Koalitionsverhandlungen Von wegen Zwei-Klassen-Medizin

In der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen wehren sich die Krankenkassen gegen den Vorwurf, die schlechteren Gesundheitsversorger zu sein.

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Gesetzliche Krankenkassen lassen sich von SPD nicht schlechtreden Quelle: dpa

Berlin Auf den letzten Metern der Koalitionsverhandlungen macht vor allem einer Druck. Karl Lauterbach von der SPD will, dass es noch zu einer großen gesundheitspolitischen Reform kommt. Der Gesundheitsökonom und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion kämpft mit allen Mitteln dafür, dass seine Idee doch umgesetzt wird. Sein Plan: die angebliche Zwei-Klassen-Medizin zwischen privat und gesetzlich Versicherten durch einen Gleichschaltung der Arzthonorare endlich zu beenden.

Der Dissens in der Gesundheitspolitik ist so überraschend zum Hauptgrund dafür geworden, dass die Koalitionsverhandlungen zum wiederholten Male verlängert wurden. Zuletzt malte Lauterbach gar das Horrorszenario an die Wand, gesetzlich versicherte Krebspatienten würden schlechter behandelt als Privatversicherte. Denn bei besonderen Krebsformen seien gesetzlich Versicherte auf Spezialärzte angewiesen, die oft nur in Privatkliniken arbeiten und nur Privatpatienten behandeln würden.

Nun gehen die gesetzlichen Krankenkassen jedoch in die Gegenoffensive. Einzuräumen sei allenfalls, dass gesetzlich Versicherte oft länger auf einen Facharzttermin warten müssten als Privatpatienten. „Aber wenn diese Barriere erst einmal überwunden ist, gibt es keinen Unterschied, was die eigentliche Behandlung angeht“, sagt eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbands. Oft seien gesetzlich Versicherte sogar besser gestellt.

In einem „Faktenblatt“ hat der Verband jetzt alles zusammengefasst, was nach seiner Ansicht für die gesetzliche Versicherung spricht.

