Koalitionsverhandlungen Union und SPD vor schwierigem Finale

Es könnte bis in die Nacht dauern – oder länger: Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Schulz erwarten ein schwieriges Ende der Koalitionsverhandlungen.

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Der Abschluss der Koalitionsverhandlungen steht bevor. Quelle: dpa

Berlin CDU, CSU und SPD haben sich auf ein schwieriges Finale ihrer Koalitionsverhandlungen eingestellt. Insbesondere sozialpolitische Fragen seien noch zu diskutieren, sagte SPD-Chef Martin Schulz am Sonntag vor Beginn der Verhandlungen in der SPD-Zentrale in Berlin. Er warnte davor, sich unnötig unter Zeitdruck zu setzen. Ob die Verhandlungen tatsächlich in der Nacht zum Montag abgeschlossen werden können, war zunächst unklar – beide Seiten hatten von vornherein Montag und Dienstag als Puffertage eingeplant.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, vor einer endgültigen Einigung stünden noch schwierige Verhandlungen. CSU-Chef Horst Seehofer verzichtete auf eine Stellungnahme.

Schulz sagte, die drei Parteien seien sich in den Verhandlungen näher gekommen. Besonders bei sozialpolitischen Themen wie der Entwicklung der Mieten, den sachgrundlos befristeten Jobs und der „Zwei-Klassen-Medizin“ müsse aber noch intensiv verhandelt werden. Die Unterhändler müssten sich die Zeit nehmen, die nötig sei, um eine stabile Regierung auf die Beine zu stellen. „Am Ende geht es darum, dass man nicht wegen der einen oder anderen Uhrzeit einen Druck aufbaut, den man in so einer Schlussphase beim besten Willen nicht gebrauchen kann.“ Die Gespräche dürften bis in die Nacht dauern.

Merkel sagte, sie gehe „mit gutem Willen, aber natürlich auch mit einer gewissen Erwartung, dass noch schwere Verhandlungsstunden auf uns zukommen“, in die Sitzung. „Wir kennen unsere Aufgabe und versuchen, ihr gerecht zu werden.“ Wie lange es dauere, könne man noch nicht sagen. Man habe „gut vorgearbeitet, aber es gibt immer noch wichtige Punkte, die geklärt werden müssen“.

SPD-Vize Manuela Schwesig sagte, sie erwarte von der Union stärkeres Entgegenkommen zur Stärkung ländlicher Räume. „Gerade die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im ländlichen Raum erwarten, dass sie jetzt bessere Unterstützung bekommen.“ Auch Schwesig plädierte dafür, sich die nötige Zeit zu nehmen. „Es bringt ja jetzt auch nichts, Druck zu machen, schnell fertig zu werden und nach einer Woche sagen wieder alle: „Was haben die da für einen Quatsch verhandelt?“ Dann bin ich schon dafür, dass man sich lieber noch einen Tag mehr Zeit nimmt.“ Sie kündigte an: „Wir haben unseren Mitgliedern versprochen, dass wir verhandeln, bis es quietscht, und das werden wir auch tun.“

Beide Seiten kamen am Vormittag zunächst erneut zu getrennten Vorberatungen zusammen. Gegen 11.30 Uhr sollte die 15er-Spitzenrunde der Unterhändler zusammenkommen, um über die Themen Digitales und Mieten zu beraten.

Selbst wenn sich die Unterhändler auf einen Koalitionsvertrag einigen, ist noch lange nicht sicher, dass eine neue schwarz-rote Regierung tatsächlich zustande kommt. Geplant ist, den Vertrag den rund 440.000 SPD-Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen. An der SPD-Basis gibt es Vorbehalte gegen eine Neuauflage des Bündnisses. Hinzu kommt, dass die Partei zuletzt in Umfragen absackte.

Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer gab der SPD-Spitze Verantwortung für die Lage der Sozialdemokraten. „Es ist totales Führungsversagen, dass die SPD in so einem schlechten Zustand ist“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Ihm tue es leid zu sehen, wie viele in der Partei durch den Wind seien. „Selbst gute Fachleute haben eine Schere im Kopf und trauen sich nicht mehr, die richtigen Dinge zu entscheiden, weil sie Angst haben, das nicht bei ihrer Mitgliedschaft durchbringen zu können.“

In der SPD gibt es wachsende Bedenken gegen einen Einzug von Schulz als Minister und Vizekanzler in das Kabinett der geplanten GroKo. Intern wird die Frage nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur verstärkt diskutiert, aber wegen der laufenden Verhandlungen und mit Blick auf die Autorität von Schulz sind nur wenige bereit, sich öffentlich klar zu äußern.

Teileinigungen hatten die potenziellen Koalitionäre am Samstag in den Bereichen Klima und Energie sowie Landwirtschaft erzielt. So wollen sie etwa drohende Diesel-Fahrverbote in Städten verhindern und den schleppenden Ausbau der Elektromobilität beschleunigen. Die geschäftsführende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) räumte aber ein: „Wir wissen nicht, ob wir Fahrverbote werden vermeiden können.“ Eine vor allem von Umweltverbänden geforderte blaue Plakette sei in den Koalitionsverhandlungen kein Thema gewesen.

Ein Knackpunkt in den Verhandlungen war der Bereich Wohnen und Mieten. Die Union pochte auf die Einführung eines „Baukindergelds“, also staatliche Zuschüsse für Familien mit Kindern, die Wohneigentum erwerben wollen. Die SPD ist dagegen. Sie verlangt stattdessen Beschlüsse zur Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und zur Eindämmung von Immobilienspekulationen. So soll Kommunen der Erwerb bundeseigener Grundstücke und Immobilien erleichtert werden.

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