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Kommunale Finanzkrise Die Spaltung der Kommunen nimmt zu

Die finanzielle Schieflage der Kommunen in Deutschland macht deutlich: Wir brauchen eine neue Förderpolitik, der es egal ist, ob eine Stadt im Osten oder Westen Deutschlands liegt.

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Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung hat sich die finanzielle Schieflage der Kommunen in Deutschland verschärft. Quelle: dpa

Dies ist wahrlich keine gute Nachricht: Die finanzielle Schieflage der Kommunen in Deutschland hat sich laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung verschärft. Von 2007 bis 2011 sei der Schuldenberg von 111 Milliarden auf 130 Milliarden Euro gestiegen. Besonders die kurzfristigen Kassenkredite, die dem Dispositionskredit privater Verbraucher entsprechen, haben stark zugenommen. Die Kommunalexpertin der Stiftung, Kirsten Witte, fordert als Konsequenz der Studie nun eine kommunale Schuldenbremse - was der Deutsche Städtetag prompt zurückgewiesen hat.

Die 15 größten Steuergeld-Verschwendungen
1,3 Millionen Euro für mitdenkende FußbödenDas Bundesforschungsministerium (BMBF) kümmert sich um mitdenkende Fußböden in Wohnungen, Hotels, Seniorenheimen und Kreuzfahrtschiffen. „Sensfloor“ heißt das Subventionsprojekt. Entwickelt werden soll ein sensorischer Bodenbelag, „der Senioren unauffällig zu mehr Sicherheit und Komfort“ verhelfen soll. Dazu gehört „beispielsweise das automatische Anschalten des Lichts, sobald nachts jemand im Zimmer den Boden betritt“. 1,3 Millionen Euro fließen in den „Sensfloor“. Neben zwei Universitäten erhält die Future-Shape GmbH mit knapp 900.000 Euro den Löwenanteil. Aber auch die Meyer Werft GmbH, die unter anderem die AIDA-Kreuzfahrtschiffe baut, wird bezuschusst (rund 23.000 Euro). „Mit dem demografischen Wandel eröffnen sich für die Wirtschaft viele neue Marktchancen. Senioren sind eine wachsende und zum erheblichen Teil auch durchaus zahlungskräftige Zielgruppe, die genau weiß, was sie will“, heißt es in der Projektbeschreibung. Der Bund der Steuerzahler versteht deswegen nicht, warum hier Subventionen nötig sind. Quelle: dpa
1,4 Millionen Euro für maßgeschneiderte BusinesssoftwareBeim Projekt „ValueGrids“ geht es darum, Businesssoftware maßzuschneidern. Das soll den Megatrend „software as service“ (SaaS) unterstützen, bei dem Unternehmen für die individuelle Nutzung spezifischer Softwaredienstleistungen bezahlen, statt Lizenzgebühren für Standardsoftware zu entrichten. Anbieter und Kunden von SaaS sollen also leichter zueinander finden. Das Ganze wird mit 1,4 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium bezuschusst. Subventionsempfänger sind zwei staatliche Forschungsinstitutionen und drei Softwareunternehmen, darunter IBM (rund 78.000 Euro) und SAP mit dem größten Subventionshappen (rund 654.000 Euro). Der Bund der Steuerzahler hält es für problematisch, dass Konzerne mit Milliardengewinnen wie IBM und SAP in dieser Höhe Steuergelder erhalten. Quelle: dpa
1,4 Millionen Euro für die Produktion von SynthesegasDas noch bis Jahresende laufende Projekt „Dry-Ref“ soll erforschen, wie aus Kohlendioxid Synthesegas, also letztlich Chemierohstoffe und gegebenenfalls Kraftstoffe – hergestellt werden können. Die Grundidee ist nicht neu, verschiedene Verfahren mit unterschiedlicher Ausreifung sind bekannt. Das Projekt kostet knapp 1,4 Millionen Euro und wird vom Bundeswirtschaftsministerium bezahlt. Der Großteil fließt an die BASF (312.000 Euro) und an die BASF-Tochter hte AG (485.000 Euro) sowie an die Linde AG (45.000 Euro). Der Rest – rund 533.000 Euro – geht an drei universitäre Einrichtungen. Der Bund solle lieber die Steuerzahler schonen, anstatt DAX-Unternehmen zu unterstützen, findet der Bund der Steuerzahler. Quelle: Reuters
1,4 Millionen Euro für einen Bundestags-FilmDie Bundestagsverwaltung initiierte den Image-Film „Dem deutschen Volke – Eine parlamentarische Spurensuche. Vom Reichstag zum Bundestag“, der im Frühherbst vergangenen Jahres rund zwei Wochen lang allabendlich, umrahmt von aufwendigen Licht-, Bild- und Toneffekten, auf das große Rundfenster des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses projiziert wurde. Kostenpunkt 376.544 Euro, also mehr als 22.000 Euro pro Tag. Das Projekt soll in diesem Jahr ausgebaut werden und im Sommer drei Monate lang vorbeigehende Touristen und Berliner beglücken. 1,4 Millionen Euro sollen die Steuerzahler hierfür berappen. Der Bund der Steuerzahler hält es für „unverhältnismäßig und überzogen, wenn für einen Selbstdarstellungsfilm 1,4 Millionen Euro quasi gegen die Wand gesetzt werden sollen. Bei Kosten von mehr als 15.000 Euro pro Tag müssen sich die Steuerzahler wie in einem schlechten Film vorkommen.“ Quelle: dpa
1,6 Millionen Euro für die BierproduktionDeutschlandweit und ressortübergreifend fördert die Bundesregierung auch die Bierproduktion mit Steuergeldern. Die Warsteiner-Brauerei in Nordrhein-Westfalen bekommt derzeit 83.000 Euro vom Bundesforschungsministerium, damit per Funksensoren große Brauereiprozessanlagen besser überwacht werden können. Die Bayerische Erdinger Weißbräu GmbH erhält vom Bundeswirtschaftsministerium über 1,4 Millionen Euro für den Einsatz einer Brennstoffzelle zur Energieversorgung einer Braustätte mit direkter Nutzung von eigenem Biogas. Die Brauerei Landsberg GmbH in Sachsen-Anhalt darf sich über knapp 95.000 Euro freuen, damit Bierreifungsprozesse optimiert werden. Der Steuerzahlerbund sieht das Geld anderswo besser aufgehoben. Quelle: obs
1,6 Millionen Euro für ein Messgerät für dichte FensterMit mindestens 1,6 Millionen Euro fördert das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung eines neuen mobilen Messgeräts, welches den Wärmeverlust von bereits verbauten Fenstern messen soll. Die Entwicklung übernimmt ein Konsortium unter Beteiligung von acht namhaften Unternehmen der Branche wie Roto, das zudem auch ein Bewertungstool für Sanierungsmaßnahmen im Fensterbereich anfertigen und den Alterungsprozess von Fenstern bewerten soll. Das Thema energieeffiziente Gebäudesanierung steht bei der Bundesregierung hoch im Kurs. Bei der Wärmedämmung von Gebäuden bilden insbesondere Fenster eine Quelle des Wärme- und damit Energieverlustes. Allerdings sei es nicht Aufgabe der Steuerzahler, ein solches Messgerät öffentlich zu fördern, sagt der Steuerzahlerbund. Quelle: Pressefoto
2,2 Millionen Euro für leichtere AutosIm April 2011 startete das Bundesforschungsministerium ein Förderprojekt für mindestens drei Jahre, Fördervolumen rund 2,2 Mio. Euro. Ziel sind leichtere Autos. Beteiligt sind Evonik Industries AG, Johnson Controls GmbH, Jacob Plastics GmbH, Toho Tenax Europe GmbH sowie die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen. Der Steuerzahlerbund findet es die Subventionierung einzelner Autoteile „grotesk“. Die Autoindustrie und ihre Zulieferer würden es auch alleine schaffen, neue Werkstoffe und Konstruktionstechniken zu entwickeln, um Autos leichter und dadurch verbrauchsärmer zu machen. Quelle: dpa

