Koalitionsgipfel zu Flüchtlingen Nur ein kleiner Durchbruch

Zwar einigt sich die Koalition in der Nacht bei den Streitthemen Flüchtlingsintegration und Anti-Terrorkampf, ein großer Wurf gelingt jedoch nicht. Und auch bei anderen Fragen geht das Tauziehen weiter. Eine Analyse.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Koalitionsspitzen sind sich in der Nacht nähergekommen – thematisch. Allerdings nicht bei allen Streitthemen. Quelle: dpa

Berlin Fast sieben Stunden brauchten die Spitzenpolitiker von CDU, CSU und SPD, ehe sie am frühen Donnerstagmorgen ein Ergebnis verkünden konnten. Allein die Dauer spricht nicht für leichte Verhandlungen. Offenbar haben aber die schlechten Umfragewerte der Koalitionsparteien und die Wahlerfolge der AfD bei den Landtagswahlen Mitte März die Große Koalition zur Einigung gezwungen. In Koalitionskreisen hatte es vor dem Treffen geheißen, man könne es sich nicht leisten, beim drängenden Thema Flüchtlinge keine Ergebnisse vorzuweisen.

Die Verständigung in der Flüchtlingspolitik setzt auf eine Kombination aus Fördern und Fordern. So sollen für Asylbewerber mit Ansprüchen auf Leistungen aus Bundesgeldern 100.000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten oder Ausreisepflichtige sollen diese Arbeitsgelegenheiten nicht wahrnehmen dürfen. Um Unklarheiten bei der Aufenthaltsgenehmigung zu vermeiden, soll der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsleistungen an einen Ankunftsnachweis geknüpft werden.

Wenn Schutzsuchende eine Ausbildung machen, soll für die gesamte Dauer der Ausbildung eine Duldung gelten. Bei Asylbewerbern und Geduldeten soll für einen Zeitraum von drei Jahren die Vorrangprüfung entfallen, wonach zunächst einem deutschen oder europäischen Staatsbürger der Job angeboten werden muss.

Bei bestimmten Integrationsmaßnahmen soll die Pflicht zur Mitwirkung gesetzlich vorgeschrieben werden. Eine Ablehnung oder der Abbruch solcher Maßnahmen ohne wichtigen Grund soll zur Einschränkung von Leistungen führen. Verlassen Schutzberechtigte unerlaubt den ihnen zugewiesenen Wohnsitz, soll dies spürbare Konsequenzen haben. Wartezeiten von bisher drei Monaten auf einen Integrationskurs will die Koalition auf sechs Wochen verkürzen.

Die Maßnahmen sollen den Ministerpräsidenten der Länder am 22. April erörtert werden, am 24. Mai sollen sie bei einer Kabinettsklausur im Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg beschlossen werden.

Auch im Anti-Terror-Kampf gab es eine Einigung. Die Große Koalition verständigte sich darauf, den Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse, Geld und Personal zu geben. Wie aus dem in der Nacht auf Donnerstag bekannt gewordenen Maßnahmenpaket hervorgeht, müssen sich die Telekommunikationsanbieter auf neue Verpflichtungen bei der Kooperation mit Sicherheitsbehörden einstellen.


Daten sollen fünf Jahre lang nutzbar sein

Bei der Geheimdienst-Kooperation sollen das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Auslandsgeheimdienst BND mit Diensten aus verbündeten europäischen und Nato-Staaten sowie mit Israel leichter Daten austauschen können.

Voraussetzung sei ein klar definierter Zweck des Austauschs und ein begrenzter Anwendungsbereich. Gemeinsame Daten von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden sollen zum Zwecke der Analyse fünf Jahre und damit länger als bisher nutzbar sein.

Verurteilte Unterstützer einer „terroristischen Vereinigung“ sollen unter eine „Führungsaufsicht“ gestellt werden können. Um die Schleuserkriminalität zu bekämpfen, soll die Bundespolizei zudem stärker als bislang verdeckte Ermittler einsetzen dürfen.

Die Große Koalition will mit den Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik und im Anti-Terror-Kampf Entschlossenheit demonstrieren. Die Zeit drängt: Gesetze, die vor der Sommerpause nicht beschlossene Sache sind, haben mit dem aufziehenden Bundestagswahlkampf in der zweiten Jahreshälfte nur noch wenig Chancen.

Unklar blieb am Donnerstagmorgen zunächst, ob die Spitzen der Koalition eine Annäherung bei der Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen oder bei der Förderung von Elektroautos erzielen konnten. Schlecht steht es offenbar um die Lösung der Meinungsverschiedenheiten bei der Erbschaftsteuer. Es seien weitere Gespräche mit der SPD notwendig, hieß es aus Unionskreisen.

Aber vielleicht ist ja auch in diesen noch strittigen Fragen eine Lösung in Sicht. Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel wollen sich am heutigen Donnerstag um 12 Uhr zu den Ergebnissen der Nachtsitzung äußern. Möglicherweise sind sie bis dahin in einzelnen Fragen ja noch einen Schritt weiter gekommen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%