Koalitionsverhandlungen GroKo-Verhandlungen gehen in Verlängerung

Der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz spricht bei den Koalitionsverhandlungen in der SPD-Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus, zu den Medienvertretern. Quelle: dpa

Eine lange Nachtsitzung wollten sich Union und SPD ersparen, deshalb wird Montag weiterverhandelt. Noch sind ein paar dicke Bretter zu bohren, der angestrebte Koalitionsvertrag lässt noch ein bisschen auf sich warten.

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CDU, CSU und SPD machen es zum Ende ihrer Koalitionsverhandlungen noch einmal spannend: In kurzer Folge präsentierten die Unterhändler am Sonntag Ergebnisse in den Bereichen Wohnen, Mieten und Digitalisierung. Bei den Knackpunkten Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik gab es hingegen noch keinen Durchbruch - die Entscheidung über einen neuen Koalitionsvertrag wurde auf Montag vertagt. Die Gespräche sollen um 10.00 Uhr in der SPD-Zentrale fortgesetzt werden.

Man wolle am Montag gründlich und konzentriert über die Themen reden, bei denen die Parteien noch weit auseinander lägen, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Sonntagabend in Berlin. Zu den noch ungelösten Knackpunkten gehören zwei Themen, die den Sozialdemokraten besonders am Herzen liegen: sachgrundlos befristete Arbeitsverträge und die Ungleichbehandlung von Kassen- und Privatpatienten.

Zuversichtlich über einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen äußerte sich der SPD-Politiker Heiko Maas: „Das sind die letzten Punkte, die offen sind, da muss man eine Lösung finden“, sagte der geschäftsführende Justizminister am Abend in der ARD-Sendung „Anne Will“. „Ich bin auch ganz zuversichtlich, dass wir da bis morgen eine Lösung gefunden haben.“ Auf Nachfrage erklärte er kurz und knapp: „Das wird morgen klappen.“

Darauf haben sich Union und SPD schon geeinigt
WohnraumEs soll ein milliardenschweres Paket zur Schaffung von mehr Wohnraum aufgelegt werden. Damit soll besonders der Mietenanstieg in Großstädten gedämpft werden. Besonders der soziale Wohnungsbau soll gestärkt werden. Im Gespräch ist hierfür eine Summe von bis zu zwei Milliarden Euro bis 2021. Zudem soll mit Projekten wie einem „Baukindergeld“ für Familien und Investitionsanreizen für die Bauwirtschaft das Bauen von mehr Wohnungen erreicht werden – dieses Paket soll ebenfalls zwei Milliarden Euro umfassen. Quelle: dpa
KohlekraftwerkEine Kommission soll bis Ende 2018 ein Aktionsprogramm zum Klimaschutz erarbeiten. Quelle: dpa
Verbraucher sollen Fleisch aus besserer Haltung an einem staatlichen Tierwohllabel erkennen können. Quelle: dpa
Das „gezielte Herausmodernisieren“ soll künftig ordnungswidrig sein und Mieter zu Schadenersatz berechtigen. Quelle: dpa
Müttern, die vor 1992 drei oder mehr Kinder geboren haben, soll auch das dritte Jahr Erziehungszeit angerechnet werden. Quelle: dpa
Wer Jahrzehnte gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt hat, soll nach 35 Beitragsjahren eine Grundrente zehn Prozent über der Grundsicherung erhalten. Quelle: dpa
Asylverfahren sollen künftig in „zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen“ stattfinden. Quelle: dpa

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) lobte das bisher Erreichte. „Es gibt eine Grundlage, die von Tag zu Tag besser wird“, sagte er am Abend im ZDF-„heute journal“. „Es ist noch etwas zu tun, aber wir haben eine große Strecke geschafft.“

Als großen Erfolg feierten SPD und Union am Sonntag ihre Einigung zu Mieten und Wohnungsbau. So sollen Familien mit einem „Baukindergeld“ von 1200 Euro pro Kind und Jahr beim Bau eines Eigenheims unterstützt werden. Es soll bis zu einem versteuernden Haushaltseinkommen von 75 000 Euro plus 15 000 Euro Freibetrag je Kind gewährt und über eine Dauer von zehn Jahren gezahlt werden. Zudem will der Bund auch künftig Milliarden in den sozialen Wohnungsbau stecken.

Die bisher weitgehend wirkungslose Mietpreisbremse in Großstädten soll verschärft werden. In Ballungszentren sollen die Kosten für Modernisierungen nicht mehr wie bisher zu elf, sondern nur noch zu acht Prozent auf die Mieter umgelegt werden dürfen. Auch eine Kappungsgrenze ist geplant, um zu verhindern, dass Mieter über Modernisierungen gezielt aus ihren Wohnungen vertrieben werden.

Berlins Regierender Bürgermeister Müller sprach im ZDF-„heute journal“ von einem „Neuanfang in der Bau- und Mietenpolitik“. Dagegen kritisierte die FDP den Kompromiss von Union und SPD als bürokratisch und ungerecht. „Statt Investitionsbremsen für Neubauten zu lösen, soll die wirkungslose Mietpreisbremse verschärft werden, wodurch keine einzige neue Wohnung entsteht“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, der Deutschen Presse-Agentur. „Alle, die sich noch etwas aufbauen wollen, werden zur Kasse gebeten, um eine maßlose Umverteilungspolitik zu finanzieren.“

In den Ausbau von schnellem Internet wollen Union und SPD bis zu 12 Milliarden Euro investieren. Bis 2025 soll ein Recht auf schnelles Internet gesetzlich verankert werden. Gerade im ländlichen Raum soll die Digitalisierung vorangetrieben werden. Dreiviertel der mehr als 45 Milliarden Euro, die eine GroKo zusätzlich verteilen würde, kommen nach Angaben des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), den Kommunen zugute.

Selbst wenn sich die Unterhändler am Montag auf einen Koalitionsvertrag einigen sollten, ist noch lange nicht sicher, dass eine neue schwarz-rote Regierung tatsächlich zustande kommt. Geplant ist, den Vertrag den mehr als 440.000 SPD-Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen. An der SPD-Basis - und insbesondere bei den Jusos - gibt es Vorbehalte gegen eine Neuauflage des Bündnisses. Hinzu kommt, dass die Partei zuletzt in Umfragen absackte.

Vor einer öffentlichen Präsentation des Koalitionsvertrags sollen die Parteigremien beider Seiten zustimmen. Voraussichtlich würden auch die Fraktionen von CDU/CSU und SPD von den Parteispitzen zunächst über die Inhalte informiert, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

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