




Vor dem Treffen der Parteichefs von Union und SPD hat der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer Einigungsbereitschaft beim gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro signalisiert. „Wir wollen die Idee des Mindestlohns nicht infrage stellen“, sagte der bayerische Ministerpräsident dem „Handelsblatt“. Seehofer pochte aber darauf, Praktikanten und Ehrenamtliche, die eine Aufwandsentschädigung erhalten, auszunehmen.
Es sei sinnvoll, in das Gesetz hineinzuschreiben, dass der Mindestlohn nur bei Arbeitsverträgen gelte. Die CSU verlangt aber nicht mehr, Rentner vom Mindestlohn auszunehmen. Der Unions-Wirtschaftsflügel verlangt 21 statt 18 Jahre als Altersgrenze für die Lohnuntergrenze. Am Dienstagabend (19.30 Uhr) wollten Seehofer, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel zu einem Dreiertreffen im Bundeskanzleramt zusammenkommen. Damit findet wie schon im Februar erneut kein Koalitionsausschuss von Union und SPD statt. „Die Koalitionspartner treffen sich regelmäßig zu Koalitionsgesprächen im Koalitionsausschuss“, heißt es im Koalitionsvertrag - die Besetzung ist bisher aber offen. In der Regel nehmen daran noch unter anderem die Bundestagsfraktionsvorsitzenden und die Generalsekretäre teil.
Zündstoff bietet die Energiewende. Vor dem Treffen hatte Seehofer eine der drei geplanten Strom-„Hauptschlagadern“ offen in Frage gestellt. Die Ost-Süd-Leitung soll von Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) Wind- und Braunkohlestrom nach Meitingen in Bayern bringen. „Da sehe ich kaum noch Realisierungschancen, weil wir sie nicht brauchen“, meinte Seehofer. Allerdings hatte Bayern 2013 im Bundesbedarfsplangesetz dem Bau der Leitung zugestimmt. Derzeit wird geprüft, ob sich durch die geplante Drosselung beim Ökostrom-Ausbau Veränderungen beim Bedarf an neuen Höchstspannungstrassen ergeben.
In diesen Tagen entscheidet sich zudem, mit welchen Mehrbelastungen die deutsche Industrie wegen des Vetos der EU-Kommission gegen das bisherige System der Rabatte bei den Energiewende-Kosten rechnen muss. Knapp 2100 deutsche Unternehmen erhalten 2014 Vergünstigungen von 5,1 Milliarden Euro bei den Kosten für den Ökostrom-Ausbau. Firmen mit sehr hohem Stromverbrauch zahlen 0,05 Cent Ökostrom-Umlage pro Kilowattstunde, die Bürger aber 6,24 Cent. Die Kosten schultern die anderen Verbraucher über den Strompreis. Merkel, Seehofer und Gabriel fürchten ohne Einigung massive Folgen für Industrie-Jobs.
Beim Mindestlohn dürfte es noch ein hartes Ringen um den Grad der Ausnahmen geben - etwa für Langzeitarbeitslose. Bei ihnen gelte es „darauf zu achten, dass sie wieder eine Chance bekommen, ein geregeltes Arbeitsverhältnis zu finden“, so Seehofer. Deshalb sollten diese Menschen „in der Anlernphase zeitlich befristet unterhalb des Mindestlohns bezahlt werden können“. Er kündigte an, dass die CSU auf die Forderung verzichte, Rentner aus der Regelung herauszunehmen. „Rentner wollen zu Recht keine altersbezogene Unterscheidung.“ Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) ist bei Jugendlichen für eine höhere Altersgrenze als 18 Jahre. „Fast 60 Prozent der Jugendlichen sind älter als 18 Jahre, wenn sie eine Ausbildung beginnen. Das spricht dafür, die Altersgrenze heraufzusetzen“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Christian von Stetten betonte in der „Rheinischen Post“ (Dienstagausgabe): „Eine Altersgrenze von 21 Jahren beim Mindestlohn ist das Mindeste.“ SPD-Vize Ralf Stegner betonte hingegen in der „Bild“-Zeitung: „Beim Mindestlohn wird es mit der SPD keinen Schweizer Käse geben.“
Seehofer sieht den Start der großen Koalition wegen der Turbulenzen nach Bekanntwerden der Kinderpornografie-Ermittlungen gegen den Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy insgesamt kritisch. „Wir wollten keinen Fehlstart hinlegen, jetzt ist uns die Edathy-Affäre dazwischen gekommen“, sagte er dem „Handelsblatt“. Zugleich betonte er: „Wir haben immer gesagt, dass die Koalition so schnell wie möglich wieder aufs Gleis kommen muss“ - dies sei nun geschehen. Er sei sich sicher, dass „über unsere Reformprojekte Energiewende, Rente mit 63 und Mindestlohn“ Vertrauen wieder aufgebaut werde. Die Arbeit von Merkel bezeichnete er als „ausgezeichnet“, die von Vizekanzler Gabriel (SPD) als „recht gut - mit einer kleinen Delle durch die Edathy-Affäre.“