Koalitionsverhandlungen CDU und CSU ringen um Linie für Jamaika

Wenn Schwestern sich streiten: CDU und CSU suchen nach der Wahlschlappe für die Union einen gemeinsamen Kurs für die Zukunft. Wie weit der in die konservative Richtung einschlägt, ist offen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) stehen am 22.09.2017 in München. Quelle: dpa

Zwei Wochen nach der Bundestagswahl ringen CDU und CSU um eine konservativere Ausrichtung vor Jamaika-Verhandlungen mit Grünen und FDP. Dazu trafen die Parteispitzen um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer am Sonntag in Berlin zusammen. Seehofer dringt - auch angesichts der Wahlerfolge der AfD - auf eine konservative Rückbesinnung der Union. Bei dem Gespräch sollte auch der Streit über eine Obergrenze für Flüchtlinge eine zentrale Rolle spielen.

Die Union war bei der Wahl am 24. September zwar stärkste Kraft geworden, hatte aber starke Verluste erlitten und mit 32,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt eingefahren. Nachdem sich die SPD auf eine Oppositionsrolle festgelegt hat, will Merkel mit FDP und Grünen über ein Bündnis verhandeln. Die CDU-Chefin hatte am Samstag erstmals offiziell Jamaika-Gespräche angekündigt.

Die Runde im Konrad-Adenauer-Haus stellte sich am Sonntag auf Gespräche bis tief in die Nacht ein. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte zu den wartenden Journalisten: „Habt Ihr Eure Schlafsäcke dabei?“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte über die Erfolgsaussichten des Treffens: „Wir arbeiten zielorientiert.“ Ob es schon eine Lösung noch am Sonntag geben könnte, ließ er offen.

Der Zehn-Punkte-Plan der CSU für die Kursdebatte mit der CDU

Auf die Frage, ob die Schwesterparteien vor der schwierigsten Situation seit ihrem Kreuther Trennungsbeschluss von 1976 stünden, antwortete Herrmann: „Es ist eine nicht ganz einfache Situation.“ Die CSU sei mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden. Klar sei aber auch, „dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben, eine möglichst stabile Regierung für die Deutschland zu bilden“. Mit der CDU müsse es aber zunächst eine Einigung bei der Begrenzung der Flüchtlingszahlen geben. Die CSU sei auch offen für Gespräche mit den Grünen, sagte Herrmann. Zwischen den Wahlprogrammen gebe es aber „nur eine begrenzte Schnittmenge“.

Im Zentrum des Streits unter den Unions-Schwestern steht die von Seehofer verlangte Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr. Merkel lehnt eine Begrenzung strikt ab, auch mit den Grünen dürfte das in den Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis nicht durchzusetzen sein. In einem Zehn-Punkte-Plan fordert Seehofer eine Hinwendung zu klassisch konser.ativen Themen wie Leitkultur und Patriotismus, um die gesamte Union auf einen konservativeren Kurs zurückführen.

In dem Papier ist der umstrittene Begriff Obergrenze ohne Nennung einer konkreten Zahl in einer Art Überschrift enthalten. Im erklärenden Text wird dann von „Begrenzung“ gesprochen. Ob dies eine Brücke für einen Kompromiss zwischen Merkel und Seehofer sein könnte, blieb zunächst unklar.

Der frühere CSU-Chef Erwin Huber kritisierte die Vorlage des Zehn-Punkte-Plans als „stillos und sinnlos“: „Das ist eine Halbstarken-Methode, vorher noch die Muskeln spielen zu lassen. Wir haben große Verluste bei den Wählerstimmen, wir sollten mit mehr Demut in die Gespräche gehen“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) verteidigte am Sonntag das im Grundgesetz festgelegte Recht auf Asyl. „Ein Einwanderungsgesetz alleine wird nicht dazu führen und wird vor allen Dingen keine Gewähr sein dafür, dass wir keine humanitäre Zuwanderung haben“, sagte die CDU-Politikerin zum Abschluss des „Deutschlandtags“ der Jungen Union in Dresden. Das auszusprechen sei der Unterschied zu populistischen Parteien. Man stehe zum Recht auf Asyl. Zudem habe man sich in der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet. Das bedeute aber nicht, dass man Punkte, die nicht funktionierten - etwa bei der Registrierung und der Begrenzung der Zuwanderung - nicht verbessern könnte.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer machte eine Jamaika-Koalition auch vom Klärungsprozess innerhalb von CDU und CSU abhängig. Die FDP könne kein „Stützrad“ einer Politik mehr sein, in der es keine größeren Zukunftsvisionen abseits der Tagespolitik gegeben habe, sagte Beer auf dem Bundeskongress der Jungen Liberalen in Jena. Eine mögliche Regierungsbeteiligung der Liberalen hänge auch davon ab, ob CDU, CSU, Grüne und FDP „ein Projekt des Aufbruchs“ installieren könnten.

Die Grünen fordern von der Union ein baldiges Signal zur Aufnahme von Jamaika-Sondierungen. „Die Sondierungsgespräche, die schwer genug werden, müssen spätestens nach der Niedersachsenwahl beginnen“, erklärte Parteichef Cem Özdemir am Sonntag. „Ich kann ja verstehen, dass sich CDU und CSU nach dieser Wahlschlappe erst noch finden müssen, aber die Union darf die schwierige Regierungsbildung nicht wochenlang blockieren.“ Die drängenden Probleme würden nicht warten.

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