Koalitionsverhandlungen Zur Einigung entschlossen

Die Unterhändler von Union und SPD bekunden ihren festen Willen, sich auf die nächste Große Koalition zu einigen – nur wie, steht weiter in den Sternen. Besondere Probleme macht die Frage nach dem Familiennachzug.

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Die Parteichefs der GroKo-Parteien wollen sind an einer Einigung interessiert. Quelle: dpa

Berlin Das Mantra des Montags in den Koalitionsverhandlungen lautet: „Wir wollen uns einigen“ oder alternativ: „Wir sind fest entschlossen, uns zu einigen“. Malu Dreyer, SPD-Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, beteuerte diesen Willen ebenso wie CDU-Vize Julia Klöckner, die im Mainzer Landtag die Opposition gegen Dreyer anführt. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil äußerte sich so, auch SPD-Chef Martin Schulz und der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Bröhmer (CDU) ließen sich gleichlautend vernehmen.

Jedoch: Wo ein Wille ist, kann der Weg trotzdem lang und steinig sein. Bei den Inhalten gab es am Montag kaum Fortschritte. Dafür unterstrich die SPD ihren Willen zum Eintritt in eine dritte Große Koalition unter der Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), indem sie die Regeln für das Mitgliedervotum festlegte: Alle SPD-Mitglieder, die bis zum 6. Februar um 18 Uhr in der Mitgliederliste verzeichnet sind, dürfen an der Abstimmung über den Koalitionsvertrag teilnehmen, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Der Parteivorstand habe die Ortsvereine gebeten, ihre Vorstandssitzungen so einzuberufen, dass möglichst viele mitabstimmen können. Über Neuaufnahmen entscheiden bei der SPD die Ortsvereine.

Der Zeitplan sieht damit so aus: Der Koalitionsvertrag soll am Sonntag, notfalls am Montag oder Dienstag nächster Woche, fertig sein. Er wird laut Klingbeil auch die Festlegung enthalten, welche Partei welches Ministerium bekommt. Die SPD verschickt den Vertrag über die Parteizeitung „Vorwärts“ an ihre 440.000 Mitglieder, die das Konvolut natürlich auch Online auf der SPD-Website lesen können. Bis zu einem noch nicht festgelegten Stichtag können die SPD-Mitglieder ihr Votum abgeben. Anfang März, fünf Monate nach der Wahl, könnte es dann eine neue Bundesregierung geben.

Wie beim Mitgliedervotum für die letzte GroKo 2013 stellen aktuell besonders viele Menschen einen Aufnahmeantrag bei der SPD. Die Jusos hatten rund um den Parteitag am 21. Januar um Mitglieder geworben, die mit „Nein“ zur GroKo stimmen sollen. Wie es aus der Parteizentrale hieß, würden allerdings nicht nur Leute im Juso-Alter bis 35 eintreten, sondern auch ältere. „Die SPD als Mitmachpartei freut sich über jeden, der sich für die Ziele der SPD aktiv einsetzen will“, sagte Klingbeil.

Inhaltlich haben sich Unterhändler von Union und SPD am Montag in den Koalitionsverhandlungen jedoch verhakt. Die Arbeitsgruppe „Migration und Integration“ tagte und tagte, ohne beim größten Streitthema, dem Familiennachzug für Flüchtlinge, Fortschritte zu erreichen. Bereits Sonntagnacht hatten die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) auch nach neunstündigen Gesprächen keine Annäherung erzielt.

Und darum geht es: Die SPD will mehr Familienangehörige von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen nachziehen lassen als jene 1000 Menschen pro Monat, welche die Union ihr in den Sondierungsverhandlungen zugestanden hatte. Dies ist eine der Nachforderungen des SPD-Parteitags vom 21. Januar an die Union – und gleichzeitig die, bei der die Union nicht nachgeben will. Bestärkt sahen sich CDU und CSU in ihrer ablehnenden Haltung durch eine Allensbach-Umfrage: 58 Prozent der Deutschen wollen demnach nicht, dass Bürgerkriegsflüchtlinge ihre Familien nachholen dürfen; 23 Prozent plädierten für ein Recht auf Familiennachzug.

Am Nachmittag entschieden sich die Unterhändler schließlich, diesen Punkt nicht als ersten zu klären, sondern ans Ende der Verhandlungen zu schieben: Getreu der Weisheit erfahrener Verhandler, dass man sich am besten erst einmal auf alles einigt, was leicht fällt, um das gemeinsame Projekt am Ende nicht wegen eines strittigen Punktes noch scheitern zu lassen.

Als Kitt für Gemeinsamkeit entdeckten die Parteien unterdessen das Internet. „Das Digitale wird unter der Überschrift ‚Aufbruch für Deutschland‘ eine starke Rolle spielen“, sagte Klingbeil. Merkel hatte am Freitag zu Beginn der Verhandlungen „Aufbruch für Europa, Aufbruch für Deutschland“ als Überschrift für die neue GroKo genannt. Der SPD-Generalsekretär leitet gemeinsam mit der CSU-Politikerin Dorothee Bär und dem CDU-Politiker Helge Braun die entsprechende Arbeitsgruppe. Das Sondierungspapier der drei Parteien vom 12. Januar enthielt nur die Aussage, den Breitbandausbau fördern zu wollen. „Wir als SPD begreifen Digitalpolitik als Gesellschaftspolitik“, sagte Klingbeil. Konkreter wurde er am Montagnachmittag nicht.

Auch die anderen beiden Nachforderungen des SPD-Parteitags stoßen auf hartnäckigen Widerstand der Union, wenn auch nicht auf so heftigen, wie die Flüchtlingspolitik. So will die SPD erreichen, dass gesetzlich und privat Krankenversicherte beim Arzt künftig gleich behandelt werden. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zeigte sich zumindest bereit, darüber zu reden, wie Verbesserungen für gesetzlich Versicherte erreicht werden könnten. Die SPD will die Arzthonorare für beide Patientengruppen angleichen – bisher dürfen Ärzte mehr für die gleiche Behandlung von Privatpatienten verlangen.

Härter ist der Widerstand der Union wiederum gegen die SPD-Forderung, befristete Arbeitsverhältnisse auf wenige Ausnahmen einzuschränken. „Wir wollen, dass auch junge Leute die Sicherheit einer unbefristeten Stelle haben“, sagte Klingbeil. In der Union kämpft der Wirtschaftsflügel hart gegen Einschränkungen bei den Befristungen.

Auch wenn in der Union einige Murren, dass die SPD mit Nachforderungen zur Sondierungseinigung aus ihrem Parteitag kam: Bisher wurden keine neuen Forderungen von CDU und CSU bekannt. Denn wichtiger als einzelne Forderungen ist der Kanzlerin ganz offensichtlich, dass die Koalition zustande kommt. Die Alternative Neuwahlen fürchtet die Union wohl ebenso wie die SPD. Nutznießer von Neuwahlen, so der Konsens, wäre wohl vor allem die AfD.

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