Koenzens Netzauge

Föderalismus als Digital-Bremse

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Schlecht gerüstet für den Kampf gegen Cyber-Kriminalität

Indes wird nicht nur die digitale Bildung durch den Föderalismus ausgebremst. Auch der Kampf gegen die immer allgegenwärtigere Cyber-Kriminalität leidet unter der Zersplitterung. Nicht weniger als 39 verschiedene Sicherheitsbehörden – Polizei, Verfassungsschutzbehörden, Zoll – kämpfen in Bund und Ländern gegen Kriminalität und Extremismus im Netz. Nebeneinander, nicht miteinander. Erschwerend kommt hinzu, dass IT-Forensiker und Cybercrime-Spezialisten ein rares Gut sind. Statt also Kompetenzen national in einer schlagkräftigen Anti-Cyber-Crime-Einheit zu bündeln, kochen alle in der Suppe des Föderalismus.

Die Folgen sind dramatisch: an allen Ecken und Enden der Republik tappen Ermittler im Dunkeln – und die kriminellen Machenschaften im Netz gehen munter weiter. Und das, obwohl an anderer Stelle im Land die dringend benötigten Cyber-Kompetenzen vielleicht vorhanden wären. So kann es gut passieren, dass wertvolles Know-how, das die Ermittlungen bei einem Landeskriminalamt entscheidend unterstützen könnte, zwar in einer anderen Behörde vorhanden ist, jedoch nicht genutzt werden kann. Oder dass der Verfassungsschutz in einem Bundesland in die digitale Sackgasse rennt, während die Kollegen aus dem Nachbarland helfen könnten.

Wir brauchen eine neue Föderalismusdebatte

Wir allen kennen die Hintergründe der föderalen Strukturen in Deutschland. Die Motivation hinter der maximalen Aufteilung staatlicher Gewalt ist absolut richtig. Aber wir müssen auch einsehen, dass der Föderalismus mitunter an seine Grenzen stößt und zur gefährlichen Bremse werden kann.

Digitalisierung: Gabriels Zehn-Punkte-Plan

Es wäre daher Zeit, eine neue Föderalismusdebatte zu führen. Wo ist der Föderalismus wirklich wichtig – und wo verhindert er den für uns alle so wichtigen Fortschritt? Wo können sich Politiker und Verwaltung hinter dem Föderalismus verstecken, weil sie die sachliche Diskussion scheuen oder parteipolitische Erwägungen in den Vordergrund stellen?

Es darf nicht sein, dass Deutschland mit dem Argument des Föderalismus digital noch weiter ins Hintertreffen gerät. Wir brauchen ein Miteinander, kein Nebeneinander. Wir brauchen sachliche Diskussion, kein Kompetenzgerangel, keine persönlichen Profilierungen. In der Bildung genauso wie in der Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung. Sonst werden wir auch die zweite Halbzeit der Digitalisierung mit Pauken und Trompeten verlieren. Viel Zeit bleibt uns allerdings nicht.

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