4. Zuwanderung
Für die CSU ist die Obergrenze ein Schlüsselthema. Zwar sind führende Politiker aus Bayern davon abgerückt, eine unverrückbare Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr als rote Linie zu definieren. Aber sie fordern Maßnahmen, die Einwanderung de facto auf dieser Höhe begrenzen. Die Grünen warnen davor, dass das grundgesetzliche Recht auf Asyl nicht eingeschränkt werden dürfe. Und sie fordern den Familiennachzug.
CSU und Grüne liegen hier also noch weit auseinander. Möglicherweise könnten die Liberalen als Schlichter agieren. Sie liegen nämlich mit ihrer Position in etwa in der Mitte. Das Asylrecht wollen sie im Prinzip aufrechterhalten und wie die Grünen fordern sie ein Einwanderungsgesetz. Gleichzeitig halten sie „ein System der Begrenzung und Kontrolle“ (so FDP-Chef Christian Lindner) für eine Voraussetzung. Erst dann könne man beim Familiennachzug offener sein.
Die FDP-Position könnte der Fahrplan für die nächste Sondierungsrunde zum Thema Migration sein: Staatliche Kontrolle als Voraussetzung, um eine humane Asylpolitik zu ermöglichen. Auch schnellere Asylverfahren dürfte bei allen Parteien unstrittig sein. Wenn man das europäische Dublin-System konsequent auslegt, müssten Flüchtlinge dort bleiben, wo sie ihren ersten Asylantrag gestellt haben. Dies sind Eckpunkte, auf die sich alle Parteien ohne Gesichtsverlust verständigen könnten. Sie fordern im Prinzip die Einhaltung und Durchsetzung geltenden Rechts. Die Einwanderung würde deutlich reduziert.
Gleichzeitig behielte Deutschland ein soziales Antlitz, wenn man jenen, die hierzulande berechtigt Schutz suchen, die Möglichkeit gibt, ihre Familienangehörigen nachzuholen. Und wenn eine Begrenzung mit einer konkreten Zahl nicht Teil des Koalitionsvertrages würde.
5. Familienpolitik
Auch beim Thema Familie wird es schwierig. Zwar wollen alle beteiligten Parteien Eltern und Kinder stärker unterstützen - aber nicht alle denken dabei an die gleichen Haushalte, und auch über den richtigen Weg gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Die Union will mit einem Baukindergeld diejenigen Familien unterstützen, die Immobilien erwerben, wohingegen die Grünen Geld für Armutsbekämpfung ausgeben wollen und vor allem an Alleinerziehende und Hartz-IV-Kinder denken.
Besonders umstritten ist der Wunsch der CSU, die Mütterrenten zu erhöhen - für Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Das kostet Milliarden und nützt zudem vielen, die im Alter gut versorgt sind. Auch das Ehegattensplitting, das steuerliche Vorteile für Verheiratete mit unterschiedlichen Einkommen bringt, ist ein Streitthema. Die Grünen wollen Reformen und Steuervorteile stärker auf Familien mit Kindern ausrichten. Union und FDP wollen keine Änderungen - obwohl die CDU selbst schon auf vielen Parteitagen die Einführung eines Familiensplittings gefordert hat.
Ein Kompromiss könnte aus zwei Teilen bestehen: Eine künftige Jamaika-Koalition müsste mehr Geld in hochwertige Ganztagsbetreuung investieren, auch in Personal für Kitas mit langen Öffnungszeiten. Das ermöglicht mehr Alleinerziehenden, berufstätig zu sein.
Bei diesem Ziel könnten sich die Grünen vermutlich schnell verständigen mit der FDP, die Bildung ja im Wahlkampf zum wichtigsten Thema erklärt hatte. Und dann müssten in verschiedene Projekte weitere Mittel fließen: Der künftige Finanzminister könnte das Baukindergeld für Einkommensschwache zahlen - und gleichzeitig den sogenannten Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende erhöhen. Das ist Geld, das Eltern bekommen, deren Partner keinen Unterhalt zahlt.