Die Weiterentwicklung solcher Instrumente könnte ein Hebel sein, auf den sich alle Parteien verständigen könnten. Keiner der sondierenden Politiker bezweifelt schließlich den durch CO2 verursachten Klimaschaden. Also sollten sie bereit sein, dem Klimaschädiger ein Preisschild anzuhängen.
Fünf Gründe, warum Klimaschutz in Jamaika-Gesprächen so heikel ist
Im Wahlkampf hat die Ökopartei stark auf ihren Markenkern gesetzt. Nun muss sie liefern, sonst droht das Veto der Basis - oder die Quittung bei der nächsten Bundestagswahl. Das wissen die anderen Verhandlungspartner auch. Sie könnten es nutzen und den Preis etwa für einen Kohleausstieg möglichst hoch treiben, so dass die Grünen an anderer Stelle Zugeständnisse machen müssen. Klimaschutz werde „ganz besonders schwierig“, nahm Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt schon als ein Resultat aus der ersten großen Sondierungsrunde mit.
Damit sie mit ihren Forderungen nicht gegen eine Wand laufen, haben die Grünen sich eine Strategie ausgedacht: „Es kann keine Arbeitsteilung geben, die so aussieht: Die Grünen machen Vorschläge und die anderen arbeiten sich daran ab, aber machen keine eigenen Vorschläge“, hat Parteichef Cem Özdemir erklärt. Von allen müsse was kommen. Wer die besseren Ideen habe, darüber könne man dann streiten.
Angela Merkel hat - oder hatte - den Beinamen Klimakanzlerin. Sie hat das Pariser Klimaabkommen und einen Klimaschutzplan mit verabschiedet. Der sieht vor, dass Deutschland bis 2030 seinen Treibhausgas-Ausstoß um 55 Prozent mindert im Vergleich zu 1990. Dann ist da noch das 2020-Ziel - das fällt in diese Legislaturperiode. Bis dahin soll der Treibhausgas-Ausstoß um 40 Prozent runter. Das Ziel ist von 2007, damals regierte Merkel mit der SPD. Schwarz-Gelb bekräftigte es im Koalitionsvertrag 2009. Aber erst vor zwei Wochen belegte das Umweltministerium (mal wieder), dass das Nahziel nur mit umfassenden zusätzlichen Maßnahmen noch zu halten ist.
International ist Klimaschutz ein großes Thema. 2015 bejubelten Klimaschützer weltweit das Abkommen von Paris, 2017 gingen sie mit US-Präsident Donald Trump ins Gericht, weil er es aufkündigen will. Von 6. November an werden in Bonn bis zu 25 000 Teilnehmer der nächsten Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen erwartet. Die Präsidentschaft hat Fidschi, aber Deutschland ist Gastgeberland - und damit noch stärker als sonst im Fokus der internationalen Klima-Diplomatie.
Zwar ist die Zahl derjenigen, die in der Braunkohleindustrie arbeiten, stark zurückgegangen. Nach Angaben der Bundesverbands Braunkohle und einem neuen Gutachten im Auftrag der Grünen-Fraktion sind es aber noch rund 20 000. Vor allem das Rheinland und die Lausitz trifft es, wenn die Jobs wegfallen.
Beim Klimaschutz geht es nicht nur um Kohle - allerdings ist schon das extrem kompliziert. Ökostrom-Ausbau, Stromnetze, EEG-Umlage, Einspeisevorrang für Erneuerbare, europäischer Emissionshandel sind nur ein paar Stichworte. Dazu kommen Gebäudesanierung, Heizungen, Benzin- und Dieselmotoren und die Kraftstoffsteuern, Industriesubventionen und die Landwirtschaft. Aus alldem ein Gesamtpaket zu schnüren, ist eine echte Mammut-Aufgabe.
Union und FDP hätten damit ihr Ziel erreicht, dass hoch effiziente Diesel- und Benzinerfahrzeuge weiterhin attraktive Produkte bleiben können. Die Grünen wiederum könnten verbreiten, dass ihre Politik dazu führen wird, dass Elektroautos immer attraktiver werden und der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor nur eine Frage der Zeit ist. Ohnehin dürfte vielen klar sein: Sobald das Reichweitenproblem bei den Elektroautos gelöst ist, werden sich Stromer automatisch durchsetzen. Weil E-Autos mehr Spaß machen.
3. Kohleausstieg
Ein Klimakonsens der Jamaika-Regierung dürfte die wohl langwierigsten Verhandlungen erfordern. Die Grünen wollen raus aus der Kohle. Die 20 dreckigsten Kraftwerke wollen sie so schnell wie möglich abknipsen. 2030 soll es gar keins mehr geben. Union und FDP lehnen das ab. Sie liebäugeln mit langfristig preiswerter Energie. Dazu gehöre auch der Beitrag der Braunkohlekraftwerke.
