Kommentar zur Bundespräsidenten-Wahl Steinmeier – Verteidiger unserer offenen Gesellschaft

Frank-Walter Steinmeier wird auf einer Woge der Zustimmung ins Bundespräsidenten-Amt getragen. Doch es warten große Aufgaben. Er wird sich dabei der Gefahr aussetzen, an Beliebtheit zu verlieren – um der Klarheit willen.

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Frank-Walter Steinmeier muss zwar überparteilich sein. Aber das schließt nicht aus, eine klare Haltung zu beweisen. Quelle: dpa

Berlin Es ist an diesem Sonntag nur ein Wahlgang nötig: Frank-Walter Steinmeier, der gemeinsame Kandidat der großen Koalition, wird mit 931 von 1239 gültigen Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt. Auch Vertreter von Grünen und FDP haben ihm ihre Stimme gegeben. Eine Woge der Sympathie trägt Steinmeier ins Amt des Bundespräsidenten.

Seine Wahl durch die Bundesversammlung hätte kaum klarer ausfallen können. Um seine Zustimmungswerte in der Bevölkerung beneiden ihn viele – von Kanzlerin Angela Merkel über den neuen Außenminister und Noch-SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel bis hin zu CSU-Chef Horst Seehofer. Doch der Nachfolger von Joachim Gauck hat große Aufgaben zu bewältigen. Der Ehrgeiz, auch im neuen Amt beliebtester Politiker zu bleiben, sollte dabei nicht sein Antrieb sein.

Selten war das Amt des Bundespräsidenten mit vergleichbaren Herausforderungen verbunden. Die Demokratie muss sich heftiger Angriffe erwehren, Populisten säen Zweifel an rechtsstaatlichen Institutionen, Teile der Gesellschaft wenden sich vom Staat ab. Die Frage, ob die Wahl eines SPD-Politikers als Signal für neue Machtkonstellationen nach den Bundestagswahlen im September zu deuten ist, erscheint vor diesem Hintergrund zweitrangig.

Alle Bundespräsidenten hatten starke und schwache Momente, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung. Einige haben mit großen Reden viel bewegt, andere beschränkten sich auf die Rolle des Versöhners. Das Amt bietet also viel Freiraum. Das ist Steinmeiers Chance. Er muss zwar überparteilich sein. Aber das schließt nicht aus, eine klare Haltung zu beweisen. Steinmeier wird sich schützend vor die viel geschmähten etablierten Parteien stellen müssen, er wird sie nach außen verteidigen und nach innen anspornen.

Es geht darum, die Vorstellungen des Großteils der Bevölkerung von einer offenen und toleranten Gesellschaft zu verteidigen und auch diejenigen von den Stärken unseres Gemeinwesens zu überzeugen, die abwartend am Spielfeldrand stehen. Der neue Bundespräsident spielt dabei eine zentrale Rolle. Er wird sich dabei der Gefahr aussetzen, bei einigen Menschen an Beliebtheit zu verlieren – um der Klarheit willen. Das ist die Sache wert.

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