Energie
Offiziell bekennen sich beide Seiten zur Energiewende. Doch heraus kommen nicht unbedingt eine effizientere Förderung für Erneuerbare oder klare Ziele, wie die Versorgung in Zukunft aussehen soll. Jede Partei hat Zugeständnisse bekommen und vieles wurde addiert, was nicht unbedingt zusammenpasst.
Der Anteil erneuerbarer Energien an der Erzeugung soll bis 2025 auf bis zu 45 Prozent steigen. Bis 2035 sollen es bis zu 60 Prozent sein. Das ist deutlich weniger, als die SPD wollte. Dafür bekamen die Genossen die Zusage, dass auch noch Windräder an windärmeren Standorten subventioniert werden sollen. Diese Orte meist im Süden der Republik produzieren zu höheren Kosten als Mühlen an der Küste. Doch vor allem rot-grüne Regierungen etwa in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen wollen den Ausbau forcieren, der ohne höhere Vergütung nicht mehr stattfinden würde.
Was Ökonomen zum Koalitionsvertrag sagen
"Die Koalitionsvereinbarungen sind geprägt von dem Willen der Parteien, die Lebensverhältnisse in den nächsten vier Jahren zu verbessern. Dazu gehören der Mindestlohn sowie die Erhöhung des Wohngeldes, um Einkommensschwachen angesichts steigender Mieten zu helfen. Wichtig sind auch die neuen Mechanismen bei der Energiewende, um die Kosten zu dämpfen. Was mir fehlt: Gegen die Investitionsschwäche wird zu wenig unternommen. Das gravierende Problem in Deutschland ist die private Investitionsschwäche. Da hätte man ansetzen müssen - etwa durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen. Das größte Defizit aber ist die Frage der europäischen Integration. Da gibt es ein Festhalten am Durchwursteln. Die große Koalition hat die historische Chance verpasst, Europa voranzubringen - nämlich in Richtung einer Fiskalunion und einer politischen Integration. Damit hätte sie die EZB aus der undankbaren Rolle des Stabilisators herausnehmen können. Der Status quo ist keine dauerhaft stabile Architektur in Europa. Hier hat die große Koalition eine große Chance verpasst."
"Dieser Koalitionsvertrag bedeutet nicht so furchtbar viel für den Standort Deutschland. Die Dinge, die nach vorne zeigen, wie etwa das Investitionsprogramm, reichen nicht aus. Die 23 Milliarden an Investitionen für vier Jahren sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Fortschritte sehe ich auf dem Arbeitsmarkt und bei der Rente. Die Einführung eines Mindestlohn ist längst überfällig. Die Übergangsfrist ist vertretbar. Positiv ist auch, dass die Altersarmut angegangen werden soll. Bedenklich ist jedoch, dass die Mütterrente aus dem Rentensystem finanziert werden soll. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus dem Steuersystem finanziert werden muss. Eine Katastrophe ist, dass die bisherige Europapolitik fortgesetzt wird. Das ist ein schlechtes Signal für den Kontinent. Ich hätte mir gewünscht, dass die Sparpolitik gelockert wird und Alternativen dazu entwickelt werden. Das ist nicht geschehen. Hier bleibt alles in der Hand der Bundeskanzlerin. Die SPD kann hier keinerlei Akzent setzen. Das ist sehr, sehr bedauerlich."
"Das Wichtigste: Sofern die SPD-Basis zustimmt, bekommt Deutschland eine stabile und handlungsfähige Regierung. Das ist positiv. Das Wichtigste für die Finanzmärkte ist, dass die erfolgreiche deutsche Europa-Politik fortgesetzt wird - also Unterstützung für die Krisenstaaten im Gegenzug für Reformen. Der Staat wird zwar etwas mehr ausgeben, dürfte es aber trotzdem schaffen, sowohl den Stabilitätspakt als auch die Schuldenbremse einzuhalten. Die Energiewende dürfte etwas pragmatischer und damit für Haushalte wie für Unternehmen erträglicher gestaltet werden. Negativ ist die Rolle rückwärts am Arbeitsmarkt. Das wird im Aufschwung wohl nicht schaden, aber im nächsten Abschwung. Es schwächt die Glaubwürdigkeit Deutschlands, wenn es Reformen in den Krisenländern fordert, die eigenen aber aufweicht."
