
Dies ist wahrlich keine gute Nachricht: Die finanzielle Schieflage der Kommunen in Deutschland hat sich laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung verschärft. Von 2007 bis 2011 sei der Schuldenberg von 111 Milliarden auf 130 Milliarden Euro gestiegen. Besonders die kurzfristigen Kassenkredite, die dem Dispositionskredit privater Verbraucher entsprechen, haben stark zugenommen. Die Kommunalexpertin der Stiftung, Kirsten Witte, fordert als Konsequenz der Studie nun eine kommunale Schuldenbremse - was der Deutsche Städtetag prompt zurückgewiesen hat.





Was ist davon zu halten? Auch wenn sich die Finanzlage der Kommunen in den Folgejahren 2012 und 2013 etwas entspannt hat, bleibt ein wichtiger Befund: Die Spaltung in reiche und arme Städte in Deutschland nimmt zu. Nur ein Beispiel: In Sachsen beträgt die kommunale Verschuldung durch Kassenkredite 13 Euro pro Einwohner - im Saarland hingegen sind es 1.754 Euro.
Die Idee einer kommunalen Schuldenbremse hat daher durchaus Charme. Sie ist juristisch aber heikel. Als Teil der Länder sind die Kommunen ja schon jetzt zumindest mittelbar von der grundgesetzlichen Schuldenbremse betroffen, da die Länder ihre Zuweisungen an die Kommunen in den kommenden Jahren reduzieren dürften. Zielführender als kommunale Schuldenbremsen ist daher eine Radikalreform von Länderfinanzausgleich und Solidaritätspakt. Die ökonomische Trennung von Ost- und West hat sich überlebt, mittlerweile gibt es top-sanierte und prosperierende Oststädte und heruntergekommenen Weststädte, etwa im Ruhrgebiet, die arm sind wie Kirchenmäuse. Nötig ist eine neue Förderpolitik, die nicht danach fragt, wo eine Stadt liegt - sondern allein danach, wie es ihr geht.
Deutsche Schuldenhochburgen
Dem Finanzreport 2013 der Bertelsmann Stiftung zufolge ist Oberhausen die Stadt mit den höchsten Schulden. Auf einen Einwohner kommen 6.870 Euro Miese durch Kassenkredite. Die Stadt schloss Musikhäuser und machte bereits fünf der acht Schwimmbänder dicht.
Auf Platz zwei folgt Pirmasens in Rheinland-Pfalz mit 6.215 Euro Schulden pro Einwohner. Vor allem der Rückgang der Einwohnerzahl macht der Stadt zu schaffen.
In Kaiserslautern liegen die Schulden bei 6.040 Euro pro Einwohner.
Auch wenn sich der Schuldenstand im Vergleich zu 2007 etwas verringert hat - Hagen gehört mit 5.618 Euro Schulden pro Einwohner zu den Schuldenhochburgen. 19 der 30 besonders verschuldeten deutschen Städte liegen in Nordrhein-Westfalen.
Remscheid, ebenfalls NRW-Kommune, hat es mit knapp unter 5.000 Euro Schulden pro Einwohner in die Top 5 geschafft.
Das rheinland-pfälzische Zweibrücken ist mit rund 34.000 Einwohnern die kleinste kreisfreie Stadt Deutschlands und doch eine der Schuldenhochburgen. Auf einen Einwohner kommen 4.230 Euro Schulden durch Kassenkredite.
Wuppertal, berühmt durch seine Schwebebahn, steckt ebenfalls tief in der Miese. Pro Einwohner sind es 4.215 Euro Schulden.
Auf Platz acht folgt Ludwigshafen mit 4.043 Euro Schulden pro Bürger.
Von Platz acht auf neun ist die rheinland-pfälzische Hauptstadt Mainz mit 3.857 Euro Schulden pro Einwohner gefallen.
An zehnter Stelle kommt Essen im Ruhrgebiet (3.766 Euro pro Einwohner). Die Stadt ist laut der Bertelsmann Stiftung mehr als dreimal so hoch verschuldet wie alle bayerischen, sächsischen und baden-württembergischen Kommunen zusammen.
Und auch dies darf bei der Debatte über die kommunalen Geldprobleme nicht vergessen werden. Nicht für jedes Haushaltsloch sind die Umstände oder die anderen verantwortlich. Auch Fehlplanungen und Schlampereien in kommunalen Amtsstuben strapazieren vielerorts den Haushalt. Da werden Straßen kurz hintereinander mehrfach aufgerissen, weil sich beteiligte Ämter und Versorgungsbetriebe nicht abstimmen, da werden Amtsleiter mit hohen Abfindungen entsorgt, da leisten sich Bürgermeister teure Prestigeprojekte.
Hinzu kommt nicht selten eine ungenügende Pflege der Steuerquellen. Kommunale Einnahmen lassen sich durch eigene Leistungen erhöhen –indem man lokale Existenzgründungen fördert und neue Betriebe in die Stadt lockt (die anschließend Gewerbesteuer zahlen). Doch diese Erkenntnis scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Im vergangenen Jahr ließ die WirtschaftsWoche eine Unternehmerumfrage in den größten 50 Städten des Landes durchführen. Wir wollten wissen: Wie bewerten die örtlichen Unternehmen die Servicequalität und Wirtschaftsfreundlichkeit der Kommunalverwaltung? Das überraschende Ergebnis: Vielerorts erhielten Kommunen, die es besonders nötig hätten, besonders miese Noten. Das völlig überschuldete Bremen etwa landete in der Kategorie "Moderne Verwaltung" nur auf dem vorletzten Platz. Bei der Wirtschaftsfreundlichkeit ging die rote Laterne an die nicht gerade als Wachstumsmekka bekannten NRW-Städte Hagen und Herne.
Viele Städte brauchen Hilfe. Aber sie müssen auch versuchen, sich selbst zu helfen.