Kommentar zum EU-Gipfel Definiere Kerneuropa

Mit Begriffen wie einem „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ oder „Kerneuropa“ können die Bürger nicht viel anfangen. Im Zuge des Brexits müssen Politiker den Bürgern erklären, worum es ihnen eigentlich geht.

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Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen den Bürgern besser erklären, warum sie sich für Europas Zukunft interessieren sollten. Quelle: dpa

Es ist eine sehr abstrakte Diskussion, die die EU derzeit führt: Die meisten Bürger werden wenig anfangen können mit Schlagwörtern wie einem „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“, einer „EU der konzentrischen Kreise“ oder einem 

„Kerneuropa“. Jene, die die Debatte führen, allen voran die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten, sollten sich mehr Mühe geben zu erklären, worum es ihnen geht. Und warum sich ihre Bürger dafür interessieren sollten.

Denn: Wichtig ist die Diskussion, die den zweiten Tag des Brüsseler Gipfels dominierte. Auch für den Einzelnen. Weil sich die Europäische Union weiterentwickeln muss, um die konkreten Probleme besser zu lösen, die viele Menschen beschäftigen. Die Sicherheitslücken in einem Europa der offenen Grenzen. Die begrenzte Fähigkeit sich selbst zu verteidigen. Arbeitslosigkeit und Ungleichheit.

Auf viele dieser Probleme hatte die Gemeinschaft in den vergangenen Jahren keine angemessenen Antworten. Weil die Brüsseler Mühlen zu langsam mahlten, sich die Mitgliedsstaaten nicht einigen konnten. Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten könnte dazu beitragen, diese Prozesse zu beschleunigen.

Das Prinzip: Die Regierungen bemühen sich zwar weiterhin um Konsens. Aber wo dieser nicht in Sicht ist, gehen Koalitionen der Willigen bei konkreten Vorhaben wie der gemeinsamen Verteidigung voran. In der Hoffnung, dass die anderen mit der Zeit aufschließen. Innerhalb der Familie der Mitgliedsstaaten, so formulierte es Kanzlerin Angela Merkel, habe jedes Familienmitglied Zugang zu den jeweiligen Projekten. Aber nicht jedes müsse davon Gebrauch machen.

Dieses Vorgehen ist nicht neu und in den europäischen Verträgen längst angelegt. Aber es wurde bislang nur zögerlich genutzt, aus Sorge um die Einheit der EU. Besonders die weniger integrationsfreudigen Osteuropäer befürchten, dadurch abgehängt zu werden. Einige Länder interpretierten den Vorschlag als Trennlinie und „neuen Eisernen Vorhang zwischen Ost und West“, berichtete EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Merkel und die anderen Befürworter des Konzepts bemühen sich, die Sorgen zu zerstreuen.

Dass die Regierungschefs es jetzt trotz der Bedenken in den Mittelpunkt ihrer Diskussion stellen, zeigt: Sie haben eingesehen, dass die EU schneller und wendiger werden muss. Ein Wundermittel gegen die vielen Probleme der EU ist aber auch diese Idee nicht. Dafür braucht es mehr. Verständlichere Debatten und Prozesse beispielsweise.

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