Kommentar zur Elbvertiefung Mit einem blauen Auge davongekommen

Das Urteil, dass die Vertiefung der Elbe zum Teil rechtswidrig ist, ist auch ein Sieg für die Hafenwirtschaft. Allerdings haben die Planer vermeidbare Fehler gemacht. Das ist ärgerlich. Ein Kommentar.

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Für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist das unter dem Strich eine gute Botschaft. Quelle: dpa

Hamburg Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Elbvertiefung ist ein Erfolg für die Planer. Es bestätigt zudem die Brauchbarkeit des verschärften Europäischen Wasserrechts. Mehr als ärgerlich ist aber, dass sich die Baumaßnahme nun wegen vermeidbarer Mängel um bis zu zwei Jahre verzögert.

Schon seit zwölf Jahren läuft das Planungsverfahren, vier Jahre brauchte das Gericht. Am Ende setzten sich die Umweltverbände in den entscheidenden Punkten nicht durch. Wäre es anders gekommen, wäre das Projekt nun gestorben, statt nur gebremst. Dass es so kommen würde, war alles andere als klar. Das zeigt das blamable Scheitern der Pläne zur Bremer Weservertiefung vor einem Jahr. Die Hürden sind hoch: Die noch junge EU-Wasserrahmenrichtlinie sieht nämlich vor, dass Baumaßnahmen die Wasserqualität nicht verschlechtern dürfen.

Wie streng diese Regelung ist, musste zunächst der Europäische Gerichtshof auslegen. Das hat die Verfahrensdauer verlängert. Klar ist jetzt: Planungsrecht und Umweltschutz verhindern wichtige Infrastrukturmaßnahmen nicht. Die Wasserrichtlinie besteht ihren ersten großen Praxistest. Kritik am Planungsrecht, die am Mittwoch von der Hamburger Wirtschaft laut wurde, geht fehl.

Der Prozess hat dank der Verbände, in vielen Details dafür gesorgt, dass Umweltauswirkungen gemindert wurden. In den zentralen Punkten haben sich jedoch die Planer durchgesetzt. Für sie ist entscheidend: Das Gericht lässt die Elbvertiefung nicht am Europäischen Recht scheitern. Konkret heißt das: Die Richter akzeptieren die Annahmen der Planer, dass die große Baumaßnahme die Wasserqualität in keiner relevanten Dimension - wie biologischer Vielfalt und chemischer Qualität - entscheidend verschlechtert. Außerdem akzeptierten sie die Modellrechnung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrologie.

Dabei betreten die Planer Neuland: Barrieren unter Wasser sollen künftig den Einfluss der Gezeiten begrenzen. Ob das funktioniert, war im Prozess umstritten. Hätten sich die Naturschützer in diesem punkt durchgesetzt, hätte die Planung von vorn beginnen müssen. Nicht durchsetzen konnten sich die Umweltschützer zudem mit ihrer Ansicht, die Elbvertiefung sei unnötig, weil große Schiffe ebenso gut in Wilhelmshaven anlegen könnten.

So gesehen ist die Hamburger Hafenwirtschaft mit einem blauen Auge davongekommen. Schwer verständlich ist jedoch, wieso die Planer bei den extrem komplexen Rechtsfragen saubere Arbeit leisten, aber an recht konventionellen Problemen scheitern. Sie versuchten eine Mogelpackung, indem sie eine sowieso geplante Schutzfläche für den seltenen Schierlings-Wasserfenchel umetikettierten und als zusätzliche Ausgleichsfläche deklarierten. Ausgerechnet in dem wichtigen Verfahren zur Elbvertiefung gingen sie so ein Risiko ein. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass das Land Niedersachsen wenig kooperativ war. Dennoch ist es ein Fehler, der vermeidbar gewesen wäre. Die Planer werden ihn ausbügeln – aber das kostet Zeit und Geld.

Immerhin: Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) kann nun seine geplanten Werbereisen zu europäischen und asiatischen Reedern mit der klaren Botschaft antreten: Die Elbvertiefung kommt. Nur wann genau, das weiß er noch immer nicht.

Für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist das unter dem Strich eine gute Botschaft. Hätte das Gericht das Vorhaben komplett verworfen, wäre er wohl erstmals ernsthaft unter Druck der Opposition gekommen. So aber bleibt sein Macher-Image weitgehend unbeschädigt - trotz des Verzichts auf die Kanzlerkandidatur.

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