Koalitionsverhandlungen CDU, CSU und SPD im Endspurt

Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD befinden sich auf der Zielgeraden. Lösungen bei zwei wichtigen Streitpunkten stehen aber noch aus.

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Die Koalitionsverhandlungen stehen vor dem Abschluss. Quelle: dpa

Berlin Nach der Einigung in der Migrationspolitik müssen sich die potenziellen Koalitionäre von Union und SPD letzten großen Streitpunkten zuwenden. Vor allem bei der Abschaffung der „Zwei-Klassen-Medizin“ und von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen stehen Lösungen noch aus.

Am Vormittag (10.00 Uhr) wollten sich Vertreter von CDU, CSU und SPD zunächst zu getrennten Vorbesprechungen treffen, bevor gegen 12.00 Uhr die 15er-Runde mit den Fach-Arbeitsgruppen über die Lösung verbliebener Konfliktpunkte verhandeln will. Später sollten abermals getrennte Beratungen stattfinden, bevor am Abend wieder die 15er-Runde tagen wollte.

Die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) rechnen mit schwierigen Gesprächen. Ob es – wie vorgenommen – bis Sonntag eine endgültige Einigung gibt, ist offen. Verhandlungskreise erwarten eine Verlängerung. Montag und Dienstag sind als Puffertage festgelegt.

„Es gibt Themen, bei denen wir auseinander liegen“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am späten Freitagabend. „Die entscheidenden Tage liegen jetzt vor uns.“ Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sprach von sehr guten Ergebnissen. „Es liegt noch ein sehr schweres Stück Weg vor uns. Aber wir machen es mit Optimismus.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, man werde sich am Samstag Themen vornehmen, die nicht nur den Koalitionären wichtig sind, sondern vor allem den Bürgerinnen und Bürgern. Dazu gehörten etwa Kommunen und die Wohnungspolitik. Jeder sei bestrebt, es bis Sonntag zu schaffen, er könne aber nicht sagen, ob das klappe.

Die drei Politiker äußerten sich nach der ersten Sitzung der großen Runde von 91 Unterhändlern. Diese räumten einen der letzten großen Streitpunkte in der Migrations- und Flüchtlingspolitik ab. Dabei ging es um die Auslegung eines Maximalwerts für die Zuwanderungszahlen. SPD-Vize Ralf Stegner teilte am Abend mit, der Dissens sei beendet. Es bleibe bei den Formulierungen aus dem Sondierungspapier.

Im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe „Migration und Integration“ heißt es nun wie im Sondierungspapier, Union und SPD stellten fest, dass die Zuwanderungszahlen „die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden“. Die SPD wollte in der AG diesen Passus zuletzt in die Formulierung ändern, man stelle fest, „dass beim jetzigen Kenntnisstand zu erwarten ist, dass die Zuwanderungszahlen (...) für die nächsten Jahre bei jährlich insgesamt ca. 180.000 bis 220.000 liegen werden“.

Die SPD legt Wert darauf, dass das eine beschreibende Formulierung ist und keine „Obergrenze“. Eine solche Grenze habe die SPD nicht akzeptiert, sagte Stegner. Das Asylrecht werde nicht begrenzt. Die Unionsführung habe nun zugesagt, auf „irreführende Öffentlichkeitsarbeit“ zu verzichten.

Einigen konnten sich die Parteien noch in weiteren Punkten, etwa bei der Unterstützung von Familien. Eingeführt werden sollen unter anderem Gutscheine für Haushaltshilfen. Für Mieter soll es einen besseren Schutz davor geben, über teure Sanierungen aus der Wohnung gedrängt zu werden.

Auch der Verbraucherschutz bei digitalen Angeboten soll erweitert werden. Bei Buchungs- und Vergleichsplattformen solle mehr Transparenz etwa über die Gewichtung von Ergebnissen und Provisionen geschaffen werden, heißt es in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Entwurfspapier der Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen. Algorithmen, nach denen viele Internetdienste funktionieren, sollen überprüfbar gemacht werden - etwa mit Blick auf Benachteiligungen unterschiedlicher Nutzer.

Nach milliardenschweren Verständigungen bei Bildung und Rente kamen die Unterhändler zudem in der Wirtschafts-, Gesundheits-, Verkehrs- und Innenpolitik voran. Sollten Union und SPD zueinander finden, muss noch die SPD-Basis über den Koalitionsvertrag abstimmen.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, rief die Sozialdemokraten zu Kompromissbereitschaft auf. Aufgabe der Gewerkschaften sei es, im Arbeitnehmerinteresse Einfluss zu nehmen, sagte Bsirske den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Samstag). Das Sondierungsergebnis habe sicherlich Schwächen, aber es enthalte auch viele Punkte, die positiv seien und nicht ignoriert werden dürften. Er verfolge die Debatten in der SPD sehr genau. „Wunschlisten sind schön und gut. Aber es wäre gut, sich in Erinnerung zu rufen, dass es hier nicht um die Formulierung des Programms einer SPD-Alleinregierung geht“, so Bsirske.

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sprach sich in der „Welt am Sonntag“ dafür aus, dass die Union im Falle einer großen Koalition erneut das Bundesfinanzministerium beanspruchen sollte.

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