Kommentar Von wegen Deutschland-Tempo: Zahlt endlich die Energiepauschale an Studierende aus!

Auf die Energiepreispauschale müssen sie deutlich länger warten als auf die Benotung der letzten Hausarbeit. Quelle: dpa

Anfang September versprach die Ampel eine „schnelle“ Energiepreispauschale für Studierende. Sie fehlt bis heute. Das zeigt: Junge Menschen haben keine Priorität – und die Digitalisierung bleibt desolat. Ein Kommentar.

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Fünf Monate. So lange bräuchte man in etwa, um von Düsseldorf bis Marrakesch zu wandern. Oder, im Falle der deutschen Politik: um ein Portal für eine Hilfszahlung an Studierende aufzusetzen – das immer noch nicht funktioniert. Medienberichten zufolge soll die Auszahlung über die Seite „einmalzahlung200.de“ erfolgen. Doch steht das Online-Portal? Fehlanzeige.

Im September hatte die Ampel-Koalition eine „schnelle“ und „unbürokratische“ Energiepreispauschale für Studierende und Fachschüler angekündigt. Aber offenbar ist ein System, über das Betroffene ihre Zahlung über 200 Euro online beantragen können, eines der komplexesten Probleme seit der Planung des Berliner Hauptstadtflughafens.

In der gestrigen Bundespressekonferenz schilderte ein Sprecher von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), wie schwierig die Organisation mit den 16 Bundesländern gewesen sei. Es bleibe aber dabei, dass die Auszahlung noch „im Winter“ erfolgen werde. Auf Nachfrage präzisierte er: ab März oder April. Der meteorologische Frühlingsanfang ist übrigens der 1. März - aber vielleicht werden die Osterferien dieses Jahr einfach in Winterferien umbenannt, dann passts ja.

Fragt sich, was dagegen spricht, allen Studierenden den Semesterbeitrag um 200 Euro zu ermäßigen. Die 300 (!) Euro Energiepreispauschale für Rentner wurden schließlich auch an alle ausbezahlt, die eine gesetzliche Rente bekommen, Bedürftigkeit hin oder her. Doch bei den Semesterbeiträgen fehlt wohl die digitale Hinterlegung aller relevanten Daten: Deutschland im Jahre 2023.

Und die Ampel-Definition von „unbürokratisch“ gehört auf den Prüfstand: Laut Medienberichten wird neben einem Zugangscode plus PIN von der Hochschule auch eine Bund-ID benötigt, die die allermeisten Studierenden wohl noch beantragen müssen.

Studierende haben keine Priorität

Zugegeben, ein solches Verfahren ist Neuland für die Politik. Und eine Schnellschuss-Lösung mit Fehlern hätte niemandem geholfen. Aber wer große Töne spuckt und schnelle Hilfe verspricht, muss sich daran auch messen lassen. Und wer sich Digitalisierung auf die Fahnen schreibt, kann nicht so lange brauchen für ein Meldeportal das zudem immer noch nicht funktioniert.

Im April wird die Einigung der Ampel sieben Monate alt sein. Hinzu kommen werden dann noch die Bearbeitungszeiten von hunderttausenden Anträgen, bis die Hilfen ausgezahlt werden. Das soll das neue „Deutschland-Tempo“ der selbsternannten „Fortschritts-Koalition“ sein?

Experten rechnen außerdem damit, dass die Server des Portals der Last zigtausender Aufrufe nicht standhalten werden, wenn viele Studierende und Fachschüler versuchen, sich gleichzeitig einzuloggen. So viel zum Thema Digitalisierung.

Die Hängepartie bei der Pauschale zeigt einmal mehr, dass Studierende keine Priorität für die Politik haben. Sonst wäre viel schneller gehandelt worden. Ein Vergleich: Bei der Milliarden-Verschwendung „Tankrabatt“ vergingen zwischen dem Vorschlag von Christian Lindner (FDP) und dem Stichtag der Einführung nur zweieinhalb Monate. FDP und Grüne sollten nicht vergessen, dass sie bei der Bundestagswahl bei den unter-30-Jährigen mit 20 und 22 Prozent die beliebtesten Parteien waren. Wählerbindung sieht anders aus.

Deutschlandticket: Wer denkt an die Studierenden?

Wie egal der Politik Studierende sind, zeigt sich auch an der Diskussion um das 49-Euro-Ticket. Denn das Ticket soll zwar zum Mai kommen, aber noch ist völlig unklar, was das für die Studierenden bedeutet: Bekommen sie das Ticket zum Preis ihres Semestertickets? Müssen sie sich das Deutschlandticket zusätzlich kaufen? Oder werden automatisch die Semesterbeiträge teurer?

An der Uni Würzburg kostet das Semesterticket aktuell gut 80 Euro, das Semesterticket in Köln kostet 202,30 Euro. Müssten alle Studierenden ab Mai 294 Euro pro Semester zahlen, also sechs Mal 49 Euro?

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Das Deutsche Studierendenwerk fordert hier einen Preisdeckel für die fast drei Millionen Studierenden in Deutschland. Bislang bleibt die Forderung unbeantwortet. Aber falls die Politik hier nicht reagiert, gibt es notfalls folgende Lösung: Die Studierenden könnten im Frühling ihre Energiepreispauschale beantragen und mit den 200 Euro den Aufpreis für das Deutschlandticket bezahlen.

Aber vielleicht kommt es auch anders. Vielleicht erinnern sich Grüne und FDP in den kommenden Wochen wieder daran, dass ihnen nicht zuletzt die Jugend zu dieser Regierungsbeteiligung verholfen hat. Hauptsache, sie kommen auf diesen Gedanken nicht im „Deutschland-Tempo“.

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