
WirtschaftsWoche: Unsere Kanzlerin, Angela Merkel, steckt gerade mitten in den Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten. Was müssen beide Parteien beachten?
Navarro: Bei jeglicher Art von Verhandlungen - und da spielt es keine Rolle welcher Partei die jeweiligen Akteure angehören - müssen immer zwei Faktoren beachtet werden. Erstens: Was sind meine Ziele? Und zweitens: Mit was für Persönlichkeiten habe ich es zu tun? Meistens sind es nicht die Ziele, die Verhandlungen schwierig machen, sondern die Verhandlungspartner. Zum Beispiel wenn die Person selbstsüchtig, introvertiert oder machiavellistisch handelt.
Angela Merkel gilt als sehr beherrscht, den beiden anderen Parteichefs Horst Seehofer und Sigmar Gabriel spricht man hingegen etwas mehr Temperament zu. Was muss man beachten, wenn so unterschiedliche Charaktere miteinander verhandeln?

Bei besonders aufbrausenden Persönlichkeiten handelt es sich um Kinder in den Körpern von Erwachsenen. Diese Menschen haben nie gelernt, sich selbst zu kontrollieren. Bei Verhandlungen mit ihnen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es findet sich ein Kompromiss, oder man muss versuchen, dem Gegenüber seine Ideen als die eigenen zu verkaufen. Da die Toleranzgrenze von aufbrausenden Menschen sehr gering ist, muss man dabei jedoch besonders vorsichtig und taktisch vorgehen.
Ist es leichter die Körpersprache von aufbrausenden Menschen zu lesen als die von ruhigen Gemütern?
Erst einmal ist jede Körpersprache einfach zu lesen, wenn man trainiert ist und weiß worauf man achten muss. Studien belegen, dass sogar Babys merken, wenn ihre Eltern etwas vor ihnen verheimlichen. Manche Menschen können vielleicht ihre Gesichtszüge steuern, aber mit Sicherheit nicht den ganzen Körper. Blinde Babys können Emotionen genauso gut lesen wie Babys die sehen können, auch wenn sie nie ein Lächeln oder ein wütendes Gesicht gesehen haben. Der Mensch ist biologisch darauf ausgelegt, auch ohne Worte zu kommunizieren.
Was Ihre Gesten über Sie verraten
signalisiert laut den Bewerbungsexperten von Hesse/Schrader Konzentration oder Nachdenken
bedeutet Ungeduld oder Nervosität, vielleicht sogar Provokation
zeigen die eigene Überlegenheit
Gesagtes wird zurückgenommen, weil Unsicherheit in der Sache besteht
demonstriert Selbstzufriedenheit, wirkt aber nicht immer sympathisch
zeigt bei Zurücklehnen grenzenlose Souveränität
lässt auf Desinteresse, Unkonzentriertheit oder Nervosität schließen
steht für Nachdenklichkeit, Erschöpfung oder Langeweile
zeigt Ratlosigkeit oder Unsicherheit
steht für Nachdenklichkeit und Zufriedenheit
zeigen bei Frauen: Unsicherheit oder Angst, bei Männern: Ablehnung und Verschlossenheit
signalisieren Überheblichkeit, gleichzeitig Abwehr gegen Einwände
Vergangenen Mittwoch begannen die ersten Koalitionsverhandlungen. Insgesamt waren 75 Menschen von drei Parteien vertreten, um über die neue Regierung zu sprechen. Was muss man bei Gruppenverhandlungen beachten?
Es ist immer schwierig, in einer großen Gruppe zu verhandeln. Wenn es keine Regeln gibt, kann das schnell im Chaos enden. Am besten teilt man eine große Gruppe direkt in mehrere kleinere auf. Es sollten dabei nicht mehr als sechs Leute in einer Gruppe sein. Und auch mit sechs Leuten kann es schon verdammt schwierig werden, wenn zu viele Alphatiere dabei sind.
Das weibliche Alphatier Angela Merkel trifft im Laufe der Verhandlungen auf viele männliche Alphatiere. Was sind die größten Unterschiede in der Körpersprache von Männern und Frauen?
Das Testosteron. Männer nehmen viel mehr Platz ein. Sie verteilen ihre Unterlagen großzügiger auf dem Tisch, sie bewegen sich mehr. Sie stemmen ihre Hände in die Hüften, weil sie das größer macht, das teilen wir übrigens mit allen Primaten. Oder sie verschränken die Arme hinter dem Kopf und strecken ihre Ellenbogen aus. Auch das sind Positionen, die Menschen größer und mächtiger erscheinen lassen. Männer tun das ständig, Frauen hingegen nie. Außerdem versuchen Männer oft tiefer zu sprechen, das ist furchteinflößender. Aus diesem Grund arbeitete auch Margret Thatcher daran, ihre Stimme abzusenken. Außerdem wollen Männer in einem Meeting mit Frauen immer das letzte Wort haben.