Koalitionsverhandlungen möglichst mit einem Ergebnis bis Ende Februar möglich werden."

Der CDU-Politiker stellte in Aussicht, gegebenenfalls schon während der Sondierungen konkrete Gesetzesvorhaben der SPD anzugehen. "Einem potenziellen Koalitionspartner kann man vielleicht auch bei Themen, die ihm wichtig sind, entgegenkommen", sagte Laschet. Die SPD müsse dies benennen. So könnten die Parteien schon während der Sondierungen signalisieren: "Wir meinen das ernst, wir trauen uns gegenseitig, und wir wollen die nächsten vier Jahre gestalten." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte etwa gefordert, dass Union und SPD im Bundestag ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit umsetzen.

Laschet lehnte eine Bürgerversicherung wie sie die SPD fordert ab. Man könne aber an Benachteiligungen arbeiten, wenn zum Beispiel privat Versicherte beim Arzt vorgezogen würden. "Da kann man über weitere Verbesserungen sicher nachdenken, um das Ärgernis, das es manchmal gibt, abzubauen", sagte der CDU-Vizechef.

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