"Deutschland wird die Agenda-Reformen massiv zurückrollen. Der Wirtschaftsweisen haben zurecht darauf hingewiesen, dass das langfristig die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft verschlechtert. Trotzdem erwarte ich, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden Jahren schneller wachsen wird als der Rest des Euro-Raums. Denn nach der Einführung der Agenda-Reformen hat es auch viele Jahre gedauert, bis die positiven Effekte wirksam wurden. Das Gleiche gilt mit umgekehrten Vorzeichen für die jetzigen wirtschaftspolitischen Beschlüsse. Außerdem wird das Wachstum in Deutschland zunehmend angefacht für die für uns viel zu niedrigen EZB-Leitzinsen, die beispielsweise die Immobilienpreise und andere zinssensitive Ausgaben steigen lassen."
"Leichten Rückenwind hat der Euro heute Morgen vom Ergebnis der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen erhalten. Allerdings haben nicht wirklich viele mit einem Scheitern der Verhandlungen in letzter Minute gerechnet. Nun aber ist auch der letzte Funken Unsicherheit, der nach dem Wahlausgang im September herrschte, verflogen. Deutschland hat zeitnah eine neue Regierung. Ein Restrisiko bleibt noch mit dem SPD-Mitgliedervotum, aber auch dieses dürfte wohl einen positiven Ausgang nehmen."
"Das ist kein Kompromiss. Union und SPD haben sich gegenseitig ihre Wünsche erfüllt. Bei einer Umsetzung der Beschlüsse in dieser Form werden die Sozialversicherungsbeiträge kräftig steigen. Ich gehe aber fest davon aus, dass die SPD-Basis den Vertrag ablehnen wird."
Am Ende einigten sich die Verhandler also auf eine Bremse beim Ausbau, dafür wird der Ausbau jedoch keineswegs effizient oder sparsamer im Umgang mit dem Geld der Stromverbraucher. Die bis zuletzt zwischen Union und SPD umstrittenen Ausbauziele liegen deutlich näher an den Unionsvorstellungen. Die SPD war mit der Forderung von 75 Prozent bis 2030 in die Gespräche gegangen. Derzeit beträgt der Ökostrom-Anteil knapp 25 Prozent. Bisheriges Regierungsziel bis 2020 sind mindestens 35 Prozent.
Nicht durchsetzen konnte sich die SPD mit der Forderung nach Hilfe für bestehende Gas- oder Kohlekraftwerke. Im Vertrag ist nur von einem mittelfristigen Kapazitätsmechanismus die Rede. Der soll kosteneffizient ausfallen. Damit sind Subventionen für Reserve-Kraftwerke, die bei Flaute und Wolken einspringen, nicht ausgeschlossen, aber auch noch nicht fixiert.
Fazit: Auch beim gewaltigen Umbau der Energieversorgung hat es die große Koalition nur zu einem entschiedenen Sowohl-Als-Auch gebracht. Billiger wird es nicht, eher unübersichtlicher. Viel wird davon abhängen, ob die Zuständigkeit für Energie in einem Ministerium gebündelt wird und ob der oder die Ministerin durchsetzungsfähig ist.
Bildung: Wer die Fachpolitiker in der Arbeitsgruppe Bildung sprach, gewann den Eindruck, dass der Bund künftig dauerhaft in die Finanzierung der Hochschulen einsteigen darf. Bislang verbietet dies das Grundgesetz. Doch das wollten die Verhandler ändern, offen sei lediglich die „Ausgestaltung der Grundgesetzänderung“, hieß es in einem früheren Entwurf des Koalitionsvertrages. Nun ist das Ende des Kooperationsverbotes ganz vom Tisch. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sollen zwar insgesamt drei Milliarden Euro zusätzlich erhalten, doch nur für diese Legislaturperiode. Verlierer sind damit die Hochschulen, die sich mehr Kontinuität in der Grundfinanzierung gewünscht haben. Aber auch die SPD, die das Kooperationsverbot sogar zusätzlich für die Schulen kippen wollte. Ein neues Bundesprogramm zum Ausbau der Ganztagsschulen ist ebenfalls nicht vorgesehen. Dies hatte die SPD gefordert. Auch beim Bafög muss die SPD kleinbeigeben. Die Sozialdemokraten wollten, dass der Bund die Ausgaben der Länder in Höhe von rund eine Milliarde Euro pro Jahr übernimmt – gestrichen.
Fazit: Hochschulen und Schulen bleiben Sache der Länder. Der Bund gibt zwar mehr Geld – eine dauerhafte Lösung ist damit nicht in Sicht. SPD ist klarer Verlierer.