Worüber FDP und Grüne streiten werden
Die Grünen wollen der Autoindustrie nicht nur das Ende des Diesels, sondern den kompletten Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2030 vorschreiben. Cem Özdemir hatte das vor den Wahlen als Bedingung für eine Koalition genannt.Noch deutlicher als die Unionsparteien hat sich die FDP aber gegen jegliche „staatliche Investitionslenkung“ ausgesprochen.
Die Grünen wollen erneuerbare Energien noch schneller als bislang ausbauen und zügig raus aus der Verbrennung von Kohle. Die FDP hat auch für die Energiewirtschaft die Stärkung des freien Wettbewerbs gefordert und glauben laut Wahlprogramm, "dass auf fossile Energieträger auf absehbare Zeit nicht verzichtet werden kann".
In der Steuerpolitik gibt es mehrere Gegensätze. Die FDP will deutliche Steuerentlastungen. Vor allem will sie den Solidaritätszuschlag schnell komplett abschaffen. Die Grünen wollen mit einer Steuerreform vor allem für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Die FDP will am Ehegattensplitting festhalten, die Grünen nicht.
Die Grünen wollen die von der SPD eingeführte Mietpreisbremse noch verschärfen. Die FDP dagegen will sie abschaffen, weil sie nicht die Preise, sondern vor allem die Investoren ausbremse. Sie will dagegen die Zersplitterung der bau- und wohnungspolitischen Kompetenzen in verschiedenen Ministerien beenden.
Die FDP will strengere Regeln und automatische Sanktionen für Länder der Eurozone, die die Stabilitätskriterien verletzen. jegliche Ausweitung der gemeinsamen Haftung für Schulden eines Staates lehnt sie ab. Die Grünen wollen die aktuellen Euro-Rettungsmechanismen in einen Europäischen Währungsfonds umwandeln, der durch das EU-Parlament kontrolliert wird. Die Europapolitik könnte der entscheidende Streitpunkt innerhalb der künftigen Regierung werden.
Aber immerhin: Alle Parteien bekennen sich zu dem Pariser Klimaabkommen. Dieses gemeinsame Ziel ist der Schlüssel zu einer gemeinsamen Klimapolitik. Dass die Stromproduktion aus Braunkohle mit seinen hohen CO2-Emissionen keine dauerhafte Zukunft hat, sehen auch Liberale und Konservative so. Bei der Union heißt es etwa: „Der langfristige Ausstieg aus der Braunkohle muss parallel zu einer konkreten neuen Strukturentwicklung verlaufen.“
Die FDP formuliert das ähnlich. Stefan Kapferer, Chef des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und damit Lobbyist auch der fossilen Stromproduktion, hatte jüngst auf einer Veranstaltung verkündet, dass ganz Deutschland klar sei: der Ausstieg komme. Die Frage sei eben nur, wie schnell. Kapferer ist FDP-Mitglied. Er nahm auch an Sondierungsgesprächen teil.
Alle Parteien sind sich also einig, dass die Zeit für die Braunkohle abläuft. Nun geht es also um einen sozialverträglichen Umbau der Stromproduktion. In Nordrhein-Westfalen und Brandenburg leben noch immer Tausende Arbeiter von der Kohleindustrie. Allein in der Lausitz bangen 8000 Menschen um ihren Job, sollte der Kohleausstieg beschlossen werden. In NRW sind es noch mehr. Ein staatlicher Fonds für die regionale Strukturhilfe dürfte daher bei allen Parteien gesetzt sein.
Strittig bleibt aber, bis wann ein Ausstieg aus der Kohle machbar und gewünscht ist. Die Liberalen liebäugeln mit der Weiterentwicklung des Emissionshandels als globales Klimaschutzinstrument. Dagegen hätten wohl auch Union und Grüne nichts. Aber die Durchsetzung bleibt schwierig, weil man dafür Partner in Europa bräuchte.
Eine Lösung könnte daher eine Verteuerung von CO2-Emissionen sein. Ex-Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte dafür mal eine Kohleabgabe ins Spiel gebracht, bis er unter dem Lobby-Druck der Gewerkschaften einbrach und sich für eine Kohlereserve aussprach. Doch das Konzept einer Kohleabgabe, die jede Tonne CO2 teurer macht, liegt bereits in der Schublade. Durchaus möglich, dass die FDP da mitzieht, denn so würden Kohlestrom nicht verboten, sondern lediglich verteuert. Auf diese Preisanreize könnte dann der Markt reagieren. Gegebenenfalls sogar mit hoch effizienten Kohlekraftwerken, die den wirtschaftlichen Betrieb weiter erlauben. Die Grünen könnten behaupten, ein Ende der Kohle eingeleitet zu haben. Und Union und FDP könnten auf die Innovationschancen der Industrie hinweisen.