Kommentar zum Metalltarifstreit Sieg der Vernunft

Gewerkschaft und Arbeitgeber suchen vorerst weiter eine Lösung am Verhandlungstisch. Das zeugt von Verantwortung. Denn einen großen Streik können sich beide Seiten nicht leisten – auch wenn dieser weiterhin droht.

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Kommentar zum Metalltarifstreit: Sieg der Vernunft Quelle: dpa

Sozialpartnerschaft heißt, Verantwortung zu übernehmen. Für die Arbeitnehmer, aber auch dafür, dass der Wirtschaftsmotor weiter brummt. Im Tarifkonflikt für die 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie haben die IG Metall und die Arbeitgeber vorerst Verantwortung bewiesen. Eine Nacht und einen halben Tag lang soll noch geredet werden. Die Drohung mit 24-Stunden-Streiks oder gar der Urabstimmung über eine unbefristete Arbeitsniederlegung schwebt zwar noch über dem Verhandlungstisch wie ein Damoklesschwert. Aber seine Klinge ist stumpfer geworden.

Dass es vorerst keine weitere Eskalation des Konflikts gibt, ist ein Sieg der Vernunft. Beide Seiten können sich keinen langwierigen Arbeitskampf leisten. Die Arbeitgeber nicht, weil sie volle Auftragsbücher haben und jetzt schon kaum wissen, wie sie die Arbeit erledigen sollen. Die Gewerkschaft nicht, weil sie nicht sicher sein kann, wie geschlossen ihre Reihen wirklich sind. Die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten ist innerhalb des eigenen Lagers nicht so unumstritten, wie die Frankfurter Gewerkschaftszentrale glauben machen will. Der letzte Arbeitskampf für eine Arbeitszeitforderung – die Einführung der 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland – ging krachend verloren.

Das heißt noch nicht, dass ein großer Arbeitskampf in Deutschlands Schlüsselindustrie wirklich vermieden werden kann. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hat bei den Mitgliedern hohe Erwartungen geweckt und jetzt Mühe, sie von den Bäumen herunterzuholen, auf die sie gejagt wurden. Hält er wirklich an seiner Forderung fest, dass die Arbeitgeber für weniger Arbeit auch noch mehr bezahlen sollen, dann ist der Knall wohl unvermeidlich. Noch ist es aber nicht so weit. Und der tarifpolitische Werkzeugkasten bietet genügend Instrumente, um auch diesen Konflikt zu lösen.

Bei der Bahn etwa haben die Tarifparteien es vorgemacht: Beschäftigte können sich zwischen mehr Freizeit und mehr Geld entscheiden. Mit einer solchen Wahloption ließe sich der umstrittene Zuschuss für Teilzeitkräfte abräumen. Durch eine lange Laufzeit mit mehrstufiger Entgelterhöhung können die Kosten des Tarifabschlusses im Zaum gehalten werden. Und auch der Flexibilisierung der Arbeitszeit nach oben wird sich die IG Metall kaum verschließen können, wenn sie ihre eigene Beschäftigtenumfrage ernst nimmt. Dort hat nämlich ein nicht unerheblicher Teil der Metaller den Wunsch geäußert, gerne länger zu arbeiten.

Es lohnt sich, noch ein paar Verhandlungsstunden dranzuhängen. Und dann zu einem Durchbruch zu kommen – zugunsten der Beschäftigten und des Wirtschaftsstandorts. Ganz im Sinne der Sozialpartnerschaft.  

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