Koalition und die Wirtschaft Was sich Unternehmen von Jamaika versprechen

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Mehrere Konfliktfelder

Die Forderung nach einer Senkung der Unternehmenssteuern ist bereits von mehreren Ökonomen, zuletzt Clemens Fuest, erhoben worden. Die Ankündigung des US-Präsidenten, die Belastung für eigene Unternehmen auf 20 Prozent zu senken, und ähnliche Pläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron scheinen diese Forderung zu stützen. Oberndörfer glaubt allerdings nicht, dass dieses Thema für Unternehmen und Politik erste Priorität hat. „Solange die Wachstumsraten der deutschen Wirtschaft so bleiben wie sie sind, erwarte ich nicht, dass die künftige Regierung die Unternehmenssteuern hierzulande reduzieren wird, nur weil Trump eine radikale Senkung in Aussicht stellt. Schließlich geht es da um das Rückgrat des Sozialstaats.“

von Marc Etzold, Max Haerder, Elisabeth Niejahr, Thomas Schmelzer

Nicht in die Haare kriegen werden sich die Koalitionäre auch bei einem Thema, das den meisten Unternehmen in Deutschland besonders wichtig ist. „Die Digitalisierung“, so erwartet Oberndörfer, „dürfte in jedem Fall angepackt werden, egal, welche Koalition am Ende regieren wird – damit würden Breitbandausbau und Digitalisierung der staatlichen Verwaltung weiter vorangetrieben.“ Den Unternehmen sei ein einfacherer Umgang mit Behörden im Rahmen der Digitalisierung wichtig. Dem Ziel werde sich kein Koalitionär in den Weg stellen. Die FDP hat das Once-Only-Prinzip sogar in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Das bedeutet: Wenn Unternehmen und Bürger Informationen einmal weitergegeben haben, sollen die Behörden in ihrem Auftrag auch für die Weitergabe an weitere relevante Stellen sorgen – unter Wahrung des Datenschutzes.

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Im Bezug auf das wohl größte und wichtigste ökonomische Projekt der Gegenwart, die Energiewende sei den Unternehmen das langfristige Ziel wichtig, dass ein Energieträger nicht dauerhaft durch Subventionen erhalten werde, sondern sich selbst finanzieren können soll. Diese Interessen dürften beim Koalitionspartner FDP am besten aufgehoben sein. Noch wichtiger allerdings dürfte den Unternehmen, gerade den besonders energieintensiven Branchen, aber sein, dass grundsätzlich Planungssicherheit herrscht. An einem neuen Aufbrechen ideologischer Gräben in der Energiepolitik gibt es vermutlich auch in den Jamaika-Parteien kein Interesse. 

Ein Feld, das für eine künftige Jamaika-Koalition dagegen konfliktreich sein dürfte, sie vielleicht sogar sprengen könnte, ist die Europa-Politik. Während Lindners FDP jede Vergemeinschaftung von Schulden und die Schaffung neuer europäischer Geldtöpfe strikt ablehnt, begrüßen die Grünen dementsprechende Vorschläge des französischen Präsidenten. „Deutsche Unternehmen sehen die Europa-Politik nüchtern“, sagt Oberndörfer. „Sie schätzen natürlich den Binnenmarkt und die Beständigkeit der EU. Aber die Gefahr des Auseinanderdriftens von Haftung und Entscheidung in der EU ist real. Kein deutsches Unternehmen will in Haftung genommen werden für Entscheidungen, die in Italien oder Griechenland fallen und die man nicht beeinflussen kann.“ Auf diesem Feld könnte sich die Jamaika-Koalition, wenn die FDP nachgibt und man Macron allzu weit entgegenkäme, doch noch den Unmut der deutschen Wirtschaft zuziehen. Vielleicht werden dann die Grünen auch wieder zum Schreckgespenst der deutschen Unternehmer.

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