  • Solidarische Finanzierung: Das fängt bei den Krankenkassenbeiträgen an. Sie richten sich nach der Leistungsfähigkeit der Versicherten. Wer mehr verdient, zahlt auch mehr. Wer weniger zahlt, wird aber deshalb nicht schlechter behandelt. Im Gegensatz dazu errechnen sich die Prämien der Versicherten in der PKV nach dem persönlichen Risiko des Einzelnen, also seinem Alter, seinem Gesundheitszustand und den gewünschten Versicherungsleistungen. Das bedeutet in der Regel, dass die PKV für junge und gesunde Menschen billiger als die GKV ist, für alte und kranke Menschen hingegen oft deutlich teurer.
  • Beitragsfreie Mitversicherung. Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und Kinder sind in der gesetzlichen Kasse beitragsfrei mitversichert, wenn sie kein eigenes Einkommen haben. In der PKV dagegen muss für jedes Familienmitglied ein separater Vertrag mit zusätzlichen Versicherungsprämien abgeschlossen werden.
  • Vorteilhaft für gesetzlich Versicherte ist das Sachleistungsprinzip. Es bedeutet: Im Krankheitsfall erhalten die Versicherten die erforderlichen medizinischen Leistungen, ohne selbst finanziell in Vorleistung treten zu müssen. Das Sachleistungsprinzip schützt damit insbesondere sozial Schwächere vor finanzieller Überforderung. Im Gegensatz dazu gilt in der PKV das Kostenerstattungsprinzip. Das führt zum Teil zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führt: Der PKV-Versicherte erhält grundsätzlich eine Rechnung für alle Leistungen, die er in Anspruch nimmt. Die Rechnung muss er selbst begleichen und die angefallenen Kosten dann mit seiner Krankenversicherung abrechnen. In einigen Fällen begleicht die Krankenversicherung nicht den gesamten Betrag, beispielsweise weil die ärztliche Rechnung gebührenrechtlich nicht korrekt war oder eine bestimmte Leistung nicht versichert war. Dem privat Versicherten können so zum Teil hohe Eigenanteile entstehen.
  • Vorerkrankungen sind in der PKV oft nicht versichert. In der PKV gibt es das Rechtsinstitut des „Versicherungsfalls vor Versicherungsbeginn“. Das heißt, wenn eine bestimmte Heilmaßnahme vor dem Abschluss des Versicherungsvertrags begonnen hat, kann die private Krankenversicherung weitere Erstattungen für die Behandlung dieser Vorerkrankung ablehnen. Die juristische Begründung dafür ist, dass bei der privaten Krankenversicherung immer nur Risiken und nicht bereits eingetretene Schäden in den Versicherungsschutz fallen. Ein solches Verfahren kennt die GKV nicht – gesetzliche Krankenkassen leisten unabhängig vom Beginn der Behandlung.
  • Manche Leistungen zahlen die privaten Versicherer gar nicht. PKV-Versicherte erhalten kein Krankengeld. Vielmehr muss eine Krankentagegeldversicherung zusätzlich abgeschlossen werden. Sie versichert das Einkommen des Patienten. PKV-Versicherte erhalten auch kein Kinderkrankengeld und je nach Vertrag im Gegensatz zu gesetzlich Versicherten keine Erstattung von Kosten für eine Haushaltshilfe. Kinderkrankengeld erhalten gesetzlich versicherte Eltern, wenn sie wegen der Erkrankung eines Kindes nicht ihrer Berufstätigkeit nachgehen können. Erkranken sie selbst und können beispielsweise wegen eines Aufenthalts in der Klinik nicht auf ihre Kinder aufpassen, besteht Anspruch auf die Bezahlung einer Haushaltshilfe.
  • Private Krankenversicherungen zahlen kein Mutterschaftsgeld während des Mutterschutzes. Einige Leistungen werden von der PKV im Gegensatz zur GKV je nach dem gewählten Tarif nicht versichert bzw. nur teilweise oder auf Kulanz bezahlt. Dies gilt für Hilfsmittel genauso wie Krankengymnastik oder Physiotherapie. Hier richtet sich die Kostenerstattung oft nach speziellen Gebührenordnungen der privaten Versicherer. Der Kunde bleibt daher nicht selten auf einem Teil seiner Rechnung sitzen.
  • Keine Kur: In der GKV erhalten Versicherte medizinische Vorsorgeleistungen und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, im Volksmund Kur genannt. In der PKV müssen separate Kurkostentarife und gesonderte Tarife für die Einbeziehung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation zusätzlich abgeschlossen werden.
  • Empfängnisverhütung: Für Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr übernimmt die GKV die Kosten für empfängnisverhütende Mittel, soweit sie ärztlich verordnet werden. Diese Kosten werden in der PKV nicht übernommen.

„Grundsätzlich gilt bei jeder Erkrankung: Gesetzlich Krankenversicherte bekommen alles das, was medizinisch notwendig und wissenschaftlich abgesichert ist“, sagt eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbands auf Anfrage des Handelsblatts. Die meisten schwer erkrankten Krebspatienten würden in Schwerpunktkliniken behandelt. Die Versorgung der Krebspatienten in zertifizierten Zentren erfolge dabei deutschlandweit nach einem dreistufigen Modell.

Auf der ersten Stufe kooperieren flächendeckend verschiedene Fachdisziplinen stationär und ambulant in so genannten Organkrebszentren und behandeln Patienten mit den häufigsten Tumorerkrankungen wie Darm-, Lungen- und Prostatakrebs. Auf der zweiten Stufe stehen als regionale Anlaufstellen die Onkologischen Zentren, in denen mehrere und zudem auch weniger häufige Tumorarten unter einem Dach behandelt werden. Insgesamt seien momentan knapp 1200 Standorte von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert. Die dritte Stufe des Modells bilden die derzeit 14 Onkologischen Spitzenzentren. Ihr Schwerpunkt liegt neben der klinischen Betreuung von Patienten vor allem in der Forschung und Lehre.

Schon heute lässt sich laut Deutscher Krebsgesellschaft ein Großteil der Krebspatienten in einem zertifizierten Zentrum behandeln. Generell habe jeder Krebspatient Zugang zu einem von der DKG zertifizierten Zentrum, das seine Tumorart betreut. Die Kontaktaufnahme könne persönlich oder über den Hausarzt erfolgen - egal ob gesetzlich oder privat versichert.

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