Was ist davon zu halten? Auch wenn sich die Finanzlage der Kommunen in den Folgejahren 2012 und 2013 etwas entspannt hat, bleibt ein wichtiger Befund:  Die Spaltung in reiche und arme Städte in Deutschland nimmt zu. Nur ein Beispiel: In Sachsen beträgt die kommunale Verschuldung durch Kassenkredite 13 Euro pro Einwohner - im Saarland hingegen sind es 1.754 Euro.

Die Idee einer kommunalen Schuldenbremse hat daher durchaus Charme. Sie ist juristisch aber heikel. Als Teil der Länder sind die Kommunen ja schon jetzt zumindest mittelbar von der grundgesetzlichen Schuldenbremse betroffen, da die Länder ihre Zuweisungen an die Kommunen in den kommenden Jahren reduzieren dürften. Zielführender als kommunale Schuldenbremsen ist daher eine Radikalreform von Länderfinanzausgleich und Solidaritätspakt. Die ökonomische Trennung von Ost- und West hat sich überlebt, mittlerweile gibt es top-sanierte und prosperierende Oststädte und heruntergekommenen Weststädte, etwa im Ruhrgebiet,  die arm sind wie Kirchenmäuse. Nötig ist eine neue Förderpolitik, die nicht danach fragt, wo eine Stadt liegt - sondern allein danach, wie es ihr geht.

Deutsche Schuldenhochburgen

Und auch dies darf bei der Debatte über die kommunalen Geldprobleme nicht vergessen werden. Nicht für jedes Haushaltsloch sind die Umstände oder die anderen verantwortlich. Auch Fehlplanungen und Schlampereien in kommunalen Amtsstuben strapazieren vielerorts den Haushalt. Da werden Straßen kurz hintereinander mehrfach aufgerissen, weil sich beteiligte Ämter und Versorgungsbetriebe nicht abstimmen, da werden Amtsleiter mit hohen Abfindungen entsorgt, da leisten sich Bürgermeister teure Prestigeprojekte.

Hinzu kommt nicht selten eine ungenügende Pflege der Steuerquellen. Kommunale Einnahmen lassen sich durch eigene Leistungen erhöhen –indem man lokale Existenzgründungen fördert und neue Betriebe in die Stadt lockt (die anschließend Gewerbesteuer zahlen). Doch diese Erkenntnis scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Im vergangenen Jahr ließ die WirtschaftsWoche eine Unternehmerumfrage in den größten 50 Städten des Landes durchführen. Wir wollten wissen: Wie bewerten die örtlichen Unternehmen die Servicequalität und Wirtschaftsfreundlichkeit der Kommunalverwaltung? Das überraschende Ergebnis: Vielerorts erhielten Kommunen, die es besonders nötig hätten, besonders miese  Noten. Das völlig überschuldete Bremen etwa landete in der Kategorie "Moderne Verwaltung" nur auf dem vorletzten Platz. Bei der Wirtschaftsfreundlichkeit ging die rote Laterne an die nicht gerade als Wachstumsmekka bekannten NRW-Städte Hagen und Herne.

Viele Städte brauchen Hilfe. Aber sie müssen auch versuchen, sich selbst zu helfen.

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