Koalitionsvertrag Wie viel Union, wie viel SPD steckt in der Großen Koalition?

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Rente und PKW-Maut

Das Kabinett steht fest
 Die amtierende Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel spricht beim Parteitag der CSU Quelle: dpa
Peter Altmaier Quelle: REUTERS
Die MinisterSigmar Gabriel2009 wurde er jüngster Parteichef seit Willy Brandt. Nun wird er ein neu zugeschnittenes Wirtschafts- und Energieministerium übernehmen und Vizekanzler werden. Der gelernte Lehrer war zudem mit 40 Jahren in Niedersachsen jüngster deutscher Ministerpräsident (1999-2003). Von 2005 bis 2009 erwarb er sich als Bundesumweltminister Ansehen und Expertise im Bereich erneuerbare Energien. Ein politisches Naturtalent und begabter Redner, der aber auch als launisch gilt. Kommt aus sogenannten schwierigen Verhältnissen, das hat ihn tief geprägt. Der Vater war überzeugter Nazi, Gabriel musste gegen seinen Willen nach der Trennung der Eltern zeitweise beim Vater leben. Lebt mit seiner zweiten Frau, einen Zahnärztin, und seiner kleinen Tochter in Goslar. Quelle: dpa
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier Quelle: dpa
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere sitzt auf dem Flug von Islamabad in Pakistan nach Kabul in Afghanistan in dem Cockpit einer Transall C-160 Quelle: dpa
Finanzminister Wolfgang Schäuble Quelle: AP
Ursula von der Leyen Die 55-Jährige wird künftig das Verteidigungsministerium von Thomas de Maizière übernehmen. Sie ist damit die erste Frau in diesem Amt. Als Staatssekretäre unterstützen sie Ralf Brauksiepe und Markus Grübel (beide CDU). Quelle: dpa

Rente

Hier haben beide Seiten heftig zugelangt, auf Kosten der Beitragszahler und der zukünftigen Generation.  Die zwei Milliarden Zuschuss für die Rentenkasse werden nicht im mindestens ausgleichen, was die große Koalition an Leistungen draufpackt – vor allen an solchen, die zwingend per Steuern bezahlt werden müssten.

Aller Rhetorik zum Trotz: Die neue große Koalition relativiert die Reformgroßtat ihres Vorgängers (2005-2009), die Rente mit 67 wird eingeschränkt. Das ist fatal. Wer zukünftig 45 Beitragsjahre aufweisen kann (inklusive Zeiten der Arbeitslosigkeit), kann zukünftig mit 63 in Rente gehen – ein vollkommen überflüssiges Geschenk für treue SPD-wählende Facharbeiter. Bezahlt wird dafür später. Die höhere Mütterrente für Kinder, die vor 1992 geboren sind, ist ebenfalls beschlossene Sache. Kosten ab 2014: satte 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Wenigstens die inhaltlich ebenfalls fragwürdige Lebensleistungsrente für Geringverdiener wird auf 2017 verschoben und soll explizit aus Steuermitteln finanziert werden. Vielleicht wird sie nie kommen, wenn die Belastungen der Rentenkasse bis dahin offenbar geworden sind.

Fazit: Anstatt sich Gedanken über die individuelle Ausweitung der Lebensarbeitszeit zu machen, um das Umlagesystem stabil zu halten, nutzt Schwarz-Rot die volle Rentenkasse, um auszuteilen. Schwarz-Rot belastet sehenden Auges ein System, dass schon ohne neue Leistungen erheblich unter Druck steht. Das Rentenkapitel ist ein Tiefpunkt des neuen Vertrages.

Verkehr: Einig waren sich alle: Die Infrastruktur braucht mehr Geld. Insgesamt fünf Milliarden Euro werden nun „zusätzlich mobilisiert“, heißt es im Papier. Pro Jahr sind das damit 1,25 Milliarden Euro – deutlich weniger als die von der SPD geforderten zwei Milliarden Euro pro Jahr. Schiene, Straße und Wasserwege müssen sich den Betrag nun teilen – die Haushälter haben sich gegenüber den Verkehrspolitikern klar durchgesetzt. Denn eigentlich sehen die Verkehrspolitiker den Bedarf bei vier Milliarden Euro pro Jahr – so stand es vor kurzem noch schwarz auf weiß in einem der ersten Entwürfe. Mehr Geld als die 1,25 Milliarden Euro soll nun etwa über Nutzerfinanzierung wie die Ausweiterung der Lkw-Maut auf alle Bundessstraßen und die Einführung der Pkw-Maut kommen.

Wie es jetzt mit der Regierungsbildung weitergeht

Die Haushälter  haben den Verkehrspolitikern in einem weiteren wichtigen Punkt den Wind aus den Segeln genommen. Ursprünglich war geplant, das Geld für Straßen, Schiene und Wasserwege in „verkehrsträgerbezogene Infrastrukturfonds“ zu legen – für Kosteneffizienz und Leistungstransparenz. Das hätte den Vorteil, dass das Geld über mehrere Jahre hinweg für die Infrastruktur gesichert wäre. Daraus wird nun nichts.

Fazit: Innovative Ideen zur Finanzierung der Infrastruktur wurden gestrichen. Stattdessen investiert der Bund nun sogar weniger als erforderlich. Bröckelnde Brücken bleiben damit auch ein Thema für die nächste Bundesregierung 2017.

Pkw-Maut. Die Forderung der CSU hat tatsächlich Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. „Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute“, heißt es dort. „Die Ausgestaltung wird EU-rechtskonform erfolgen. Ein entsprechendes Gesetz soll im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden.“ Das klingt nach einem Punktsieg der Christsozialen. Doch in Wahrheit zeigt sich, dass man in der Sache keinen Millimeter vorangekommen ist. CSU-Parteichef Horst Seehofer brüllt diese Forderung in gleichem Wortlaut seit Monaten von München gen Berlin. Allein ein Konzept steckt nicht dahinter. CDU-Vizechefin Julia Klöckner ließ daher im Morgenmagazin des ZDF schon mal verlauten: "Ich sehe es noch nicht, dass es wirklich am Ende dazu kommt, aber es wird überprüft." SPD-Verkehrspolitiker Florian Pronold twitterte: „kommt nie“.

Fazit: Placebo-Maßnahme Pkw-Maut beruhigt die Bayern – mehr Geld bringt sie nicht.

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